Du bist mein Stern

Paige Toon

Du bist mein Stern

Roman

Aus dem Englischen von Birgit Schmitz

FISCHER E-Books

Inhalt

Über Paige Toon

Als Tochter eines australischen Rennfahrers wuchs Paige Toon in Australien, England und Amerika auf. Nach ihrem Studium arbeitete sie zuerst bei verschiedenen Zeitschriften und anschließend sieben Jahre lang als Redakteurin beim Magazin »Heat«. Paige Toon schreibt inzwischen hauptberuflich und lebt mit ihrer Familie, sie ist verheiratet und hat zwei Kinder, in Cambridgeshire.

 

Weitere Titel der Autorin ›Immer wieder du‹, ›Lucy in the Sky‹, ›Du bist mein Stern‹, ›Einmal rund ums Glück‹, ›Diesmal für immer‹, ›Ohne dich fehlt mir was‹, ›Sommer für immer‹, ›Endlich dein‹, ›Wer, wenn nicht du‹.

Über dieses Buch

Meg kann es nicht fassen – sie soll die neue persönliche Assistentin von Rockstar Johnny Jefferson werden! Und zwar sofort.

 

Und bevor Meg auch nur begreifen kann, was da gerade mit ihr passiert, sitzt sie auch schon im Flugzeug nach Los Angeles und taucht ein in eine Welt voller Glamour und Promisternchen.

 

Meg versucht ihren Job so professionell wie möglich zu machen, aber Johnny macht ihr die Sache nicht wirklich leicht. Er ist einfach viel zu sexy und seine Augen viel zu unverschämt schön!

 

Zum Glück ist da noch Johnnys Freund Christian, der Meg mit seiner ruhigen Art dabei hilft, einen kühlen Kopf zu bewahren. Allerdings – wie lange noch?

Impressum

Covergestaltung und -illustration: bürosüd, München

© Paige Toon, 2008

Published by Arrangement with

SIMON & SCHUSTER UK LTD., London, England

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Johnny Be Good«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2009

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-400841-7

Für Indy,
meinen hübschen Jungen.
Sei brav.

Prolog

»Sin-gen! Sin-gen! Sin-gen!«

Nein, ich kann nicht.

»Sin-gen! Sin-gen! Sin-gen!«

Nein! Hört auf damit! Und stellt verdammt nochmal diese beknackte Musik ab!

»SIN-GEN! SIN-GEN! SIN-GEN

Shit! Meine Handflächen sind so glitschig, dass ich fast das Mikro fallen lasse. Ich bin nicht in Form. Und ich kann überhaupt nicht singen. Ich kann NICHT singen. Aber sie werden nicht aufhören. Sie werden so lange weitermachen, bis ich klein beigebe, da bin ich sicher. Und ich darf mein Publikum nicht enttäuschen. Okay, ich singe! Und jetzt der Refrain …

I’m locked inside us

And I can’t find the key

It was under the plant pot

That you nicked from me

Das Lied ist übrigens nicht von mir. Und wenn ich sage, ich kann nicht singen, dann meine ich das auch. Wenn man so blau ist wie ich gerade, kann einem auch keiner verübeln, wenn man denkt: Wäre doch bloß die Superstar-Jury hier! Die würde bestimmt sagen: »Mädel, du hast das gewisse Etwas!« Aber ich mache mir keine Illusionen. Ich weiß, dass ich, wie sie es ausdrücken würde, »allenfalls Durchschnitt« bin.

Und was das Publikum betrifft … Nun, ich singe nicht

Die Frau, die mir gerade das Mikro aus der Hand gerissen hat, ist übrigens Bess. Sie ist meine Mitbewohnerin und beste Freundin. Und sie kann auch nicht singen. O Mann, das tut ja richtig weh in den Ohren! Das neben ihr ist Sara, eine Freundin von der Arbeit. Und dann sind da noch Jo, Jen und Alison, Freundinnen von der Uni.

Und ich? Nun, ich bin Meg Stiles. Und das hier ist meine Abschiedsparty. Und der Song, über den wir uns gerade so beölen? Den hat einer der größten Rockstars des Planeten geschrieben. Und ich zieh morgen bei ihm ein.

Echt! Ist nicht mal ein Scherz.

Na ja, bisschen irreführend vielleicht. Ich bin ihm nämlich noch nie begegnet.

Nein, ich bin keine Stalkerin. Ich bin seine neue P. A. Seine Persönliche Assistentin. Und ich fahre ins La-La-Land. Nach Los Angeles. Die Stadt der Engel – wie auch immer ihr sie nennen wollt. Und ich kann es selbst noch nicht fassen!

Kapitel 1

Autsch! Mir brummt der Schädel. Welcher Idiot feiert schon am Abend vor seinem ersten Tag im neuen Job eine Abschiedsparty?

Normalerweise bin ich nicht so chaotisch. Wahrscheinlich bin ich sogar der bestorganisierte Mensch, der euch je unterkommen wird. Dass ich am Vorabend meiner Abreise nach L. A. eine Party schmeiße, ist absolut untypisch für mich. Aber mir blieb kaum etwas anderes übrig. Ich hab den Job nämlich gerade erst bekommen.

Vor sieben Tagen war ich noch Persönliche Assistentin in einem Architektenbüro. Meine Chefin, Marie Sevenou (Anfang fünfzig, Französin, sehr hoch angesehen in der Branche), bestellte mich am Montagmorgen in ihr Büro und bat mich, die Tür zu schließen und Platz zu nehmen. Weil das in den neun Monaten, die ich für sie arbeitete, noch nie vorgekommen war, fragte ich mich als Erstes, ob ich irgendwas falsch gemacht haben könnte. Da ich allerdings ziemlich davon überzeugt war, dass nicht, wurde ich vor allem neugierig.

»Meg«, begann sie, und in ihren starken französischen Akzent mischte sich Verzweiflung. »Was ich Ihnen jetzt sage, schmerzt mich wirklich sehr.«

Verdammt, war sie etwa sterbenskrank?

»Ich möchte Sie nicht verlieren.«

Verdammt, war ich sterbenskrank? Sorry, blöder Scherz.

»Ich habe den ganzen gestrigen Tag mit mir und meinem Gewissen gerungen«, jammerte sie weiter. »Soll ich es ihr

Ich kann meine Chefin echt gut leiden, wirklich, aber normalerweise ist sie nicht halb so melodramatisch.

»Marie«, erwiderte ich also, »was wollen Sie mir denn eigentlich sagen?«

Sie sah mich mit ausdrucksloser Miene an. »Aber ich sagte mir, Marie, denk daran, wo du vor dreißig Jahren gestanden hast. Für so eine Chance hättest du einfach alles getan. Wie könnte ich es ihr also verschweigen?«

Worüber redete sie, zum Teufel?

»Ich war am Samstagabend bei einem sehr guten Freund zum Essen eingeladen. Erinnern Sie sich an Wendel Redgrove? Äußerst einflussreicher Anwalt. Ich habe vor Jahren sein Haus in Hampstead entworfen. Na ja, jedenfalls hat er mir erzählt, seinem wichtigsten Mandanten wäre vor kurzem die Assistentin weggelaufen und er fände partout keinen Ersatz. Ich habe natürlich Mitgefühl gezeigt. Ich habe von Ihnen erzählt und gesagt, dass ich sterben würde, wenn ich Sie jemals verlieren sollte. Im Ernst, Meg, ich weiß nicht, wie ich ohne Sie überhaupt jemals klargekommen bin … «

Doch sie fasste sich wieder und senkte ihre kühlen blauen Augen tief in meine dunkelbraunen, als sie die Worte aussprach, die mein Leben für immer verändern sollten:

»Meg, Johnny Jefferson braucht eine neue Persönliche Assistentin.«

Johnny Jefferson. Heißer Rockstar. Stechend grüne Augen, dunkelblonde Haare und ein Body, für den Brad Pitt schon vor fünfzehn Jahren hätte zum Mörder werden können.

Das war die Chance meines Lebens: nach Los Angeles zu ziehen, für ihn zu arbeiten und auf seinem Anwesen zu wohnen. Seine Vertraute zu werden, seine Nummer eins, der

Noch am selben Nachmittag lernte ich Wendel Redgrove und Johnny Jeffersons Manager Bill Blakeley kennen, einen Londoner Prolotyp Ende vierzig, der Johnny betreut, seit er sich vor sieben Jahren von seiner Band Fence getrennt hat. Dabei zog Wendel einen Vertrag und eine Vertraulichkeitsvereinbarung aus der Tasche, und Bill bat mich, gleich nächste Woche anzufangen.

Marie brach tatsächlich in Tränen aus, als ich ihr berichtete, dass schon alles unter Dach und Fach war. Sie hatten mir den Job angeboten, und ich hatte zugegriffen. Marie war von Wendel bereits überredet worden, auf meine einmonatige Kündigungsfrist zu verzichten, und so blieben mir gerade mal noch sechs Tage in London, was erschreckend war, um es harmlos auszudrücken. Als ich meine Bedenken vortrug, erwiderte Bill Blakeley ohne Umschweife: »Tut mir leid, Kleines, aber wenn du erst Zeit brauchst, um dein Leben zu sortieren, dann bist du nicht die Richtige für den Job. Pack nur das ein, was du brauchst. Wir kommen in den ersten drei Monaten hier für deine Miete auf. Wenn alles gutgeht, kannst du dir danach ein bisschen freinehmen, um zurückzukommen und das zu erledigen, was auch immer du hier noch erledigen willst. Aber du musst sofort anfangen, denn ehrlich gesagt hab ich die Schnauze gestrichen voll davon, Johnny seine Unterhosen kaufen zu müssen, seit das letzte Mädchen von der Bildfläche verschwunden ist.«

Und hier sitze ich nun also mit einem Mega-Kater im Flieger nach L.A. Ich schaue aus dem Fenster auf die Stadt runter. Smog hängt wie eine dicke schwarze Wolke darüber, als wir uns dem Flughafen nähern. Die unverkennbare weiße Silhouette des Theme Building sieht aus wie eine fliegende

Nach der Zollabfertigung gehe ich auf den Ausgang zu, wo mich der Fahrer erwartet, wie man mir mitgeteilt hat. Als ich meinen Blick über die Menge schweifen lasse, entdecke ich tatsächlich jemanden, der ein Schild mit meinem Namen hochhält.

»Ms Stiles! Hallo! Wie geht es Ihnen?«, sagt der Fahrer, als ich mich zu erkennen gebe. Er schüttelt energisch meine Hand, und auf seinem Gesicht breitet sich ein perlweißes Lächeln aus. »Willkommen in Amerika! Ich bin Davey! Freut mich, Sie kennenzulernen! Lassen Sie mich die Tasche für Sie tragen, Ma’am! Kommen Sie! Hier entlang!«

Ich bin zwar nicht sicher, ob ich in meinem Zustand so viele Ausrufezeichen vertrage, aber sein Enthusiasmus ist einfach bewundernswert. Grinsend folge ich ihm durch das Terminal nach draußen. Sofort schlägt mir die feucht-schwüle Luft entgegen, und mir wird ein bisschen schwummerig. Als wir am Wagen ankommen – einer langen schwarzen Limousine –, bin ich regelrecht erleichtert. Ich steige hinten ein und lasse mich auf die kühlen, cremefarbenen Ledersitze fallen. Kaum haben wir den Parkplatz verlassen, geht die Klimaanlage an, und meine Übelkeit und meine Mattigkeit lassen nach. Ich öffne das Fenster.

Davey erzählt mir, dass es sein größter Traum wäre, einmal im Leben der Queen zu begegnen. Als ich die jetzt weniger feuchte Luft von draußen in meine Lungen sauge, geht es mir allmählich besser. Es riecht nach Barbecues. Die höchsten Palmen, die ich je gesehen habe, säumen die extrem breiten Straßen, und als ich den Kopf zum Fenster rausstrecke und an ihnen hochschaue, staune ich noch mehr. Ich kann nicht fassen, dass sie nicht in der Mitte

Noch nicht.

O Gott, wie kann es sein, dass mir das hier passiert?

Keine meiner Freundinnen kann es glauben, weil ich mir noch nie viel aus Johnny Jefferson gemacht hab. Klar, ich finde, er sieht super aus – wer findet das nicht? –, aber ich steh eigentlich nicht auf ihn. Und was Rockmusik angeht, na ja; ich finde Avril schon ziemlich Hardcore. Take That dagegen kann ich jeden Tag hören.

Jede, die ich kenne, würde, um an meiner Stelle zu sein, ihren kleinen Zeh hergeben, oder gar ihren ganzen Fuß. Ach und wo wir schon mal dabei sind: und eine Hand noch dazu.

Ich dagegen würde mich schon damit schwertun, mehr als den Nagel meines großen Onkels herzugeben. Geschweige denn, dass ich auf einen ganzen Zeh verzichten würde.

Was nicht heißen soll, dass ich den Job nicht total spannend finde. Und die Tatsache, dass alle meine Freundinnen verrückt nach Johnny sind, macht ihn sogar noch aufregender.

Davey fährt durch das Tor nach Bel Air, Zufluchtsort der Reichen und Berühmten.

»Da drüben hat Elvis gewohnt«, zeigt er mir, während wir an sogar noch eindrucksvolleren Anwesen vorbei bergauf fahren. Ich verrenke mir den Hals, um einen Blick auf die gepflegten Gärten hinter den hohen Mauern und Hecken zu erhaschen.

Die Schmerzen in meinem Kopf sind offenbar

Wir fahren weiter bergauf, dann hält Davey plötzlich vor einem imposanten Holztor. Kameras an stählernen Pfosten beiderseits des Wagens sind bedrohlich auf uns gerichtet. Ich fühle mich beobachtet und möchte mein Fenster am liebsten sofort wieder hochfahren. Davey meldet über eine Gegensprechanlage unsere Ankunft, und wenige Augenblicke später öffnet sich das Tor. Meine Hände sind feucht.

Die Auffahrt ist nicht lang, fühlt sich aber endlos an. Zunächst verbergen Bäume das Haus, doch als wir um eine Kurve biegen, taucht es vor uns auf.

Es wirkt modern: Rechteckig, Außenwände aus weißem Beton, zwei Stockwerke, klare Linien.

Davey hält an und steigt aus, um mir die Tür aufzuhalten. Dann stehe ich da und versuche, meine Nervosität zu unterdrücken, während er mein Gepäck aus dem Kofferraum holt. Die riesige, schwere Haustür schwingt auf, und schon steht eine rundliche kleine, spanisch aussehende Frau mit einem freundlichen Lächeln neben mir.

»Na, wen haben wir denn da?« Sie strahlt mich an, und ich finde sie auf Anhieb sympathisch. »Ich bin Rosa«, sagt sie, »und Sie müssen Meg sein.«

»Guten Tag … «

»Kommen Sie doch rein!«

Davey wünscht mir Glück und verabschiedet sich, und ich folge Rosa in eine große, helle Diele. Als wir sie durchquert haben und durch eine weitere Tür treten, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Eine vom Boden bis zur Decke reichende Glaswand gibt einen atemberaubenden Blick auf die Stadt frei, über der flimmernd die Nachmittagshitze liegt. Ein Swimmingpool schimmert kühl und blau im Garten.

»Sensationell, nicht wahr?« Rosa muss lächeln, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht.

»Ja, phantastisch«, stimme ich zu.

Ich frage mich, wo wohl der Rockstar ist?

»Johnny ist spontan weggefahren, um zu komponieren«, erklärt Rosa mir.

Oh.

»Er kommt erst morgen zurück«, fährt sie fort. »Sie haben also ein bisschen Zeit, Ihre Sachen auszupacken und sich einzuleben. Oder noch besser: Draußen am Pool … « Sie zwinkert mir verschwörerisch zu.

Ich greife nach meinem Koffer und überspiele tapfer meine Enttäuschung, während Rosa mich in den weitläufigen offenen Wohnbereich führt, der eine beeindruckende Deckenhöhe hat. Nur an der Stereoanlage und dem riesigen Flachbildfernseher erkenne ich, dass es sich um das Wohnzimmer handelt, denn die moderne, ultracoole Möblierung beschränkt sich auf das absolute Minimum.

Ich bin beeindruckt und muss zugeben, dass dieser Job mir inzwischen alles andere als gleichgültig ist. Was mir nicht gerade dabei hilft, einen kühlen Kopf zu bewahren.

»Dahinter ist die Küche.« Rosa zeigt auf eine geschwungene Milchglaswand. »Dort verbringe ich den größten Teil meiner Zeit. Ich bin nämlich die Köchin«, erklärt sie, bevor ich nachfragen kann. »Ich versuche, diesen Jungen ein bisschen aufzupäppeln. Wenn ich Barkeeperin wäre, hätte ich allerdings mehr Freude. Einem Drink ist er nämlich nie abgeneigt.« Sie kichert gutmütig, als wir am Fuß der Treppe aus poliertem Beton ankommen.

»Schaffen Sie das?«, fragt sie mit einem Blick auf meinen Koffer.

»Ja, kein Problem!«

»Wir bräuchten wirklich einen Butler, aber Johnny mag

Moment mal, hat sie gerade Kino gesagt?

»Ich führe Sie später noch durchs ganze Haus«, ergänzt sie, inzwischen etwas außer Atem.

»Wohnen Sie auch hier?«, frage ich.

»O nein, nein, Herzchen, ich habe eine Familie, um die ich mich kümmern muss. Außer dem Sicherheitspersonal sind Sie die Einzige, die hier übernachtet. Und Johnny natürlich. Okay!«, sagt sie und klatscht in die Hände, als wir an der Tür zu meinem Zimmer ankommen. »Hier wohnen Sie!« Sie dreht am Türknauf, stößt die schwere Metalltür auf und tritt zurück, um mich vorbeizulassen.

Mein Zimmer ist so hell und weiß, dass ich versucht bin, meine Sonnenbrille aufzusetzen. Durch die Fenster schaut man direkt auf die Laubbäume hinter dem Haus, und in der Mitte des Raums steht ein gigantisch breites Bett mit einer strahlend weißen Tagesdecke. Eine weiß lackierte, vom Boden bis zur Decke reichende Schrankwand erstreckt sich über die gesamte Längsseite, und in der Wand gegenüber befinden sich zwei Türen.

»Hier haben Sie Ihre eigene kleine Küche, wo Sie sich was kochen können, falls Ihnen mein Essen nicht gut genug ist.« Ihrem jovialen Ton entnehme ich, dass das eher unwahrscheinlich ist. »Und hier ist Ihr Bad.«

Und was für eins! Es ist riesig und jede Oberfläche aus strahlend weißem Marmor. An der hinteren Wand befindet sich ein großer Whirlpool, auf der rechten Seite eine

»Hübsch, nicht wahr?«, sagt Rosa und gluckst leise, während sie zur Tür zurückgeht. »Ich lasse Sie jetzt allein, damit Sie sich in Ruhe einrichten können. Kommen Sie einfach runter in die Küche, wenn Sie so weit sind, dann mache ich Ihnen was zu essen.«

Sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hat, springe ich wie wahnsinnig geworden auf und ab, mein Gesicht zu einem stummen Kreischen verzerrt.

Dieses Haus ist der Wahnsinn! Ich hab in MTV Cribs ja schon so einige Rockstar-Anwesen gesehen, aber das hier toppt echt alles.

Ich streife meine Schuhe ab, werfe mich auf das riesige Bett und schaue grinsend an die Decke.

Wenn Bess mich bloß so sehen könnte … Dieses Haus hat mit unserer schäbigen Londoner WG so überhaupt nichts mehr gemein. In England geht es mittlerweile auf Mitternacht zu. Sie wird sich also längst hingelegt haben, um endgültig ihren Rausch auszuschlafen, bevor es morgen wieder an die Arbeit geht. Ich beschließe, ihr eine SMS zu schicken, die sie dann morgens beim Aufwachen findet. Ich klettere vom Bett, lächle, als ich den dicken weißen Zottel-Teppich zwischen meinen Zehen spüre, und fische mein Handy aus der Tasche.

Ach, ich glaube, ich schicke ihr lieber ein Foto. Ich aktiviere die Kamera, mache eine Aufnahme von dem großen Zimmer mit dem (inzwischen leicht zerwühlten) Bett in der Mitte und gebe eine Nachricht ein:

Guck mal, mein Zimmer! Hab ihn noch nicht gesehen, aber das Haus ist der Knaller! Wünschte, Du wärst hier. X

Sie fällt tot um, wenn sie erst den Blick aus meinem Zimmer sieht. Den schicke ich ihr morgen.

Ich beschließe, meine Sachen erst später auszupacken, und gehe stattdessen runter zu Rosa. Sie steht am Herd und brät Hühnchen, Paprika und Zwiebeln in einer Pfanne an.

»Hallo! Ich mache gerade eine Quesadilla. Sie müssen doch am Verhungern sein.«

»Kann ich irgendwas tun?«, frage ich.

»Nein, nein, nein!« Sie scheucht mich weg und tischt mir wenige Minuten später das fertige Essen auf. Käse tropft von den Rändern der dreieckig geschnittenen Tortillas. Sie hat recht: Ich bin fast verhungert.

»Ich würde Ihnen ja eine Margarita anbieten, aber wenn ich diese dünnen Ärmchen so sehe, glaube ich, Sie müssen erst mal aufgepäppelt werden.« Sie lacht und zieht sich einen Stuhl heran.

Verglichen mit ihren sind meine Arme wirklich dünn. Jeder Körperteil von mir ist dünn im Vergleich zu Rosa. Sie sieht aus wie eine runde mexikanische Mama weit weg von zu Hause.

»Wo wohnen Sie denn?«, frage ich und finde heraus, dass ihr Zuhause eine Autostunde von hier entfernt ist. Dort hat sie drei Söhne im Teenageralter, eine zehnjährige Tochter und einen Ehemann, der offenbar wie bescheuert arbeitet, sie aber – nach dem Lächeln zu urteilen, mit dem sie von ihm spricht – auch wie verrückt liebt. Sie muss jeden Tag weit fahren, aber sie kocht leidenschaftlich gern für Johnny. Sie bedauert nur, dass sie häufig nicht da ist, um dafür zu sorgen, dass er die Mahlzeiten auch isst, die sie ihm hinstellt. Und es bricht ihr das Herz, wenn sie am nächsten Morgen zurücckommt und das Essen im Kühlschrank wiederfindet.

»Sie müssen dafür sorgen, dass der Junge was isst«, drängt sie mich. »Johnny isst einfach nicht genug.«

Es ist seltsam, sie von »Johnny« sprechen zu hören. Für mich ist er immer noch »Johnny Jefferson«, aber auch für mich wird er bald einfach nur Johnny sein.

Es kommt mir so vor, als würde ich ihn schon kennen. Es ist unmöglich, in England zu leben und nichts über Johnny Jefferson zu wissen, und seit ich ihn in einer Mittagspause, als ich noch bei Mary arbeitete, gegoogelt habe, weiß ich sogar noch mehr.

Seine Mutter starb, als er dreizehn war, also zog er von Newcastle zu seinem Vater nach London. Er hat die Schule geschmissen, um sich ganz auf die Musik zu konzentrieren, und als Teenager eine Band gegründet. Die bekam bald einen Plattenvertrag, und als Johnny zwanzig wurde, waren die Jungs schon auf der ganzen Welt Superstars. Als die Band sich auflöste, war er dreiundzwanzig und zeitweilig total neben der Spur, startete zwei Jahre später aber eine Solokarriere. Alkohol, Drogen, Sex – was auch immer, Johnny hat es wahrscheinlich ausprobiert. Ich hab auch nichts gegen einen gelegentlichen Drink und ich bin nicht prüde, selbst wenn ich erst drei ernsthafte Beziehungen hatte, aber mit Drogen habe ich absolut nichts im Sinn, und zu bösen Jungs habe ich mich auch noch nie hingezogen gefühlt.

Rosa fährt um halb sieben nach Hause und ermuntert mich, mich draußen an den Pool zu legen. Zehn Minuten später stehe ich in dem schwarzen Bikini aus meinem letzten Italienurlaub mit Bess auf der Terrasse. Da die Sonne noch immer sengend heiß vom Himmel brennt, stelle ich mich auf die Stufen in der flachen Seite des Pools, lege den Kopf in den Nacken und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Das glitzernde blaue Wasser ist kühl, aber nicht kalt, und ich tauche, ohne eine Miene zu verziehen, ganz hinein. Während ich ein paar Bahnen ziehe, beschließe ich, ab jetzt jeden Morgen fünfzig davon zu schwimmen. In London war ich so viel zu Fuß unterwegs,

Nach einer Weile steige ich aus dem Wasser und breite mein Handtuch auf den heißen Steinen neben dem Pool aus. Ich verzichte auf eine Sonnenliege, damit ich meine Finger ins Wasser halten kann. Mein Kater ist längst verschwunden, und ich liege einfach da, bin überglücklich und lausche auf das Plätschern des Wassers und auf das Zirpen der Zikaden in den Büschen. Hoch über mir malt ein Flugzeug einen langen weißen Strich in den wolkenlosen Himmel, und aus dem Augenwinkel sehe ich kleine schwarze Vögel herabflattern, um Wasser aus dem Pool zu trinken. Allmählich werde ich schläfrig.

»Wirst du dafür bezahlt?«

Ich bin schlagartig wach, um festzustellen, dass sich eine dunkle Gestalt über mich beugt und mir das Sonnenlicht raubt. Vor Schreck falle ich fast in den Pool.

»Huahhh, scheiße!«

Ich fummele herum, um mir das Handtuch unterm Hintern wegzuziehen und mich damit zu bedecken, aber es fällt ins Wasser.

»Verdammter Mist!«

Ich springe hektisch auf, und mir wird klar, dass ich in den letzten zwanzig Sekunden nichts anderes getan habe, als vor meinem neuen Chef zu fluchen.

»Entschuldigung«, platze ich heraus. Seine Augen gleiten über meinen Körper, und ich hab das Gefühl, dass er mich mit seinem Blick auszieht. Was auch nicht besonders schwer ist, weil ich ja kaum was anhabe. Ich verschränke die Arme vor der Brust und wünsche mir verzweifelt, mein Handtuch aus dem Pool fischen zu können. Dazu müsste ich mich aber unglücklicherweise vorbeugen – etwas, was mir jetzt gerade ganz und gar unangenehm wäre. Ich blicke hoch.

Er ist wirklich ziemlich groß – ungefähr eins

Mann, er ist umwerfend! Er sieht in echt sogar noch besser aus als auf Fotos.

»Entschuldigung«, wiederhole ich, und seine Mundwinkel kräuseln sich ein wenig, als er hinter mich greift und mein triefend nasses Handtuch aus dem Wasser fischt. Ich versuche instinktiv, Distanz zwischen uns zu bringen, doch die einzige Möglichkeit dazu wäre, einen Schritt nach hinten zu machen, ins Wasser, und ich glaube, ich habe mich auch so schon genug blamiert. Er richtet sich wieder auf und wringt das Handtuch aus. Die Muskeln an seinen nackten Armen spannen sich an. Ich sehe seine berühmten Tattoos und kann nicht anders als nervös zu werden.

Mir fällt ein, dass mein Sarong auf einer der Sonnenliegen hinter ihm liegt, doch er macht keinerlei Anstalten, ihn mir zu reichen, als ich mich vorsichtig an ihm vorbeischiebe, um dann hastig danach zu greifen. Ich wickle mir schnell das bei weitem viel zu kleine grüne Stück Stoff um die Hüfte.

»Meg, richtig?«, sagt er.

»Ja, hi«, gebe ich zurück und sehe ihm – wobei ich meine Augen mit der Handfläche vor der Sonne abschirme – dabei zu, wie er das nasse Handtuch zu einer Kugel zusammenrollt und damit auf einen sechs Meter entfernten Korb zielt. Er landet einen sauberen Treffer.

»Und Sie sind, äh, offensichtlich Johnny Jefferson.«

Er dreht sich wieder zu mir um. »Johnny reicht.« Ich bemerke ein paar Sommersprossen auf seiner Nase, die mir auf den Fotos nie aufgefallen sind.

»Ich hab mich nur grade, äh, ein bisschen ausgeruht«, stottere ich.

»Ja, hab ich gesehen«, antwortet er.

»Ich hab gedacht, dass du erst morgen zurück sein würdest.«

»Ja, ich eigentlich auch.« Er zieht eine Augenbraue hoch, wühlt in seiner Hosentasche und zieht ein zerknautschtes Päckchen Zigaretten heraus. Dann setzt er sich auf eine der Sonnenliegen, zündet sich eine an und klopft lässig auf den Platz neben sich. Aber so, wie mein Herz rast, bin ich auf der Liege gegenüber wohl besser aufgehoben.

»Also, Meg … «, beginnt er, nimmt einen langen Zug und schaut zu mir rüber.

»Ja?«

»Rauchst du?«, fragt er, ohne mir eine Zigarette anzubieten.

»Nein.«

»Gut.«

Heuchler, denke ich, habe aber nicht den Mumm, es laut auszusprechen.

»Wie alt bist du?«

»Vierundzwanzig«, antworte ich.

»Du siehst älter aus.«

»Tatsächlich?«

Er schnippt die Asche in einen Aschenbecher aus rostfreiem Stahl, der auf einem Ständer neben ihm steht, und sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Der Job ist ganz schön stressig, musst du wissen.«

Oh, alles klar, das war gar kein Kompliment. Er macht sich eher Sorgen.

»Damit komme ich klar.« Ich versuche, Selbstvertrauen in meine Stimme zu legen.

»Bill und Wendel scheinen das auch zu denken.« Er

Hey, Moment mal … »Was hat denn das eine mit dem andren zu tun?«

»Jetzt reg dich mal nicht auf«, sagt er und sieht mich amüsiert an. »Ich versuche nur rauszufinden, wie hoch die Chancen sind, dass du Heimweh kriegst und dich wieder in die gute alte Heimat verdrückst.« Jetzt klingt er englisch.

Sein Blick ist mir unangenehm; ich halte ihm nur wenige Sekunden stand. Er schweigt, und ich weiß verdammt nochmal nicht, was ich sagen soll.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet.«

Frage? Welche Frage? Ach, so, die mit dem Freund … Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren.

»Nein, ich hab keinen Freund.«

»Warum nicht?«, fragt er sofort, noch bevor er wieder an seiner Zigarette gezogen hat.

»Ähm, na ja, ich hatte einen, aber wir haben uns vor einem halben Jahr getrennt. Wieso?«

Er drückt grinsend die Kippe aus. »Reine Neugier.« Er steht auf. »Willst du einen Drink?«

Ich stehe schnell auf. »Ich geh schon.«

Er wirft mir einen ironischen Blick über die Schulter zu, während er auf die andere Seite der Terrasse schlendert, in der sich eine Outdoor-Bar befindet. »Entspann dich, Mädchen, ich bin absolut dazu in der Lage, mir selbst einen Drink zu holen. Was nimmst du?«

Ich entscheide mich für eine Cola light.

Er kommt mit zwei großen Whiskys on the rocks zurück und reicht mir einen davon. Ich schaue den Drink an und dann wieder ihn. Er verzieht keine Miene. Hat er mir überhaupt zugehört?

»Ähm … «, beginne ich, doch in dem Moment zieht er sich sein T-Shirt über den Kopf. O mein Gott, ich weiß gar nicht, wo ich hinsehen soll. Ich nehme einen großen Schluck Whisky, während er sich auf einer Sonnenliege ausstreckt.

In dem Moment wird mir schlagartig bewusst, wie lächerlich diese Situation ist. Das ist doch verrückt. Johnny Jefferson – der Johnny Jefferson! – liegt hier vor mir, so nah, dass ich nur den Arm auszustrecken bräuchte, um ihn zu berühren. Ich könnte ihn in die Brustwarze zwicken, verdammt! Wenn ich Bess doch von diesem Anblick ein Foto schicken könnte! Beim Gedanken daran muss ich mich zusammenreißen, nicht laut loszuprusten.

»Alles klar bei dir?« Er schaut zu mir rüber.

»Ja«, antworte ich, fange aber peinlicherweise an zu kichern.

»Was ist denn so lustig?«

»Nichts«, erwidere ich schnell, aber ich bin völlig durcheinander ...

Nichts? Vor einer Woche hab ich noch in einem Londoner Architektenbüro gearbeitet, und jetzt sitze ich neben einem halbnackten Rockstar auf einer Sonnenliege in L.A.! Wenn das nicht surreal ist, dann weiß ich’s nicht.

Er kippt seinen Whisky runter, und ich strecke meine Hand nach dem Glas aus.

»Noch einen?«

Er zögert einen Augenblick, bevor er auf mein Angebot eingeht. »Warum nicht?«

Wird ja auch Zeit, dass ich anfange, meine Arbeit zu machen. Ich stehe auf, eile in den Barbereich, während ich dabei meinen Drink leere. Mein Blick gleitet auf der Suche nach dem Whisky über die Flaschen im Regal unter der Bar. Als ich eine Dose Cola light erspähe, überlege ich kurz, umzusteigen, entscheide mich dann aber dagegen.

Nein, Meg, nein! Kein Tequila.

Ach, was soll’s, ich nehm ja nur einen Schluck.

Ich nehme einen schnellen Schluck aus der Flasche und spucke den Tequila beinahe in hohem Bogen wieder aus, als er mir in der Kehle brennt. Ich habe das verzweifelte Bedürfnis zu husten. Stattdessen würge ich das Zeug runter und versuche die Tränen zurückzuhalten.

Ich brauche Wasser. Wasser!

Oder hilft vielleicht noch ein Schluck Tequila?

Seltsamerweise ja.

»Kommst du klar?«, ruft Johnny.

Ups, ich bin schon Ewigkeiten weg.

»Ja, komme sofort!«

Ich gehe auf die Sonnenliegen zu und versuche, mich nicht von dem Anblick durcheinanderbringen zu lassen.

»Cheers!« Johnny stößt mit mir an und nimmt einen Schluck von seinem Drink, während ich mich setze.

Seine Brust ist muskulös und glatt, und er ist braungebrannt. Direkt über dem Hosenbund hat er sich einen Schriftzug eintätowieren lassen. Ich kann nicht lesen, was da steht, aber wow!

He! Konzentrier dich, Meg, konzentrier dich!

»Rosa hat gesagt, du warst weg, um zu schreiben?«

»Ja. Ich versuche alles für nächste Woche fertigzukriegen.«

»Was ist denn nächste Woche?«

Er sieht mich verdutzt an. »Das Whisky?«, antwortet er.

»Noch ein Glas?«, frage ich. Himmel, der hat wirklich ein Alkoholproblem.

»Nein, das Whisky«, sagt er.

»Ich verstehe nicht.« Ich schaue ihn ratlos an.

»Jetzt sag nicht, dass du nichts von meinem Comeback-Auftritt im Whisky weißt, Mädchen. Dem Club, in dem ich auftrete?«

»Nein, tut mir leid. Keine Ahnung.« Mir wird heiß im Gesicht. »Sollte ich davon gehört haben?«

Er lacht ungläubig.

»Tut mir leid«, wiederhole ich, »aber ich weiß nicht besonders viel über dich.«

Und dann fange ich an rumzufaseln wie eine Geisteskranke …

»Ich meine, ich bin nicht wirklich ein Fan.«

Halt die Klappe, Meg.

»Ein paar von deinen Songs finde ich zwar so ganz gut, aber die Musik von Kylie mag ich, ehrlich gesagt, lieber.«

Warum zum Teufel sage ich das?

»Aber so hast du’s wenigstens nicht mit einer durchgeknallten Stalkerin zu tun«, rede ich weiter. »Hätte ja auch sein können, dass ich alles über dich weiß, was es über dich zu wissen gibt. Deine Lieblingsfarbe, welches Shampoo du benutzt … «

Allmächtiger, hör endlich auf! Aber nein. Es wird noch schlimmer ...

»Wenigstens bin ich keine, die scharf drauf ist, Stars zu vögeln.« O nein!

»Das will ich doch hoffen, Meg«, sagt er und drückt seine zweite Zigarette in fünf Minuten aus. »Das würde deine Aufgaben auch weit übersteigen.«

»Noch ein Drink?«, frage ich matt, als mir langsam klar wird, was ich da gerade alles gesagt habe. Ich werde

»Nee, ich muss wieder los.« Er steht auf. »Ich treffe noch ein paar Kumpels in der Stadt. Ruf mal im Viper Room an und reservier einen Tisch für acht Personen.«

»Klar. Äh, wo …?«

»Im Rolodex im Büro. Da findest du alle Nummern, die du brauchst.«

»Acht Personen oder acht Uhr?«

»Acht Personen. Sag ihnen, sie sollen den Tisch freihalten. Ich weiß noch nicht, wann wir da sein werden.«

Ich bin also nicht gefeuert? Ich stehe hastig auf und nehme ihm sein leeres Glas ab, ohne ihm in die Augen schauen zu können. Als ich mich abwende, sehe ich im Fenster gespiegelt, wie er seiner neuen P.A. auf den Hintern starrt, während sie ins Büro entschwindet.

Als Johnny Jefferson eine halbe Stunde später die Treppe runterkommt, sitze ich an einem der zwei großen Schreibtische und trommele mit den Fingern auf die Tischplatte. Ich bin immer noch nervös, trotz Tequila, und ich weiß nicht so recht, was ich als Nächstes tun soll.

»Ist der Tisch bestellt?«, fragt er und hakt seinen Daumen lässig in die Tasche seiner Jeans. Es ist dieselbe, die er eben auch schon anhatte, aber dazu trägt er jetzt ein cremefarbenes Hemd mit silbernen Nadelstreifen.

»Ja, und der Champagner liegt auf Eis. Ich wusste nicht, ob du den Wagen brauchst, darum hab ich Davey vorsichtshalber angerufen. Er wartet in der Auffahrt.«

»Cool.« Er nickt. »Ich dachte schon, ich müsste das Motorrad nehmen.«

Wenigstens das hab ich richtig gemacht.

Er bleibt einen Moment in der Tür stehen und starrt mich an. Seine Haare sind noch feucht vom Duschen.

»Okay, ich bin dann weg.« Er klopft mit der Handfläche gegen den Türrahmen, um sich endgültig zu verabschieden.

Ich versuche, zu widerstehen, aber ohne Erfolg: »Wann bist du zurück?«

»Morgen«, antwortet er. »Wahrscheinlich.«

Dann ist er weg. Und plötzlich fühlt sich das Haus sehr leer an.

Kapitel 2

Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße!

Verdammt.

Ich stehe nicht auf Johnny Jefferson.

Nein, das tu ich nicht.

Ganz bestimmt nicht.

Das sage ich mir schon, seit ich heute Morgen um sechs aufgewacht bin und mir dieser verdammte Johnny Jefferson nicht mehr aus dem Kopf ging. Er ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen, und ich hab nicht gut geschlafen. Trotz dieses blöden Jetlags hab ich kaum geschlafen, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, auf seine Schritte draußen im Flur zu lauern. Inzwischen ist es drei Uhr nachmittags, und ich warte noch immer. Wo zum Teufel steckt er?

Rosa sagt, dass das ziemlich normal ist. »Dieser Junge ist ein Wirbelwind«, lautet ihre Erklärung. Sie sieht das alles offensichtlich locker, aber ich werde mich nur schwer an so was gewöhnen können.

Ich habe mir heute extra Mühe gegeben, was mein Aussehen betrifft. Sogar meine High Heels hab ich angezogen. Zuerst kam ich mir ein bisschen albern vor, wo das Büro ja im selben Haus ist und so, aber dann hab ich mir gesagt, dass ich schließlich professionell sein muss.

Professionell. Sehr lustig. Gestern lag ich an seinem schicken Pool, als er nach Hause kam. Dann habe ich ihm – beschwipst von seinem Tequila – erklärt, dass ich Kylies Songs besser finde als seine. Peinlich ist gar kein Ausdruck dafür.

Und jetzt sitze ich hier um drei Uhr nachmittags in einem leeren Haus – nun ja, Rosa ist in der Küche und Sandy, das Hausmädchen, oben. Ted, Samuel und Lewis, die bulligen Typen von der Security, sind irgendwo da draußen, aber die zählen nicht. Ich frage noch mal: Wo zum Teufel steckt er?

Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hab ich beschlossen, meine guten Vorsätze in die Tat umzusetzen und fünfzig Bahnen zu schwimmen. Ich bin nur bis dreiunddreißig gekommen, dann war ich total am Ende, aber für den Anfang fand ich mich gar nicht schlecht. Ich bin wieder hoch gegangen und hab dabei Augen und Ohren gespitzt für den Fall, dass mir irgendwas begegnet, das einem Rockstar ähnlich sieht. Dann hab ich ein Bad in dem riesigen, blubbernden Whirlpool genommen. Und meine Eltern angerufen, um ihnen zu sagen, dass ich gut angekommen bin.

»Barbara sagt, Johnny Jefferson wäre ein ziemlich wüster Typ«, platzte Mama nach einem zehnsekündigen Austausch von Nettigkeiten heraus. Barbara gehört zur Bridge-Runde meiner Mutter, die aus lauter im Ausland lebenden Briten besteht. Meine Eltern sind Rentner und leben in Südfrankreich.

Um Zeit zu schinden, hab ich geantwortet: »Was meinst du denn mit ›wüster Typ‹?« Eigentlich hatte ich ja gehofft, dieses Thema vermeiden zu können.

»Na ja, Drogen, Frauen … All so was. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nie zugelassen, dass du diesen Job annimmst.«

»Mum, ich bin vierundzwanzig«, habe ich geantwortet. »Auch wenn du es noch so gut gemeint hättest, du hättest mich nicht aufhalten können. Außerdem weißt du ja wohl, dass ich nicht gerade der Typ bin, der sich in einen Junkie oder Groupie oder gleich beides verwandelt.«

»Wenn du meinst, Schatz. Hast du denn deine Schwester schon angerufen?«

»Nein, Mum. Aber das mach ich noch.«

Bess war erheblich begeisterungsfähiger. Tatsächlich klingt mir ihr Gekreische noch immer im Ohr.

»Ich fasse es nicht, dass du wirklich da bist! In L.A.! In Johnny Jeffersons Haus! Wann kann ich dich besuchen kommen?«

»Ich hoffe bald.«

Kreisch. »Ich kann’s gar nicht erwarten! Wie sieht er denn aus? Ist er im echten Leben genauso scharf wie auf Fotos?«

»Sogar noch schärfer.«

»Echt?« Erneutes Kreischen. »Stehst du auf ihn?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Doch, tust du! Tust du! Ich wusste, dass du ihn gut finden würdest!«

»Nein, tu ich nicht! Er ist mein Chef, um Himmels willen. Sei nicht albern.«

Dann bemerkte sie die missbilligenden Blicke, weil sie während der Arbeit private Telefonate führte. Also beschlossen wir, uns aufs Wochenende zu vertagen und dann schön in Ruhe zu plaudern.

Danach habe ich meine Sachen ausgepackt und tatsächlich einige Zeit darauf verwandt, mich zu schminken.

Was ich mir genauso gut auch hätte sparen können.

Und jetzt sitze ich hier an diesem riesigen Schreibtisch und lese die Anleitung, die Johnnys letzte P.A., eine Frau namens Paola, hinterlassen hat. Wirkt alles ziemlich einfach und klar, was ich zu tun habe: Arzttermine vereinbaren, Finanzen managen und in Kontakt mit dem Steuerberater bleiben, vom Rasierschaum bis zur Pickelcreme alles einkaufen und natürlich auch Flüge buchen, Tische in Restaurants reservieren und all solchen Kram.

Vorhin hab ich erst mal geschafft, rauszufinden wie der Anrufbeantworter funktioniert. Zuerst hab ich die alte Ansage abgehört und fand es ein bisschen merkwürdig, Paolas Stimme zu hören. Klang ziemlich geschäftsmäßig. Sie ist

Ich hab auch eine Rundmail verschickt, in der ich mich Johnnys und Paolas Kontakten vorgestellt habe, und seitdem ist mein Posteingang voll mit Anfragen von Journalisten, Geschäftsleuten und unzähligen »Freunden«, die Interview- und Fototermine haben wollen und mich bitten, sie auf die Gästeliste für den Comeback-Gig in der nächsten Woche zu setzen. Und ich habe mir eine Liste mit den Dingen angelegt, die ich später noch mit Johnny durchgehen muss.

Wieder fällt mein Blick auf die Uhr an meinem Computer. Viertel nach drei. Hmm. Eine neue Nachricht trifft ein, und ich klicke sie an.

hallo, meg! schön, dich auf digitalem weg kennenzulernen. ich bin kitty und ebenfalls p. p. a. bist du bei msn?

p.p.a. ... p.p.a. ... Ach so! Promi-P.A.! Spannend. Für wen sie wohl arbeitet?

Ich antworte ihr schnell, dass ich bei msn bin, und wir loggen uns ein, um richtig zu chatten.

hallo! freut mich auch, dich kennenzulernen. für wen arbeitest du?

 

rod freemantle

Rod Freemantle … Der Name sagt mir irgendwas, aber ich kann ihn nicht zuordnen. Bevor ich antworten kann, meldet sie sich wieder:

schauspieler. hat in das grüne gras und in das brutale licht mitgespielt.

Ich habe immer noch kein Gesicht vor Augen. Wieder meldet sie sich, bevor ich meine Unwissenheit offenbaren kann. Sie schickt ein Bild von einem dunkelhaarigen Mann mit leichter Glatze um die vierzig, der seine Arme um zwei langbeinige Blondinen gelegt hat und einer von beiden lüstern in den Ausschnitt stiert.

Na, super. Ich schreibe Kitty, dass ich ihn jetzt erkenne, und frage sie dann, ob sie eine von den Frauen auf dem Foto ist. »Himmel, nein!«, antwortet sie und schickt noch ein Bild. Eine superhübsche Frau, schätzungsweise um die dreißig, lächelt in die Kamera. Strahlend weiße Zähne, dunkles gelocktes Haar, im Arm eines großen, blonden, gutaussehenden Mannes.

O shit, das ist ja Brad Pitt!

 

o shit, das ist ja brad pitt!

 

hi, hi, das reimt sich!

 

aber das ist brad pitt! brad pitt!!!!

 

ja das stimmt. sorry, normalerweise bin ich nicht so ne angeberin, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. hab ihn letzte woche auf einer party kennengelernt und stehe immer noch ein bisschen neben mir vor lauter aufregung. aber du lernst ihn doch mit sicherheit auch bald kennen, oder?