Schmutztitel

Henriette Wich

Titel

Skandal im Café Lomo

Kosmos

Umschlagillustration von Römer & Osadtschij GbR/Natascha Römer

Umschlaggestaltung von Friedhelm Steinen-Broo, eSTUDIO CALAMAR

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele
weitere Informationen zu unseren Büchern,
Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und
Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-3-440-14042-0

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Blume

Alles neu

Der Tatort sah anders aus, das bemerkte Franzi auf den ersten Blick. Seit sie das letzte Mal hier gewesen war, hatten sich drei entscheidende Dinge verändert. Die ehemals weißen Wände des öffentlichen Raums waren mit Blumentattoos versehen. Jemand hatte die Stühle durch cappuccino- und orangefarbene Lederhocker ersetzt. Die Couchtische waren ebenfalls ausgetauscht worden. Sie bestanden jetzt aus unbehandeltem, edlem Eichenholz. Franzi kniff die Augen zusammen. »Was ist das denn?«, murmelte sie ungläubig.

Franzi scannte den Tatort noch einmal besonders gründlich. Da fielen ihr noch mehr Ungereimtheiten auf. Was war bloß mit der Sitzecke passiert? Die Eckbank fehlte. Bunte Sitzsäcke versuchten die entstandene Lücke zu füllen, was ihnen nicht wirklich gelang. Und der neue, ovale Tisch mit der Milchglasplatte wirkte wie das Ufo eines fremden Planeten, das soeben auf der Erde gelandet war.

»Das geht zu weit!« Franzi hatte das unangenehme Gefühl, die Kontrolle zu verlieren – was ihr in letzter Zeit leider öfter passierte und vor allem mit einer Person zu tun hatte, an die sie heute keinesfalls denken wollte.

»Sieht cool aus, oder?« Kim war auf leisen Flip-Flop-Sohlen hinter ihre Freundin getreten.

Franzi drehte sich stirnrunzelnd herum. »Was meinst du? Cool? Ja, so kann man es auch nennen.«

Der Tatort zahlreicher Clubtreffen der drei !!! befremdete Franzi immer noch. Sie hatte geglaubt, ihn in- und auswendig zu kennen, aber da hatte sie sich offenbar getäuscht. Ein paar Veränderungen der Inneneinrichtung hatten genügt, und schon wirkte das Café Lomo völlig neu, irgendwie moderner und erwachsener. Franzi wusste nicht, ob sie das nun gut oder schlecht finden sollte.

Bevor sie eine Entscheidung darüber treffen konnte, rief Marie: »Hey, kommt mal rüber, das müsst ihr euch ansehen!« Sie schwenkte ein weißes, ultraflaches Teil in ihrer Hand.

Neugierig gingen Franzi und Kim zu einem Tisch, auf dem zehn nagelneue Tablets ausgebreitet waren.

Marie hatte sich eins davon geschnappt. »Die kann man kostenlos benutzen!«, erzählte sie aufgeregt. Ihre pink lackierten Fingernägel tanzten über die Oberfläche des Bildschirms. Souverän navigierte Marie durch die Homepage des Café Lomo und öffnete nacheinander das Gästebuch, die Speisekarte und eine virtuelle Tour durch das neu gestaltete Lokal.

Kim pfiff anerkennend durch die Zähne. »Das ist echt großzügig von Nicky. Ich hätte nie gedacht, dass sie ihre Renovierungs-Pläne so schnell umsetzen würde.«

»Ich auch nicht«, seufzte Franzi.

Erst kürzlich hatte Nicky, die Besitzerin des Café Lomo, nachdem sie von einer längeren Reise zurückgekehrt war, im Innenhof einen neuen Biergarten eröffnet. Der war sehr schön geworden, das musste auch Franzi zugeben. Die drei !!! hatten in den Sommerferien so manchen heißen Nachmittag im angenehmen Schatten des weißen Sonnensegels verbracht. Inzwischen hatte leider die Schule wieder begonnen, aber es war immer noch sehr warm.

Marie strich mit einer fast zärtlichen Bewegung über das Touchpad. »Ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass Nicky jetzt wieder das Café Lomo führt. Ihren Bruder fand ich ehrlich gesagt immer total langweilig.«

»Du bist ungerecht«, verteidigte Kim den ehemaligen Geschäftsführer, der Nicky während ihrer Abwesenheit vertreten hatte. »Gregor war doch sehr nett. Er hatte so eine angenehme, ruhige Art.«

Marie gähnte demonstrativ. »Für meinen Geschmack ein bisschen zu ruhig und spießig. Nicky ist viel hipper als er. Seit sie da ist, gefällt mir unser Stammlokal tausendmal besser.«

»Wollt ihr hier festwachsen oder können wir endlich rausgehen?«, fragte Franzi genervt. Sie hatte keine Lust auf lange Diskussionen über ihr Lieblingscafé. Es sah jetzt eben anders aus, Punkt.

Marie legte das Tablet zu den anderen zurück. »Verbreite hier keinen Stress, ja? Ich wollte sowieso gerade rausgehen. Die Tablets sind perfekt für Regentage, heute muss ich Sonne tanken.« Sie stöckelte auf ihren silbernen Sandalen zur Hintertür, die in den Innenhof führte. Kaum hatten die ersten Sonnenstrahlen ihr zart gebräuntes Gesicht berührt, setzte sie ihre Sonnenbrille mit den Pilotengläsern auf.

Kim und Franzi folgten Marie. Über helle Holzplanken bahnten sie sich einen Weg zwischen den Gartentischen aus Chrom und Teakholz hindurch. Fast alle Plätze waren bereits belegt. Marie konnte gerade noch einen Tisch neben einem Pflanzkübel mit einer Palme ergattern. Von der Außen-Bar mit Grill wehte der Duft gebratener Würstchen herüber.

Franzi setzte sich so, dass sie sowohl die Palme als auch eins der dekorativen, mannshohen Windlichter im Blick hatte. Sie beschloss, ab sofort den Nachmittag zu genießen und nur noch an positive Dinge zu denken. An Felipe zum Beispiel und an den letzten Fall des Detektivclubs, den die drei !!! wieder mal genial gelöst hatten. Und sie würde garantiert nicht an die Person denken, die ihr gerade das Leben zur Hölle machte.

»Sag mal, Franzi, was ist eigentlich los mit dir?«, fragte Kim. »Wir haben herrliches Wetter, und du machst ein Gesicht, als ob sich in deinem Kopf Gewitterwolken zusammenbrauen würden.«

Franzi fühlte sich ertappt. Ihr Vorsatz hatte offensichtlich nicht funktioniert. »Es ist besser, wenn ich nicht darüber rede«, sagte sie so ruhig wie möglich. »Sonst muss ich mich gleich wieder aufregen.«

»Oh! Tut mir leid.« Kim wirkte betroffen. Sie wollte nachhaken, überlegte es sich aber zu Franzis Erleichterung anders und griff stattdessen nach der Speisekarte. »Hab ich euch schon gebeichtet, dass ich süchtig bin?«

Marie richtete sich kerzengerade auf. Ihre Halskette aus pinkfarbenen Glassteinen wippte hektisch auf und ab. »Wie bitte? Du bist drogenabhängig??«, raunte sie.

Kim fuhr sich lachend durch die kurzen Haare. »Ganz genau! Meine neueste Droge heißt LICK. Wenn ich nicht sofort einen LICK bekomme, rebelliert mein Körper mit schrecklichen Entzugserscheinungen.«

»Ach so!« Marie musste grinsen.

LICK war die Abkürzung für Lomo Iced Choc Kick. Der Sommer Spezial bestand aus einer verführerischen Mischung aus kalter Schokolade mit Vanilleeis und weißen Schoko-Raspeln. Er schmeckte mindestens so gut wie der Kakao Spezial, den die drei !!! normalerweise tranken.

»Entzugserscheinungen bei einem Süßigkeitenfan wie dir? Das wollen wir lieber nicht riskieren.« Marie hob den Arm und winkte Nicky zu.

Die Besitzerin kam mit ihrem elektronischen Bestellblock an den Tisch der drei !!!. »Hallo, was darf’s sein?« Sie wirkte heute angespannt und lächelte nur flüchtig.

»Drei LICKs bitte«, sagte Kim. »Die neue Inneneinrichtung ist übrigens super geworden. Ich mag die Farben der Sessel.«

»Und ich finde die Blumentattoos wunderschön«, fügte Marie hinzu.

»Ach ja? Danke.« Nicky schien sich über das Lob gar nicht richtig zu freuen. Sie tippte rasch die Bestellung ein und wollte wieder gehen.

Kim und Marie sahen sich verwundert an. Sonst plauderte Nicky doch so gerne. Erst neulich hatte sie ihnen von ihrer Reise durch Nepal, Indien und China vorgeschwärmt und von der tollen Erfahrung, alles hinter sich zu lassen. Waren die Eindrücke bereits verblasst, oder hatte sie sich vielleicht bei der Renovierung zu sehr ausgepowert?

Marie vermutete Letzteres. Trotzdem wollte sie das Gespräch nicht so schnell beenden. »Wer hat denn die schönen Wandtattoos gemacht?«, erkundigte sie sich. »Ich überlege nämlich, ob ich mir für mein Zimmer auch so ein Tattoo machen lasse. Über meinem Bett wäre der perfekte Platz dafür.«

Nicky kramte in ihrem Geldbeutel. Wortlos zog sie eine Visitenkarte heraus und gab sie Marie. Flowers & more – Wandtattoos, stand darauf.

»Super, danke!« Maries strahlendes Lächeln wurde nicht erwidert. Nicky nickte nur kurz und zog sich schnell zurück. »Puh! Die hat aber heute schlechte Laune«, meinte Marie und steckte achselzuckend die Visitenkarte ein.

Franzi warf einen entschlossenen Blick in die Runde. »Wollen wir jetzt das Clubtreffen eröffnen?«

»Gerne«, antwortete Kim. »Ich hab gestern eine Liste gemacht und unsere sämtlichen Fälle aufgelistet, damit wir mal einen Überblick bekommen. Da ist inzwischen einiges zusammengekommen.«

»Super Idee!«, sagte Marie. Gemeinsam mit Franzi beugte sie sich über das Blatt Papier, das ihre Freundin über den Tisch schob.

Kim war nicht umsonst der Kopf des Detektivclubs. Franzi schätzte besonders ihre Gründlichkeit und die außergewöhnliche analytische Begabung. Auch jetzt hatte sie wieder akribisch alle wichtigen Details festgehalten: Täter, Verbrechensart, Tatort und -zeit, Motiv, Ermittlungsschritte und Erfolgsquote, die nach wie vor bei 100 % lag. Franzi konnte es kaum glauben, aber da stand es schwarz auf weiß: Die drei !!! hatten schon über 40 Fälle im In- und Ausland gelöst!

»Das soll uns erst mal jemand nachmachen!« Marie glühte vor Stolz. »Wenn das so weitergeht, haben wir bald ein Jubiläum. Unseren fünfzigsten Fall müssen wir unbedingt feiern – am besten mit einer großen Party hier im Café Lomo

Nicky brachte die LICKs. Kim griff nach dem eisgekühlten Glas und saugte genießerisch am Strohhalm. Danach leckte sie sich die Lippen. »Klar müssen wir das feiern. Wir laden alle unsere Freunde, Eltern und Verwandten ein – und deine kleine Schwester oder dein kleiner Bruder ist dann auch schon mit dabei.«

Marie nickte glücklich. »Es dauert gar nicht mehr lange, dann wird Tessas Baby geboren. Irgendwie spüre ich, dass es ein Mädchen wird, obwohl man beim Ultraschall immer noch nichts erkennen kann. Ich bin so wahnsinnig aufgeregt!«

»Das glaube ich dir.« Franzi legte kurz den Arm um Marie.

Sie freute sich für ihre Freundin, die sich mit ihrer Stiefmutter mittlerweile prima verstand. Marie fühlte sich wohl in der Patchworkfamilie. Ihr Vater Helmut Grevenbroich erfüllte ihr immer noch fast jeden Wunsch und mit Tessas zehnjähriger Tochter Lina stritt sie sich auch nicht mehr ständig. Die Villa war groß genug, sodass sich die beiden aus dem Weg gehen konnten – was man von Franzis Zuhause leider nicht behaupten konnte. Franzi unterdrückte einen Seufzer und schob den Gedanken an ihre Familie schnell beiseite.

»Wie geht es denn Tessa mit ihrer Schwangerschaft?«, erkundigte sich Kim. »Macht sie immer noch so schräge Eissorten? Ich erinnere mich noch mit Schrecken an Sellerie-Sahne und Banane mit Basilikum. Igitt!«

Marie prustete los. »Zum Glück hat sie das aufgegeben. Aber ihre Hormone spielen immer noch verrückt. Zurzeit ist sie im Handarbeitsfieber. Sie näht und strickt Babysachen. Die sind winzig – und sooo süß!«

Kims Augen leuchteten. »Die muss uns Tessa unbedingt zeigen, wenn wir dich das nächste Mal besuchen. Und dir geht es richtig gut, oder? Mit Holger ist alles im grünen Bereich?«

»Schon …« Eine zarte Röte breitete sich auf Maries Gesicht aus. »Ich bin so froh, dass wir endlich wieder zusammen sind. Erst jetzt weiß ich, was mir die ganze Zeit gefehlt hat, als wir nur miteinander befreundet waren. Es war seine Nähe und die … die …« Sie suchte nach Worten und verstummte.

»Die Liebe?«, fragte Kim leise.

Marie nickte verträumt. »Ja, genau. Und du? Bist du auch glücklich mit Michi?«

»Sehr!« Die Antwort kam aus vollem Herzen. Kim kannte Michi Millbrandt schon seit einer halben Ewigkeit. Die beiden waren wie Marie und Holger nach vielen Höhen und Tiefen zum zweiten Mal ein Paar. »Michi hat nur leider gerade nicht so viel Zeit für mich. Meint ihr, ich soll mal nachfragen, wieso?«

»Klar«, fand Franzi. »Rede mit ihm. Es gibt bestimmt einen ganz einfachen Grund dafür. Vielleicht muss er ja für eine Prüfung lernen.«

Kims Freund machte eine Ausbildung zum chemisch-technischen Assistenten und war mit großem Ehrgeiz bei der Sache.

Marie schloss sich Franzis Meinung an. »Offenheit ist das Wichtigste in einer Beziehung. Das weißt du doch.«

Kim lächelte. »Ja, ihr habt recht. Ich werde mit ihm reden.«

Maries und Kims Augen richteten sich auf Franzi. Die wusste, dass nun sie an der Reihe war zu erzählen. Eigentlich hatte sie keine große Lust, über ihre Gefühle zu reden, heute war einfach nicht der richtige Tag dafür. Aber ihre Freundinnen würden nicht lockerlassen, also gab sie sich einen Ruck.

»Felipe und ich haben eine besonders schöne Zeit. Wir wissen, dass jeder Augenblick kostbar ist. Bald fliegt er nach Mexiko und tritt dort sein Praktikum an. Es ist merkwürdig, aber wir sind gar nicht traurig – noch nicht! –, wir sind sehr verliebt. Ja, das sind wir wirklich.« Franzi betonte den letzten Satz. Sie versuchte damit die unangenehmen Gedanken zu verdrängen, die schon wieder in ihren Kopf herumspukten.

Kim und Marie schwiegen eine Weile. Dann räusperte sich Marie. »Entschuldige, aber du hörst dich nicht gerade glücklich an. Dich bedrückt doch irgendwas. Oder bist du wütend? Du willst es uns wirklich nicht erzählen?«

»Vielleicht können wir dir ja helfen«, sagte Kim. »Oder dir wenigstens zuhören und für dich da sein.«

Kims mitfühlender Blick löste einen Knoten in Franzis Brust. Auf einmal wusste sie nicht mehr, warum sie die ganze Zeit ein Geheimnis daraus gemacht hatte.

»Ich bin so sauer auf Chrissie!«, platzte es aus ihr heraus. »Es ist die Hölle, mit ihr ein Zimmer zu teilen. Ich weiß, es geht nicht anders, weil Oma Lotti jetzt bei uns wohnt und Stefan noch nicht ausgezogen ist. Aber sie tut, was sie will, und hält sich nicht an unsere Abmachung.«

»Was habt ihr denn für eine Abmachung?«, hakte Marie nach.

»Eine ganz einfache«, erklärte Franzi. »Jede hat die Hälfte des Zimmers zur Verfügung. Wir haben es extra ausgemessen und mit blauer Kreide einen Strich auf den Boden gemalt. Und was macht Chrissie heute Morgen? Sie verteilt ihre Kleider und Schminksachen überall. Aber es kommt noch schlimmer: Sie weigert sich mit Händen und Füßen, meinen Bereich freizuräumen!«

Kim stöhnte. »Typisch Chrissie! Sie kann ganz schön egoistisch sein.«

»Egoistisch, zickig, ätzend, unverschämt, absolut daneben, total gemein und … und …«, Franzi musste kurz Luft holen, »UNMÖGLICH!«

Kim und Marie sahen Franzi verblüfft an. Die Gäste an den Nachbartischen verstummten und drehten sich neugierig um. Franzi war es in dem Moment völlig egal, was die anderen von ihr dachten. Energisch schlug sie mit der Faust auf den Tisch und rief: »Das musste einfach mal gesagt werden!«

Kim kicherte und Marie pflichtete Franzi im Brustton der Überzeugung bei: »Unbedingt! Ich glaube, wir sind reif für eine zweite Runde LICK. Die geht auf mich. Mein Vater hat mir heute Extra-Taschengeld zugesteckt. Nicky?« Marie zeigte der Besitzerin drei ausgestreckte Finger.

»Drei LICKs? Kommen sofort.« Nicky ging mit einem leeren Tablett hinüber zu Außen-Bar.

Während die Getränke zubereitet wurden, bedauerten Kim und Marie Franzi noch mal ausgiebig und gaben ihr Tipps, wie sie mit Chrissie besser klarkommen könnte.

»Stell ihr ein Ultimatum«, riet Marie. »Wenn sie die Sachen nicht bis heute Abend Punkt sechs Uhr weggeräumt hat, wirfst du sie aus dem Fenster … äh … ich meine die Sachen, nicht Chrissie, wobei das auch keine schlechte Idee wäre.« Marie grinste.

Kim schlug eine diplomatischere Lösung vor: »Ihr braucht einen Streitschlichter. Wie wär’s mit Oma Lotti? Sie hört beide Parteien an und ihr erarbeitet gemeinsam eine Lösung, eine Art Vertrag. Dann hast du auch eine Zeugin, wenn Chrissie das nächste Mal vertragsbrüchig wird.«

Franzi zögerte. »Hört sich in der Theorie toll an, aber ich möchte Oma Lotti mit so was nicht belasten. Sie ist immer noch sehr schwach.«

Kim und Marie nickten verständnisvoll. Seit ihrem Schlaganfall war Oma Lotti rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Frau Winkler übernahm die Pflege und die restliche Familie unterstützte sie, so gut es ging. Das war nicht immer leicht. Auch Franzi kam dabei immer wieder an ihre Grenzen.

»Wir drücken die Daumen, dass Oma Lotti wieder ganz gesund wird!«, sagte Kim.

Marie strich liebevoll über Franzis Arm. Ihr fehlten gerade die Worte.

»Ja, das wäre schön«, murmelte Franzi. Sie musste schlucken und war froh, dass Nicky die zweite Runde LICK brachte. Das Tablett war randvoll mit Getränken und die Besitzerin fluchte leise vor sich hin, als sie es abstellte.

Marie beschloss, nun doch mal nachzufragen. »Geht es dir nicht gut?«

Nicky fuhr sich nervös durch die blonde Pixie-Frisur. »Tut mir leid, ich hab gerade überhaupt keine Zeit zum Reden. Ihr seht ja, was heute los ist.«

»Nicky? Kommst du mal? Da ist ein Mann, der dich dringend sprechen will.« Leo, der sonst hinter der Theke stand, tauchte in der Tür auf.

»Jahaaa!«, sagte Nicky genervt. Sie hielt nach ihrer Angestellten Ausschau. »Sabrina? Könntest du bitte hier übernehmen?« Wie der Blitz war sie weg.

Marie starrte Nicky nach. »Die Arme! Ihr scheint es wirklich nicht gut zu gehen.«

»Hallo zusammen«, sagte Sabrina fröhlich und hob das erste Glas LICK vom Tablett. Schwungvoll stellte sie es auf dem Tisch ab. Ein Schwall Kakao schwappte über den Rand. »Wie konnte mir das bloß passieren?«, entschuldigte sie sich.

»Ist doch nicht schlimm.« Kim lächelte freundlich, obwohl es nicht das erste Mal war, dass die Bedienung etwas schusselig war. Aber Sabrina gehörte anscheinend zu den Menschen, denen eben ein bisschen mehr runterfiel als anderen. Dafür hatte sie bestimmt andere Stärken.

Hastig nahm Sabrina ein grobes Leinentuch, das sie immer in ihrem Gürtel stecken hatte, und wischte die Kakaoflecken damit weg.

»Danke!« Franzi probierte von ihrem LICK. Er kühlte wunderbar ihre trockene Kehle und tat einfach gut.

Kim dagegen rührte ihr Getränk nicht an. »Seht mal!«, flüsterte sie und zeigte zur offenen Tür.

An der Theke stand ein Mann im dunklen Anzug. Nicky hörte ihm mit gerunzelter Stirn zu, dann antwortete sie sehr schnell und nervös.

Der Mann wurde plötzlich wütend. »Das wird noch ein Nachspiel haben!«, sagte er laut. Er griff sich seine Tasche, die er auf dem Barhocker abgelegt hatte, und verließ mit grimmigem Gesichtsausdruck das Café Lomo.

Blume

Nicky packt aus

»Was war das denn?« Franzi schaltete von einer Sekunde zur nächsten auf Detektivin um. »Hier stimmt doch was nicht. Was wollte der Typ von Nicky?«

Marie nickte. »Wir müssen mit ihr reden, und diesmal lassen wir uns nicht abwimmeln.«

Die drei !!! warteten, bis ein paar Gäste gezahlt hatten und es ruhiger im Café wurde. Dann gingen sie rein und baten Nicky, sich mit ihnen in die neue Sitzecke zurückzuziehen.

»Bitte erzähl uns, was los ist«, bat Kim eindringlich. »Der Mann hat dich doch bedroht. Wir wollen dir helfen. Vielleicht hast du ja schon mitbekommen, dass wir Detektivinnen sind.«

Nicky ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf einen grasgrünen Sitzsack plumpsen. »Ja, das hat mir Gregor erzählt. Also gut: Der Mann heißt Markus Blom und ist Regional-Geschäftsführer der großen Cafékette Coffee & Cocoa. Die kennt ihr sicher.«

Kim, Franzi und Marie nickten. Die Kette war riesig und hatte etliche Filialen quer über die Stadt verteilt. Die drei !!! hatten jedoch noch nie eins dieser Cafés betreten. Wozu auch? Die Kette machte von außen einen anonymen Eindruck und außerdem waren sie ihrem Café Lomo treu.

»Dieser Blom hat mir schon zwei lukrative Angebote unterbreitet«, erzählte Nicky weiter. »Er möchte das Lomo unbedingt kaufen. Die Kette will hier nämlich eine weitere Filiale eröffnen.«

»Was?«, rief Franzi entsetzt. »Du hast hoffentlich abgelehnt!«

Nicky lächelte kurz, wurde aber schnell wieder ernst. »Natürlich, ich habe diesem Blom klipp und klar gesagt: Nein, ich verkaufe nicht! Das wollte der aber nicht akzeptieren. Vorgestern kam er wieder, gestern auch und heute. Jedes Mal wurde er aggressiver. Er hat behauptet, dass er mich auch zum Verkauf zwingen kann. Dass es sehr unangenehm für mich werden könnte, wenn ich nicht endlich einlenke.«

»Ich hab die letzten Worte von diesem Mistkerl mitgehört«, sagte Marie grimmig. »›Das wird noch ein Nachspiel haben.‹«

Franzi regte sich auf: »Wie kann der es wagen? Das ist üble Drohung und Erpressung, so was ist strafbar!«

»Ja, ich weiß.« Nicky zupfte nervös an ihrer bunt gemusterten Seidenbluse.

Kim sah der Besitzerin in die Augen, die früher immer so gestrahlt hatten, jetzt aber glanzlos und müde wirkten. »Das darfst du dir nicht gefallen lassen. Hast du schon die Polizei eingeschaltet?«