Geschichten vom Franz

1. Wie sich der Franz zu helfen wusste

Der Franz ist sechs Jahre alt. Weil der Franz aber sehr klein ist, merken das viele Leute nicht. Sie halten ihn für vier Jahre. Und dass er ein Bub ist, glauben sie auch nicht.

„Grüß Gott, kleines Mädchen“, sagt die Gemüsefrau, wenn der Franz bei ihr einen Apfel kauft.

„Du bekommst noch Geld zurück, kleines Fräulein“, sagt der Mann im Kiosk, wenn der Franz die Zeitung holt.

Das kommt davon, weil der Franz blonde Ringellocken hat und Kornblumenaugen. Und einen Herzkirschenmund. Und rosarote Plusterbacken.

So, glauben die meisten Leute, sehen nur hübsche kleine Mädchen aus.

Der Papa vom Franz hat als Kind auch wie ein kleines Mädchen ausgesehen. Jetzt ist er ein großer, dicker Mann mit Bart, und niemand verwechselt ihn mehr mit einer Frau.

Der Papa zeigt dem Franz oft uralte Fotos und sagt: „Der da, der wie ein Mädchen ausschaut, der bin ich!“

Und dann zeigt er dem Franz Fotos, die ein bisschen weniger uralt sind, und sagt: „Und das bin ich ein paar Jahre später. Da kann mich keiner mehr für ein Mädchen halten. Bei dir wird es genauso sein!“

Für den Franz ist das ein Trost. Aber er ärgert sich trotzdem, dass er wie ein Mädchen ausschaut. Weil manche Buben deshalb nicht mit ihm spielen wollen. Kommt der Franz in den Park, auf den Spielplatz und will beim Fußballmatch der Torwart sein, rufen die Buben: „Verzieh dich! Mädchen werden in unsere Mannschaft nicht aufgenommen!“

Sagt der Franz den Buben, dass er kein Mädchen ist, lachen sie ihn aus und glauben ihm nicht.

Sie sagen: „Lüg doch nicht! Man merkt es ja schon an deiner Stimme! So eine Piepsstimme wie du, die hat nur ein Mädchen!“

Dabei hat der Franz gar keine Piepsstimme. Piepsig redet er nur, wenn er sich sehr aufregt. Und das tut er, wenn ihn die anderen für ein Mädchen halten und nicht mitspielen lassen.

Einmal, an einem Sonntag, schaute der Franz aus dem Küchenfenster. Da sah er unten im Hof einen Buben. Einen, den er noch nie im Hof gesehen hatte. Einen ganz fremden.

Der Bub ging im Hof herum. Und pfiff dabei. Und gab einer Blechdose einen Fußtritt. Die Blechdose sauste quer durch den Hof. Der Bub lief hinter ihr her und gab ihr wieder einen Fußtritt.

„Mama, kennst du den Buben da unten?“, fragte der Franz.

Die Mama kam zum Küchenfenster und schaute auch in den Hof hinunter.

„Das wird der Neffe von der Berger sein“, sagte sie. „Wahrscheinlich ist er mit seiner Mutter zu Besuch gekommen. Dem wird in der Wohnung langweilig geworden sein.“

Das verstand der Franz gut. Wenn er bei seiner Tante zu Besuch war, war ihm auch immer recht langweilig.

Der Franz stopfte vier Murmeln, drei Bubble-Gums, zwei blecherne Quakfrösche und ein Papiertaschentuch in die Hosentaschen und sagte zur Mama: „Du, ich gehe in den Hof hinunter!“

Die Mama hielt das für eine gute Idee.

„Aber benimm dich ordentlich“, rief sie dem Franz nach. „Die Berger-Sippe ist etepetete!“

Der Franz hatte keine Ahnung, was eine Sippe ist. Und was etepetete heißt, wusste er schon gar nicht. Weil er es aber sehr eilig hatte, erkundigte er sich nach den zwei unbekannten Wörtern nicht.