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Guido Knopp

Bis dass der Tod uns scheidet

Berühmte Paare zwischen Macht und Liebe


Edel eBooks

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einem Verlag der Edel Germany GmbH, Hamburg.

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Covergestaltung: Agentur bürosüd°, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-95530-263-4

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LIEBE IST PRIVATSACHE, SOLLTE MAN MEINEN. ABER GILT DAS AUCH FÜR JENE MÄNNER UND FRAUEN, die an der Spitze eines Staates stehen? Ihr Arbeitsalltag wird von öffentlichen Auftritten und Entscheidungen bestimmt – ein Knochenjob, der großen persönlichen Rückhalt fordert. Doch wie viel privates Eheleben haben und hatten sie: die Clintons, die Grimaldis, die Goebbels, die Windsors oder Soraya und der Schah? Für sie alle wurde der »Bund fürs Leben« alles andere als alltäglich.

In ihrem Liebesleben erscheinen uns die Großen und Mächtigen zumeist näher und menschlicher als in anderen Bereichen: Hingabe, Leidenschaft, gegenseitige Bewunderung, aber auch Enttäuschungen, Fehltritte, Eifersucht – das sind Gefühle, die vielen von uns vertraut sind. Auch die bitteren Erfahrungen, wenn Träume zerplatzen oder Partner sich fremd werden. Die Gewalt solcher Gefühle erfasst alle, selbst die scheinbar unangreifbar Mächtigen eines Staates. Für viele Staatsführer ist das ein Dilemma, denn sie wollen als bedacht und überlegt gelten, aber gleichzeitig nicht als gefühlskalt und herzlos erscheinen – Liebe ja, aber sie soll die Amtsausübung auf keinen Fall tangieren. Die Öffentlichkeit bekommt deshalb in der Regel ritualisierte Auftritte und die Fassade eines inszenierten Privatlebens zu sehen. Nur selten hebt sich der Vorhang ein wenig – am ehesten dann, wenn Ehen auseinander brechen. Und allzu oft wird dann deutlich, dass das Bild vom Traumpaar nur ein Zerrbild war. Trennen lassen sich Liebesleben und Amtsführung, privates Handeln und öffentliche Auftritte jedenfalls nicht – das zeigt die Geschichte der fünf Ehepaare überdeutlich. Liebe und Macht sind bei den Obersten eines Staates stets miteinander verschränkt. Was passieren kann, wenn eine Liebes- zur Staatsaffäre gerät, zeigt das Beispiel der Clintons. Bill Clinton, seinerzeit der mächtigste Mann der Welt, musste vor der Öffentlichkeit bekennen, dass er eine Affäre mit seiner pummeligen Praktikantin gehabt und die Wahrheit über diese peinliche Angelegenheit monatelang verschleiert hatte. In einer beispiellosen Schlammschlacht wurden äußerst pikante Details publik. Hillary war binnen weniger Wochen von einer zwar nicht geliebten, aber doch respektierten First Lady zur wohl meistgedemütigten Frau Amerikas geworden. Und wie so oft hatte alles romantisch begonnen: Hillary und Bill hatten sich an der juristischen Fakultät in Yale Hals über Kopf ineinander verliebt. Die begabte Juristin stellte ihre Karriere hintan und folgte ihrem Freund ins verschlafene Arkansas, wo er der Shooting-Star der politischen Bühne wurde: Mit 32 war Bill Clinton Gouverneur – auch weil seine Frau sich auf die ungeliebte Rolle der Landesmutter einließ. Ein Töchterchen krönte das Eheglück. Die Clintons schienen zu Höherem berufen, und 1992 folgte der Triumph: Clinton zog als 42. Präsident der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus in Washington ein. Das Bild des kometengleichen Aufstiegs war freilich bereits zu diesem Zeitpunkt getrübt: Immer wieder hatten sich junge Damen zu Wort gemeldet, denen Clinton mehr als landesväterliche Liebe entgegengebracht hatte. Hillary aber stärkte ihrem Mann stets den Rücken – und blieb dennoch die Unbeliebtere von beiden. Gegenüber dem Sonnyboy an ihrer Seite hatte sie immer gegen den Ruf als unterkühlte und machtfixierte Frau ankämpfen müssen. Auch in Washington änderte sich daran nicht viel. Hillary galt als Bills machtbewusste Souffleuse. Mochte Clintons Regierungszeit politisch überaus erfolgreich verlaufen, drohten doch die privaten Belange dem Paar zum Verhängnis zu werden. Immer wieder hatten sich die Clintons Ermittlungsverfahren zu stellen, zunächst wegen dubioser Immobiliengeschäfte und Vetternwirtschaft, später wegen der außerehelichen Affären des Präsidenten. Im Januar 1998 schließlich der Skandal, der das Fass zum Überlaufen brachte: Die Lewinsky-Affäre kostete Clinton beinahe sein Amt, vor allem aber seinen Ruf. Trotzdem stand seine Frau weiterhin hinter ihm. Sie kämpfte wie eine Löwin für ihn – und ihre Ehe. So ging sie selbst – zumindest in der Öffentlichkeit – gestärkt aus dem Skandal hervor. Ihr kontrolliertes Verhalten und ihre Treue brachten ihr Respekt ein. Hillary Clinton ist die erste ehemalige First Lady, die erfolgreich für ein politisches Spitzenamt antrat: Im Jahr 2000 gewann sie die Wahl um den New Yorker Sitz im Washingtoner Senat. Die Geschichte lehrt, dass altvertraute Klischees im Praxistest mitunter versagen: Frauen seien weniger analytisch als Männer? Was um Himmels Willen hat Hillary Clinton dann davon abgehalten, »kurzen Prozess« mit Bill zu machen? Eine Scheidung hätte wohl das politische Aus für den US-Präsidenten bedeutet. Doch es wäre vermutlich auch das Ende von Hillarys Träumen gewesen: von der eigenen politischen Karriere – und nicht zuletzt davon, die erste Präsidentin der US-Geschichte zu werden. Ähnlich kompliziert scheint der Fall bei der wohl größten Ehetragödie in Großbritannien zu liegen: Der unausgesprochene Gegensatz zwischen Kalkül und Liebe führte zu jenem Desaster, das die älteste konstitutionelle Monarchie der Welt ins Wanken zu bringen drohte. Lady Diana Spencer liebte, ja vergötterte den Prinzen von Wales. Charles dagegen – von der Königin, der Öffentlichkeit und seinem fortgeschrittenen Alter zunehmend unter Druck gesetzt – sah in ihr vor allem die Frau, mit der er den Fortbestand der Windsor-Dynastie sichern konnte: ein passendes, anständiges Mädchen, tugendhaft, »unberührt«, protestantisch, adlig, hübsch und formbar. Weder war sie übermäßig fromm noch besonders rebellisch und dazu nicht sonderlich begabt. Kurzum: In den Augen der Königsfamilie war Diana genau die Richtige! Charles selbst befielen freilich Zweifel. Einem engen Freund vertraute er an: »Ich wünsche so sehr, das Richtige für dieses Land und für meine Familie zu tun. Aber manchmal erschreckt mich der Gedanke, ein Versprechen zu geben, das ich dann vielleicht ein Leben lang bereue.« Als die Presse im Herbst 1980 von der Beziehung Wind bekam, wurde der Druck unerträglich. Die Nation war begeistert und die Sache bekam eine ungeheure Eigendynamik. Doch auch Charles’ nicht heiratsfähige Geliebte Camilla Parker Bowles drängte ihn, Diana zu ehelichen, weil sie, wie ihr Schwager meinte, »Diana für dumm oder für verrückt hielt und deshalb glaubte, dass er sie leicht manipulieren könnte«. Letztlich war Charles wohl selbst davon überzeugt, dass Diana die Richtige sei, um Dynastie und Krone zu sichern. Einen kleinen Vorgeschmack auf den royalen Ehealltag der beiden bot die Pressekonferenz anlässlich der Verlobung, die am 24. Februar 1981 stattfand: Ein nicht sonderlich einfallsreicher Journalist fragte, ob das Paar verliebt sei. »Aber sicher!«, gab Diana mit einem vorwurfsvoll-koketten Lächeln zur Antwort. »Was auch immer Liebe heißen mag«, ergänzte Charles zögerlich. Spätestens jetzt hätten bei der jungen Braut alle Alarmglocken läuten müssen. Eine große Liebesgeschichte, noch dazu mit dem begehrtesten Junggesellen des Commonwealth, wird üblicherweise nicht mit solcher Zurückhaltung verkündet. Obwohl Diana selbst bereits eine Reihe von Hinweisen auf das Verhältnis ihres Verlobten mit Camilla hatte, fand die Traumhochzeit in der berühmten Londoner St. Paul’s Cathedral statt. Diana wollte einfach daran glauben, dass sie die Konkurrentin schon noch auszustechen im Stande wäre. Fernab jeder Realität hatte die Presse sie zum Aschenputtel stilisiert. »Das ist der Stoff, aus dem Märchen sind«, sagte der Erzbischof von Canterbury am Hochzeitstag der beiden. Tatsächlich war es der Stoff für eine in jeder Hinsicht arrangierte Ehe, die schon bald an all jenen Illusionen zerbrechen sollte, mit denen sie einst geschlossen worden war. Sie endete in einem Desaster aus Seitensprüngen, Schmierengeschichten, Scheidung – und keineswegs in jener royalen Lovestory, die das britische Königshaus, die Presse, ja die ganze Welt sehen wollten. Als Diana bei einem Autounfall in einem Pariser Seine-Tunnel ums Leben kam, wurde sie vollends zum Mythos, zur »Königin der Herzen«.Ihr unglückliches Leben als Prinzessin mochte einen tragischen Ausgang gefunden haben – ihren Dienst an der Windsor-Dynastie hatte Diana jedoch erfüllt. Unabhängig von Charles’ Zukunft steht der Fortbestand des Herrschergeschlechts dank der beiden Söhne William und Harry nicht infrage. Eigener Nachwuchs ist auch bei Erbmonarchien ohne kritische Öffentlichkeit und überkommene Moralvorstellungen das unabänderliche Erfordernis. So etwa auch beim Schah von Persien, dessen Beziehung zu Soraya wie ein Märchen aus 1001 Nacht begann. Es war Liebe auf den ersten Blick. Der Schah sah nur ein einziges Foto der sechzehnjährigen Soraya Esfandiary und sagte: »Die soll es sein!« Die Schöne stammte aus vornehmem Hause – ihr Vater war ein persischer Fürst, die Mutter eine Deutsche. Mit achtzehn Jahren wurde sie die zweite Frau des persischen Herrschers und Kaiserin auf dem Pfauenthron. Doch die Verbindung schien von Anfang an fluchbeladen: Soraya erkrankte vor dem großen Tag schwer an Typhus, sodass die Hochzeit mehrmals verschoben werden musste. Die Märchenkaiserin wurde zwar insbesondere für deutsche Frauen eine Kultfigur – eine Art Ersatzmonarchin, die Lady Di der fünfziger Jahre, doch plagten Soraya von Anfang an böse Vorahnungen. Zwischen ihr und dem Schah entbrannte aufrichtige Liebe, und Berichte von engen Freunden des Paares sowie private Fotos aus dem Nachlass der Kaiserin zeugen von einer innigen Beziehung. Doch der kaiserliche Traum schien fast vorbei, noch bevor er begonnen hatte. Kurz nach der Hochzeit kam es zum Streit mit den Westmächten um iranisches Öl, und das Paar floh vor den Unruhen in Teheran ins Exil. Nur wenige Tage später wurde der Schah mithilfe des amerikanischen Geheimdienstes CIA auf den Thron zurückgeholt. Soraya spürte, wie die Krise ihre Beziehung festigte. Doch das Traumpaar blieb kinderlos – sieben lange Jahre. Schweren Herzens verstieß Schah Resa Pahlavi aus diesem Grund seine Frau. Es folgte die Scheidung aus Staatsräson, denn der Pfauenthron benötigte einen Nachfolger. Sorayas Abfindung betrug einige Millionen Dollar – und Tresore voller Schmuck. Der Preis, den sie zahlte, war jedoch weitaus höher: Nur sechs Monate später verlobte sich Schah Reza neu, während Soraya bis zu ihrem Tod nicht mehr heiratete. Die neue Frau des persischen Kaisers schenkte dem Land den heiß ersehnten Sohn. Einen Thronfolger besaß der Schah nun zwar, aber keinen Thron mehr, denn während der islamischen Revolution musste er 1979 ins Exil flüchten. Kaum bekannt ist, dass der Schah sich in jungen Jahren für eine andere Traumprinzessin begeisterte: Als Mittzwanziger ging er mit der Leinwand-Königin Grace Kelly aus. Für beide waren diese Treffen wohl nicht mehr als kleine Flirts. Ob Grace Kellys Begeisterung für die Welt des Royal en aus dieser Begegnung resultierte? Grace Kelly hatte das Werben Unzähliger zurückgewiesen – nicht zuletzt, um den Vorstellungen ihrer Eltern zu genügen. Erst als Fürst Rainier von Monaco, ein echter Prinz, um ihre Hand anhielt, wurde sie schwach. Die Hochzeit kam dann so rasch, dass selbst enge Freunde erstaunt waren. Mehr als zwölfhundert Menschen aus fünfundzwanzig Nationen drängten sich im Frühjahr 1956 in der St.-Charles-Kathedrale von Monte Carlo. Der Bräutigam trug Uniform, die Braut war von ihrem letzten Arbeitgeber eingekleidet worden – der Filmfirma MGM. Manchen mutete die ungewohnte Begegnung zwischen traditionsbeladenem Hochadel und der flatterhaften Welt des Showbusiness höchst seltsam an. Doch die Vermählung von Hollywood und hochwohlgeborener Aristokratie war eigentlich nur folgerichtig: Denn hier verschmolzen zwei Traumwelten, die einer Vielzahl von Menschen Raum für Illusionen boten. Aus Grace Kelly wurde Gracia Patricia von Monaco, und im Fürstentum an der Côte d’Azur lebte sie, was sie auf der Leinwand gespielt hatte: Gattin und Mutter. Der Filmstar wandelte sich zur Fürstin der oberen Zehntausend – und Monaco zum neuen Mekka des internationalen Jet-Set. Wie immer spielte Grace Kelly auch diese Rolle perfekt: Sie schenkte dem Fürstentum den lang ersehnten Thronfolger; sie brachte Glamour und Stil in das vermuffte Adelshaus, und noch nie war eine Fürstin so beliebt wie sie. In Wahrheit war auch ihr Leben von Problemen überschattet, denn Glamour ist nicht gleichbedeutend mit Glück: Sprachschwierigkeiten, das strenge Hofprotokoll und ein Mann, der ihr lange fremd blieb, machten ihr das Leben schwer. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch der Gedanke an Scheidung war immer da. Erst am Ende fand das Ehepaar zu jener Harmonie, nach der sich Grace Kelly so sehr gesehnt hatte. Ihr Tod war wie ihr Leben: spektakulär und rätselhaft. Im September 1982 stürzte sie mit dem Auto eine Serpentine hinab. Ihre jüngste Tochter, Prinzessin Stephanie, überlebte den Unfall schwer verletzt. Gracia Patricia ist bis heute ein Mythos, der amerikanische Traum eines zur Prinzessin geadelten einfachen Mädchens. Ganz anders ist das Bild, welches das Erste Paar des Dritten Reiches von sich entwerfen ließ: Joseph und Magda Goebbels waren keine Identifikationsfiguren und sahen sich nicht durch unabhängige Medien herausgefordert. Sie standen nicht an der Spitze des NS-Staates, gaben aber doch das Paradepaar, denn Hitler hatte sich bis zu seinen letzten Stunden im Bunker Ehelosigkeit auferlegt. Nicht nur, weil geregelte Familienverhältnisse bei anderen Spitzen-Nazis Mangelware waren, stilisierte der »kleine Doktor« seine Familie zum Vorbildidyll für die Volksgenossen. Es mag schwer fallen, Verführern und Verbrechern vom Schlage eines Joseph Goebbels menschliche Gefühle wie Liebe zuzusprechen, doch die Tagebücher der ersten gemeinsamen Jahre erwecken genau diesen Eindruck – auch wenn Besitzerstolz und Selbstbestätigung für ihn immer dominant blieben. In jedem Fall diente seine Ehe mit der geschiedenen Frau eines reichen Industriellen, die 1931 geschlossen wurde, von Anfang an politischen Zwecken. Magda Goebbels war es, die ihrem Joseph überhaupt erst die Manieren beibrachte, die ihn salonfähig machen sollten. Mit Hitlers Machtergreifung und der Ernennung Goebbels’ zum Reichspropagandaminister schienen beide ihr Ziel erreicht zu haben: Sie gefielen sich in ihren neuen, staatstragenden Rollen. Doch nach anfänglicher gemeinsamer Begeisterung zeigte die Beziehung immer mehr Risse: Joseph Goebbels wollte seine Frau bevormunden, sie selbst aber strebte eine unabhängige Rolle an. Er ging unablässig fremd und hielt das für sein gutes Recht als Familienpatron, sie wiederum unterhielt engste Beziehungen zu Hitler. Fast scheint es, als sei die Ehe der Goebbels von Anfang an eine Dreiecksbeziehung gewesen. Lange vor Kriegsbeginn war die Ehe zerrüttet. Nur dank der Interventionen Hitlers war eine Trennung und damit das Zerplatzen der Propagandablase zu verhindern. Die nationalsozialistische Ideologie bildete den Kitt, als Liebe, Zuneigung und Leidenschaft schon lange kein Fundament der Ehe mehr waren. Auf welch brüchiger Grundlage die Beziehung von Magda und Joseph Goebbels in Wahrheit fußte, sahen die Deutschen erst, als sich das Paar bei Kriegsende das Leben nahm und seine sechs Kinder mit in den Tod riss. Drei Monarchenpaare, ein Präsidentenpaar und ein Propagandapaar, das einer unmenschlichen Ideologie einen menschlichen Schein geben sollte, und dennoch: »Bis dass der Tod uns scheidet« – dieser Vers aus der kirchlichen Trauzeremonie gilt für jede der fünf Ehen in besonderer Weise. Alle Verbindungen prägten das Leben der Partner nachhaltig; niemandem gelang es, mit jener Beziehung endgültig abzuschließen, die durch Medien und Öffentlichkeit berühmt geworden war. Das offenbart zugleich die hohe moralische Messlatte, die die Öffentlichkeit an ihre Leit- und Vorbilder anzulegen pflegt – bisweilen Maßstäbe, denen nicht einmal so mancher »Normalsterbliche« genügen kann. Aber das ist ein Merkmal prominenter Paare: Ihre Ehen dienen uns nur allzu oft als Projektionsfläche für eigene Sehnsüchte nach Glück und Perfektion. Dabei sind auch Personen an der Spitze eines Staates in ihrem Privatleben zumeist keine Ausnahmeerscheinungen, sondern ganz normale Menschen, zumal für ihre Ehepartner. Das Beziehungsleben der fünf Paare wurde durch die Öffentlichkeit, in der sie standen, zu einem spannenden Geflecht aus alltäglichen und einmaligen, glücklichen und tragischen Momenten. Jede ihrer Geschichten hat Spuren hinterlassen. Die folgenden Kapitel berichten davon.

DIE MÄNNER HATTEN AN JENEM AUGUSTABEND 1998 DIE ORDER, DEN HINTEREINGANG ZU NEHMEN. Obwohl es längst dunkel geworden war, bestand die Gefahr, gesehen zu werden, denn jede Bewegung in der Pennsylvania Avenue 1600 in Washington wurde von den Journalisten genauestens registriert. Bob Bittmann war kein bisschen nervös. Den lang gedienten Juristen konnte so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Eine Situation wie heute allerdings hatte auch er noch nie erlebt. Gemeinsam mit seinem Kollegen wurde er durch die ausgestorbenen Gänge des Weißen Hauses geführt. Vor dem so genannten Map Room, dem Kartenraum des Weißen Hauses, waren sie am Ziel angekommen. »Es war sehr ruhig«, erinnert sich Bittmann in einem ZDF-Interview, »und wir standen einfach da und warteten, dass uns jemand hereinrief.« Als sich die Tür schließlich öffnete, bot sich dem Mitarbeiter des Sonderermittlungsausschusses eine der ungewöhnlichsten Szenen seiner Laufbahn. Anwesend waren ein Arzt, ein Anwalt und der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Ganz freundlich habe Bill Clinton sie begrüßt, ja sich sogar namentlich vorgestellt, erinnert sich Bittmann. »Der Präsident setzte sich und machte den rechten Arm frei. Dann legte der Doktor eine Druckmanschette an.« Clintons Anwalt wollte die sichtlich angespannte Stimmung ein wenig auflockern und wagte einen Scherz. Schon immer habe er einen Klienten in einer solchen Situation sehen wollen, schmunzelte er. »Der Präsident saß da ... und sah ihn einfach nur an. Er fand es überhaupt nicht komisch.«

Nachdem die Blutprobe genommen war, verließen die Beamten das Weiße Haus. In ihrer Tasche hatten sie einen wenige Milligramm schweren Beweis. Einen, der sich nicht mit Lügen wegreden ließ. Denn die DNA-Analyse würde übereinstimmen mit den verräterischen Spuren auf dem peinlichsten aller Beweisstücke in der Affäre Clinton-Lewinsky – jenem blauen Kleid, das die verliebte Praktikantin Monica bei einem Schäferstündchen mit dem Präsidenten getragen hatte. Was Bill Clinton am Abend jenes 3. August 1998 dachte und fühlte, hat er nie verraten. Doch er muss gewusst haben, dass nun alles ans Licht kommen würde. Dass die Welt erfahren würde, dass er gelogen hatte. Und dass es seine Frau Hillary erfahren würde. Zwei Wochen später, am 15. August, war es so weit. Am Morgen gestand Clinton seiner Frau den Seitensprung mit Monica Lewinsky, zwei Tage später trat er spätabends mit einer Fernsehansprache vor die Nation. Er habe eine »unangemessene Beziehung« gehabt, so die verklausulierte Formulierung eines sichtlich verunsicherten Präsidenten. Natürlich hatten viele es längst vermutet, aber das öffentliche Bekenntnis, vor allem die Art und Weise, in der es erfolgte, erniedrigte den mächtigsten Mann der Welt in einem kaum zu ertragenden Ausmaß.

Am Morgen des 15. August 1998, es war ein Samstag, weckte ich nach einer elenden, schlaflosen Nacht meine Frau, um ihr die Wahrheit über Monica Lewinsky und mich zu erzählen. Sie sah mich an, als hätte ich ihr einen Schlag in den Magen versetzt. ■ Bill Clinton, »Mein Leben«

Als sich die Entrüstung der prüden Hälfte Amerikas und das Erstaunen der übrigen Welt wieder gelegt hatten, schnurrte die Geschichte allerdings auf einen Gehalt zusammen, der wohl banaler kaum hätte sein können: Ein attraktiver Präsident und eine verknallte Praktikantin hatten sich im Oval Office aufgeführt wie zwei Teenager auf einem Parkplatz. Der so genannte Starr-Report, der minutiöse Bericht von Sonderermittler Kenneth Starr über die präsidialen Verfehlungen, enthüllte Details, die die meisten Amerikaner nicht einmal von ihren besten Freunden wussten und viele auch gar nicht hatten wissen wollen. Da war die Rede von Zigarren in ungewöhnlicher Verwendung, von »Verzögerungen« im Zeitplan des Präsidenten, weil dieser noch im Oval Office »zu tun« hatte, und vielem mehr. Die penible Auflistung Starrs rief bei den meisten Menschen weltweit eher amüsiertes Schmunzeln hervor. Und trotzdem war diese Affäre Anlass für eine Ermittlung, die Millionen Dollar kostete und für viele Monate wichtige politische Ereignisse aus den Schlagzeilen verdrängte. Das Ansehen einer der ältesten Demokratien, die in der würdelosen Debatte über das Sexleben ihres Präsidenten auf das Niveau einer Bananenrepublik sank, wurde nachhaltig geschädigt. Bill Clinton hingegen ging aus dieser peinlichen Affäre erstaunlicherweise weitgehend unbeschadet hervor. Das Amtsenthebungsverfahren, dem er sich als zweiter Präsident in der Geschichte der USA stellen musste, wurde eingestellt. Einer Wiederwahl, die ihn mit Volkes Stimme konfrontiert hätte, konnte er sich nach zwei Legislaturperioden ohnehin nicht mehr stellen. Heute ist der Elder Statesman Bill Clinton einer der angesehensten Männer der Welt. Seine Redehonorare sind unerreicht, seine Autobiographie »Mein Leben« verkaufte sich in Millionenhöhe. Bis zum heutigen Tag jedoch weiß niemand die Reaktion einer Person wirklich einzuschätzen: jener Frau, die auf unvorstellbare Art und Weise vor der Weltöffentlichkeit gedemütigt wurde und doch zu ihrem Mann stand und immer noch steht – Hillary Rodham Clinton.

Als ich ihn zum ersten Mal im Studentenclub sah, zog er gerade, umringt von anderen Studenten, die ihm gebannt zuhörten, über irgendetwas vom Leder. Im Vorübergehen hörte ich ihn sagen: »... und obendrein bauen wir auch die größten Wassermelonen der Welt an!« Entgeistert wandte ich mich an meinen Begleiter: »Wer ist denn das?« – »Oh, das ist Bill Clinton«, antwortete er. »Er stammt aus Arkansas – und er spricht über nichts anderes.« ■ Hillary Clinton, »Gelebte Geschichte«

Wie sie einander begegnet sind, haben die Clintons wohl schon tausendmal erzählt. Im Herbst 1970 studierte Hillary Rodham durch dicke Brillengläser juristische Texte in der Bibliothek der Yale-Universität. In der Vorhalle unterhielt sich ein hoch gewachsener Student mit einem Kommilitonen. »Doch Bill war anscheinend nicht ganz bei der Sache«, erinnert sich Hillary Clinton in ihrer Autobiographie »Gelebte Geschichte«. »Ich bemerkte, dass er immer wieder zu mir herübersah. Nach einer Weile erhob ich mich von meinem Platz, ging zu ihm hinüber und sagte: ›Ehe du mich noch länger anstarrst und ich noch länger zurückstarre, können wir uns auch gleich vorstellen. Ich bin Hillary Rodham.‹ Das war’s. Bill war im ersten Moment so perplex, dass ihm sein Name nicht einfiel.« Bill Clinton bestätigt diese Geschichte: »Sie strahlte so eine Stärke und Selbstbeherrschung aus, wie ich es erst bei wenigen Menschen erlebt habe«, schwärmt er in seinen Erinnerungen. Wenige Tage später begegneten sich die beiden wieder, als Hillary auf dem Weg war, sich für Vorlesungen des nächsten Semesters einzuschreiben. Bill Clinton wollte die günstige Gelegenheit nutzen, dass ihm das Mädchen in der Warteschlange vor dem Schalter nicht entwischen konnte, und begleitete sie. Vorn angekommen, sah er sich dann allerdings erneut in einer peinlichen Situation. Der Angestellte fragte Clinton, was er denn hier wolle, er habe sich doch bereits am Morgen registrieren lassen. »Ich lief knallrot an, und Hillary bedachte mich mit ihrem schallenden Lachen«, gibt Clinton heute zu. Wenig später waren Hillary und Bill unzertrennlich. Bills Freunde berichten, sie hätten schnell gespürt, dass sich zwischen den beiden etwas Ernsteres anbahnte. Clinton hatte zuvor mehrere Gespielinnen gehabt, aber keine von ihnen war sonderlich lange geblieben. »Bill erzählte uns: Ich habe eine unglaubliche Frau kennen gelernt, ich muss sie euch vorstellen«, erinnert sich Brooke Shearer, eine Freundin aus jenen Tagen, in einem ZDF-Interview. Er habe dabei so einen ganz besonderen Ton angeschlagen, der die anderen sofort habe aufhorchen lassen. Einige von Bills Kommilitonen waren ziemlich verwundert, dass er sich ausgerechnet für die optisch eher unaufdringliche Hillary entschieden hatte. Selbst für die frühen siebziger Jahre machte Hillary einen etwas verwahrlosten Eindruck. Lange Röcke, lange Haare und dazwischen ein sackartiges Etwas, das eine Bluse oder ein Pullover sein konnte, und fertig war die Ausgehgarderobe. Bill sah seinerzeit freilich selbst wie eine Mischung aus Wischmopp und Wikinger aus. Ihm schien der Stil seiner neuen Freundin zu gefallen.

Auch Hillarys Umgebung merkte recht bald, dass Bill Clinton für die junge Frau etwas ganz Besonderes war. Die Mutter einer Freundin nahm sie beiseite, nachdem sie die sonst so konzentrierte und ernste Hillary eine Zeit lang beobachtet hatte: »Tu, was du willst, aber lass Bill auf keinen Fall entwischen. Ich habe noch keinen Mann kennen gelernt, der dich zum Lachen bringen konnte.« Diese Beziehung war mehr als eine Romanze. Bill Clinton hatte eine Partnerin gefunden, an der er sich messen konnte. »Sie war eine intellektuelle Herausforderung für ihn«, sagt Brooke Shearer. Und Hillary erlag seinem Charme, freute sich wie ein kleines Mädchen über jede Überraschung, die Bill in ihren sonst so wohlgeordneten Alltag brachte, auch wenn sie zunächst die Souveränere und Zurückhaltendere zu sein schien. »Das Erste, was mir damals an ihm aufgefallen ist, waren seine schmalen Hände. In unseren ersten Jahren konnte ich mich stundenlang allein am Anblick seiner Finger beim Blättern in einem Buch ergötzen«, erzählt sie in ihren Memoiren. Die Kommilitonen amüsierten sich über die dauerturtelnden Freunde, die ihre Finger nur dann voneinander lassen konnten, wenn sie mit Händen und Füßen über irgendeine Frage des öffentlichen Interesses debattierten. Beide waren nahezu politikversessen, fanden in Grundsatzdebatten und bei konstruktiven Streitgesprächen kein Ende. »Politik ist ihrer beider Leben«, sagt Dick Morris, ihr späterer Berater. »Es ist wie bei einem Ehepaar, das ein chinesisches Restaurant führt und darüber wohnt. Es füllt ihr ganzes Leben aus.« Bill Clinton hatte schon früh eine klare Vorstellung davon gehabt, wie die Frau an seiner Seite sein sollte. Seine Jugendfreundin Carolyn Yeldell Staley erinnert sich, dass er einmal zu ihr gesagt hat: »Ich brauche wahrscheinlich eine Frau, die ihre Arbeit genauso liebt wie ich.« Hillary schien diesem Bild optimal zu entsprechen. Und sie fand in ihm einen Partner, der ihr das Wasser reichen konnte und gleichzeitig bar jeglichen Vorurteils gegenüber den intellektuellen Fähigkeiten von Frauen war. Das war nämlich nicht gerade üblich im Amerika der frühen siebziger Jahre.

Mit ihrem Studium hatten beide überhaupt keine Schwierigkeiten, obschon sie eher seltene Gäste in den Vorlesungen waren. Beide waren und sind juristische Naturtalente, deren Energie und Begabung erheblich weiter reichten als die vieler ihrer Kommilitonen. Nachdem Hillary 1972 ihr Examen absolviert hatte, unternahmen die beiden eine Reise nach Europa. »Und im Dämmerlicht am Ufer des Lake Ennerdale im wunderschönen Lake District fragte Bill schließlich, ob ich seine Frau werden wolle«, erinnert sich Hillary Clinton in ihren Memoiren. »Ich war furchtbar verliebt in ihn, doch ich wusste überhaupt noch nicht, welche Richtung ich meinem Leben geben sollte. Also antwortete ich: ›Nein, nicht jetzt.‹ Eigentlich hatte ich sagen wollen: ›Gib mir noch etwas Zeit.‹ Ich hatte die triste und einsame Kindheit meiner Mutter vor Augen, die sehr unter der Scheidung ihrer Eltern gelitten hatte. Mir war klar, dass meine Ehe, wenn ich mich einmal zum Heiraten entschloss, das ganze Leben dauern müsse.« Sie entschied sich erst viele Heiratsanträge später und, wie es scheint, tatsächlich mit dem festen Vorsatz, ihre Ehe ein ganzes Leben lang dauern zu lassen.

Virginia war ein Freigeist. Es spielte für sie keine Rolle, was andere von ihr dachten. Sie machte immer genau das, was sie für richtig hielt, und in einer Kleinstadt im Arkansas der 40er und 50er Jahre bringt das die Leute natürlich zum Tuscheln. ■ Joe Purvis, Jugendfreund, über Clintons Mutter

Das Paar, das sich am 11. Oktober 1975 in Arkansas schließlich das Ja-Wort gab, hätte von seiner Herkunft her unterschiedlicher kaum sein können. Bill Clinton war aufgrund seiner Kindheit dazu prädestiniert, ein Drogenabhängiger oder Krimineller zu werden. Sein Vater William Blythe, ein notorischer Frauenheld, kam vor der Geburt des Jungen bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Seine Mutter Virginia war das, was man wohlwollend ein Original nennen könnte. Ihre Vorliebe für auffallende Schminke, Glücksspiel, schummrige Cocktailbars und durchtanzte Nächte änderte sich auch mit der Geburt des kleinen Bill nicht. Aufgrund ihres Lebenswandels gehörte sie nicht gerade zu den angesehensten Bürgern der kleinen Ortschaft Hope in Arkansas. Doch zeigte sie stets eine warmherzige, energiegeladene Art, die schnell die Herzen gewann. »Sie war eine ungeheuer glamouröse Erscheinung«, erinnert sich Bill Clintons Jugendfreundin Carolyn Yeldell Staley. »Sie fuhr diesen weißen Buick, war immer tiefbraun gebrannt, hatte die Augenbrauen ungeheuer hoch gezupft und das Ganze krönte ein weißer Streifen, den sie in ihr Haar gefärbt hatte.« Virginias erste Amtshandlung nach dem Aufstehen war, sich fingerdickes Make-up aufzulegen. »Das ist das Allerwichtigste«, schärfte sie Carolyn ein, »man kann ja nie wissen, wer einen zu sehen bekommt.« Doch entgegen ihrer äußeren Erscheinung war Virginia alles andere als oberflächlich. »Virginia hat uns immer zum Diskutieren aufgefordert. Sie kam nach Hause und erzählte, was ihr im Lauf des Tages passiert war, was sie gehört oder beobachtet hatte«, erzählt Carolyn. »Und dann fragten wir uns, wie diese oder jene Situation am besten gelöst werden könnte. Sie regte uns an, kleine Debatten darüber zu fuhren, was in dieser Welt nicht richtig läuft. Es war einfach großartig.« Carolyn sieht in Virginia den Urbeweggrund Bill Clintons, in die Politik zu gehen. »Sie weckte in uns die Liebe zu Amerika, die Liebe zu unserem Land und zur Politik.«

Sie hat Bill die Liebe zum Leben gegeben. Und die Fähigkeit, Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Sie nahm jeden Menschen gleich an, behandelte ihn gleich und sah in jedem das Gute. ■ Joe Purvis, Jugendfreund, über Clintons Mutter

Roger Clinton liebte mich wirklich, und er liebte Mutter, doch er konnte sich nie aus dem Schatten seiner Selbstzweifel lösen. Stattdessen gab er sich einer Illusion von Selbstsicherheit hin, die ihm die Trinkgelage und pubertären Feiern mit seinen Freunden verschafften. ■ Bill Clinton, »Mein Leben«

Virginias Liebesleben in dieser Zeit glich einer Achterbahn. Schnell gab es für Bill einen Stiefvater, Roger Clinton, dessen Namen der Junge annahm, und er bescheinigt ihm heute, ein durchaus aufrichtiger Kerl gewesen zu sein. Doch Roger Clintons Alkoholismus stürzte die Familie, die sich in der Zwischenzeit um den kleinen Roger vermehrt hatte, in heilloses Chaos. Gewalt und Rücksichtslosigkeit prägten die Kinderjahre des späteren Präsidenten. In seinen Memoiren erinnert sich Bill Clinton offen daran, dass der Stiefvater im ehelichen Schlafzimmer mit einer Pistole um sich feuerte und seine Frau verprügelte: »Eines Abends schloss Daddy die Schlafzimmertür und begann Mutter anzuschreien. Dann schlug er sie ... Ich holte einen Golfschläger und stieß die Schlafzimmertür auf. Meine Mutter lag auf dem Boden. Daddy stand über ihr und schlug auf sie ein. Ich schrie ihn an, wenn er nicht sofort aufhöre, werde ich ihm die Seele aus dem Leib prügeln. Er hielt inne, starrte mich irritiert an, sank in sich zusammen und ließ sich in einen Sessel fallen, wo er mit gesenktem Kopf sitzen blieb ... Ich gewöhnte mich daran, diese dunkle, verborgene Seite unserer Familie als normalen Bestandteil meines Lebens zu akzeptieren.« Die Aggressionen in seiner Kindheit machten ihn nicht zu einem gewalttätigen Menschen. Ganz im Gegenteil: Dick Morris, sein späterer Berater, sieht in Clintons Kindheitsjähren die Wurzeln eines ganz anderen Charakterzuges. »Er ist immer auf Deeskalation aus. So reagiert er auf die Schreiereien und die Schläge seiner Kindheit.«

Die Frau, mit der Bill nun eine Familie gründen wollte, war ein klassisches Gewächs amerikanischer Vorstadtidylle. »Die Frauen führten den Haushalt und zogen die Kinder groß, während die Männer mit dem Nahverkehrszug zur Arbeit pendelten«, erinnert sich Hillary später. Die ordentlich gestutzten Hecken der Vorgärten von Park Ridge bei Chicago spiegelten das Gefüge von Anstand und Moral wider. Hugh Rodham, der autoritär und konservativ war, gab im Haus den Ton an. Hillary und ihre beiden jüngeren Brüder gehorchten ihm genauso wie Mutter Dorothy. »Hugh und Dorothy waren überzeugt davon, dass wir Härte brauchen würden, damit wir uns später auch unter widrigen Bedingungen behaupten könnten«, so Hillary. Häufig erzählt sie folgende Anekdote aus ihrer Kindheit: Ihre Mutter hatte bemerkt, dass sie sich vor einem Mädchen aus der Nachbarschaft fürchtete. »Also schickte sie mich eines Tages, als ich mich wieder einmal ins Haus flüchtete, zurück auf die Straße. ›Geh wieder hinaus‹, befahl sie mir, ›und wenn dich Suzy haut, so hast du meine Erlaubnis zurückzuschlagen. Du musst lernen, dich zu verteidigen. In diesem Haus ist kein Platz für Feiglinge.‹ ... Nach einigen Minuten kehrte ich mit stolzgeschwellter Brust zurück. ›Ich kann jetzt mit den Jungs spielen‹, erklärte ich meiner Mutter.« Auffallend früh interessierte sich das aufgeweckte Mädchen für Politik, wenn auch nach den Vorgaben des Vaters, für den der amtierende US-Präsident John F. Kennedy einer Inkarnation des Teufels gleichkam. Als »Goldwater-Girl« engagierte sie sich für den erzkonservativen republikanischen Senator Barry Goldwater und vertrat dessen Anliegen mit größter Ernsthaftigkeit. Ihr Jugendpfarrer Don Jones erinnert sich in einem Interview an jene Zeit: »Hillary war immer schon erwachsen. Mit 15 oder 16 sprach sie auf Augenhöhe mit den Seniors in der High School. Sie konnte immer mit den Älteren mithalten.«Nachdem Hillary die High School abgeschlossen hatte, entschied sie sich für das Wellesley College, eine Privateinrichtung nur für Mädchen, die sich 1000 Meilen entfernt vom heimischen Park Ridge befand. Die renommierte Schule, an der auch die spätere US-Außenministerin Madeleine Albright studierte, bot den Mädchen ein Refugium, in dem sie sich ohne männliche Dominanz ihrem Studium widmen konnten. Während ihrer Zeit in Wellesley reifte Hillary persönlich wie politisch zu einer eigenständigen jungen Frau heran, deren Talent und Engagement für Lehrer und Kommilitoninnen erkennbar weiter führen würden. Am Ende ihrer Collegezeit hielt sie eine Abschlussrede. Ein Satz daraus schien ihr Leben vorwegzunehmen, obwohl er bar jeden politischen Inhalts war. »Das Problem mit dem Mitleid ist«, sagte die junge Hillary Rodham, »dass Mitleid uns nirgendwo hinbringt.«Bill Clinton hatte aus seinen Lebensplänen nie ein Hehl gemacht. Er war der geborene Politiker. Schon als Schüler hatte er immer wieder nach Ämtern und Verantwortung gestrebt und es war ihm stets leicht gefallen, die nötigen Stimmen für sich zusammenzubekommen. Als einen Schlüsselmoment in seinem Leben sieht er heute den Tag, an dem er als »Senator« der »Boys Nation« im Juli 1963 nach Washington reisen durfte und zu einem Termin bei John F. Kennedy ins Weiße Haus eingeladen wurde. Die Boys Nation ist eine Jugendorganisation, die unter anderem Wahlkämpfe unter den Schülern der High Schools eines Bundesstaates um verschiedene »politische Posten« veranstaltet. Die Sieger werden nach Washington eingeladen, um eine Woche lang mit den echten Senatoren und Abgeordneten zu debattieren. Die Vertreter der Boys Nation waren nach dem Alphabet ihrer Bundesstaaten aufgereiht, Arkansas entsprechend weit vorn. Der größte Junge in der Reihe drängte selbstbewusst nach vorn und durfte die Hand des charismatischen Präsidenten schütteln. Es war Bill Clinton.

»Der geborene Politiker« – Clintons Begegnung mit John F. Kennedy bestärkte ihn, selbst in die Politik zu gehen

Spätestens seit dieser Begegnung war der Junge glühender Demokrat. Bereits während der Collegezeit jobbte er im Büro des demokratischen Senators William J. Fulbright. Schulische Erfolge flogen Clinton, der nach Aussage seiner Mutter bereits mit drei Jahren lesen konnte, scheinbar ohne jegliche Anstrengung zu. Die Georgetown University in Washington absolvierte er mit Bravour, ein Rhodes-Stipendium belohnte seine guten Leistungen und führte ihn für zwei Jahre nach Oxford. Für Lehrer und Familie war sein Erfolgsweg vorgezeichnet, auch wenn er seine Karriere keineswegs klassisch anging. Nach dem Examen in Yale, das er 1973 ablegte, kehrte er ins hinterwäldlerische Arkansas zurück und nahm eine Stelle als Dozent an der University of Arkansas in Fayetteville an. »Ich wollte nach Hause«, antwortete er später oft auf die Frage, warum er seinen Weg in der tiefsten Südstaatenprovinz beginnen wollte. Sein Freund Max Brantley fand die Entscheidung Bills für Arkansas nicht verwunderlich. »Bill war von hier und es war klar, dass er hier relativ leicht ein sehr hohes Amt erreichen konnte.« Tatsächlich war die Stelle des braven Hochschullehrers wenig mehr als ein Sprungbrett für Clinton. Bereits Anfang 1974, also mit gerade einmal 27 Jahren, stürzte er sich als demokratischer Kandidat in den Wahlkampf für einen Sitz im Repräsentantenhaus.

Dass Hillary ihm nach Arkansas folgte, was in Amerika so etwas wie Sibirien ist, war ein wirklich erstaunliches Bekenntnis ihrer Liebe, ihrer Hingabe und Leidenschaft. Sie hätte ein großer Star in New York oder Washington sein können und nun wählte sie Little Rock und sagte damit zur Welt: Das Wichtigste auf der Welt ist für mich meine Beziehung. Viele Feministinnen ihrer Generation haben darin einen Riesenbetrug gesehen. Aber sie hatte ihre Wahl getroffen und ich glaube, es war eine gute Wahl. ■ Kati Marton, Biographin Hillarys

Die Beziehung zwischen Bill und Hillary hatte sich während der vergangenen Jahre verfestigt, und seit einiger Zeit lebten sie zusammen. Doch Hillary folgte Bill zunächst nicht nach Arkansas, sondern entschied sich, für den Children’s Defense Fund in Cambridge, Massachusetts, zu arbeiten. Nach wenigen Monaten allerdings, als sie die Möglichkeit erhielt, für den Untersuchungsausschuss zu arbeiten, der die Verfehlungen Präsident Richard Nixons in der Watergate-Affäre unter die Lupe nahm, kehrte sie nach Washington zurück. Es war eine aufregende Zeit für die junge Frau, die mit Feuereifer für die Aufklärung kämpfte. Dass ein ähnlicher Untersuchungsausschuss sich zwei Jahrzehnte später mit den Verfehlungen ihres Gatten beschäftigen würde, wäre damals eine absurde Vorstellung gewesen. So sehr ihre Tätigkeit sie auch ausfüllte: Für Hillary war die Trennung von Bill nur äußerst schwer zu ertragen. Als ihre Freundin Sara Ehrmann an einem Augustabend 1974 in ihr Apartment zurückkehrte, das sie mit Hillary Rodham teilte, fand sie die Freundin aufgepackten Koffern vor. »Ich fahre nach Arkansas zu Bill«, verkündete Hillary. Sara traute ihren Ohren nicht. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Für Sara kam diese Entscheidung einer freiwilligen Einweisung in ein sibirisches Gefangenenlager gleich. Sie bot an, Hillary nach Arkansas zu fahren, um während der Zeit noch jede Gelegenheit nutzen zu können, ihr diesen Schritt auszureden. Es war vergebens. Selbst ein Tränenausbruch Saras bei der Einfahrt nach Fayetteville konnte Hillary nicht erweichen. Bill wollte Arkansas und Hillary wollte Bill. Punkt. Bill Clinton verlor die Wahl um den Sitz im Repräsentantenhaus. Mit 27 Jahren war das nicht weiter tragisch. Zwei Jahre später war er Generalstaatsanwalt, und 1978 wurde er mit gerade einmal 32 jüngster Gouverneur in der Geschichte des Staates Arkansas: Ein Shootingstar auf der politischen Bühne. »Das Naturtalent« hat der Journalist Joe Klein sein Buch über Bill Clinton genannt. Tatsächlich war der neue Gouverneur von Arkansas offenbar geboren, um die Herzen der Wähler zu gewinnen. Sein Freund Max Brantley kennt Clintons Geheimnis. »Er schaut dir direkt in die Augen, er berührt Männer, Frauen, Kinder, Hunde, einfach jeden. Er steht immer sehr nahe bei dir, wenn er mit dir redet.« Innerhalb von Sekunden ist Clinton in der Lage, eine menschliche Nähe herzustellen, die kaum jemandem unangenehm ist. Meist legt er den Arm um den Angesprochenen, oftmals greift die freie Hand noch nach dem Unterarm oder der Hand. »Aber es ist mehr als das«, sagt Max Brantley, »er merkt sich, was du sagst. Er kann sich an irgendeine Kleinigkeit 15, 20 Jahre später erinnern. Das ist wirklich bemerkenswert.« Clintons Redenschreiber Robert Boorstin bestätigt: »Es ist einfach so, dass fast jeder, der ihn persönlich trifft, für ihn stimmt. Er hat diese enorm magnetische Ausstrahlung, dieses Charisma.« In Arkansas, seiner Heimat, hatte Clinton überdies ein Heimspiel. Er wusste, wie die Uhren in dem verschlafenen Bundesstaat tickten. Die Frau an seiner Seite allerdings war nicht unbedingt das, was sich die Südstaatler unter einer Landesmutter vorstellten. Das erste Tabu, das sie unbesorgt brach, war, dass sie nicht den Namen ihres Mannes annahm: Auch nach ihrer Hochzeit im Oktober 1975 behielt sie ihren Mädchennamen Rodham bei. Jerry Bookout, Senator aus Arkansas, erinnert sich: »Keine Frau in Arkansas hätte damals nicht den Namen ihres Mannes angenommen, keine. Das war gegen jede Tradition, und in Arkansas gibt man viel auf Traditionen.« Joe Purvis, ein Freund aus diesen Tagen, bestätigt die mittelalterlichen Zustände. »In den sechziger und siebziger Jahren wurde ein Mädchen aus Arkansas Hausfrau oder Lehrerin. Etwas anderes konnte man sich dort überhaupt nicht vorstellen.« Hillary war ein Fremdkörper: zu modern, zu selbstbewusst, zu feministisch. »Für Hillary war es eine harte Lektion«, sagt ihre Biographin Kati Marton. »Sie kam aus der intellektuellen Atmosphäre von Wellesley und Yale und landete nun an einem Ort, an dem du danach bewertet wirst, wie blond und glänzend dein Haar ist. Es interessiert niemanden, welche Bücher du gelesen hast. Es muss ein Schock für sie gewesen sein.«

Auch privat musste Hillary um Anerkennung kämpfen. Virginia Clinton hatte sich ihre Schwiegertochter ebenfalls ganz anders vorgestellt. »Hillary war keine Miss Arkansas«, schmunzelt Kati Marton, und Virginias Make-up-Ratschläge waren wohl bei niemandem weniger willkommen als bei der frisch gebackenen Frau ihres Sohnes, die noch immer durch flaschenbodendicke Brillengläser in die grünen Berge von Arkansas linste und deren Kleider oft aussahen, als seien sie gerade aus einem Wäschebeutel gerupft worden. Doch die beiden lernten sich zu respektieren und entwickelten ein liebevolles Verhältnis zueinander. »Hillary war schlau genug zu sehen, dass diese Frau immer sehr, sehr wichtig für ihren Mann sein würde«, sagt Kati Marton. »Das war nicht so eine Schwiegermutter, die man einmal im Jahr an Weihnachten sah und ansonsten vergessen konnte.« Hillary selbst sagt dazu: »Irgendwann waren wir ... zu dem Schluss gekommen, dass das, was uns trennte, lange nicht so wichtig war wie das, was uns verband: die Liebe zu Bill.« Das Verhältnis zu Virginia entspannte sich also mit der Zeit, das zu den Südstaatlern – oder besser gesagt: das der Südstaatler zu Hillary – dagegen kaum. »Sie machte in Arkansas einfach nicht die Sachen, die Gouverneursfrauen üblicherweise so machen«, erinnert sich Max Brantley, »also Teegesellschaften geben und Wohltätigkeitsveranstaltungen organisieren. Und das hat Bill politisch geschadet.«Hillary hatte ihre eigenen beruflichen Ambitionen nicht aufgegeben. 1977 trat sie als eine der ersten Frauen in Arkansas als Anwältin einer alteingesessenen und angesehenen Kanzlei bei. Die Anwaltsfirma Rose & Partner bot ihr Anerkennung und nicht zuletzt auch ein üppiges Salär, was umso wichtiger war, als Bills Jahreseinkommen trotz seines Postens als Generalstaatsanwalt bescheiden blieb. »Geld spielt für ihn keine Rolle«, erinnert sich Bills Jugendfreund Joe Purvis, »er hat wahrscheinlich noch nie mehr als zwanzig Dollar in der Tasche gehabt.« Hillary bedeutete Geld durchaus etwas. Sie nahm die Finanzen der Familie in die Hand und tätigte einige Geschäfte, die zunächst vielversprechend wirkten. Die Folgen ihrer Transaktionen würde das Ehepaar Clinton erst viele Jahre später zu spüren bekommen. Fünf Jahre nach der Hochzeit kam die freudige Nachricht: Hillary war schwanger. Beide hatten sehnsüchtig auf ein Kind gewartet und freuten sich unbändig, als sie endlich Töchterchen Chelsea im Arm hielten. Sie nannten sie nach dem Pop-Song »Chelsea Morning«, den beide sehr mochten. Jetzt war Improvisationstalent gefragt, denn das Kind musste seinen Platz im vollen Terminkalender der viel beschäftigten Eltern finden. »Sie haben ihr Leben nicht im Geringsten geändert«, berichtet Larry Gleghorn, der damals den Personenschutz des Gouverneursehepaars verantwortete. »Bill hatte überhaupt keine Ahnung, wie man mit einem Kind umgeht.« Doch die beiden fanden schnell in ihre neuen Rollen. Hillary nahm ihre Tochter einfach mit zu Sitzungen. Hatte sie in Washington zu tun, wo sie mittlerweile wieder in Ausschüssen politisch tätig war, flog der Gouverneur bisweilen mit und versorgte den Nachwuchs. Es schien, als würde alles so laufen, wie es sich Hillary und Bill immer erträumt hatten.

Die Geburt unserer Tochter war die wunderbarste und beeindruckendste Erfahrung in meinem Leben ... Bill nahm unsere Tochter auf den Arm, ... drehte einige Runden durch das Krankenhaus, sang für sie, wiegte sie, zeigte sie herum und brüstete sich ganz ungemein damit, soeben die Vaterschaft erfunden zu haben. ■ Hillary Clinton, »Gelebte Geschichte«

Das böse Erwachen kam im Herbst 1980. Bill Clinton hatte seine Wiederwahl als Gouverneur für eine reine Formsache gehalten. Als die Wähler ihn abstraften und nach nur einer Legislaturperiode des Amtssitzes verwiesen, war der erfolgsverwöhnte Jungpolitiker völlig vor den Kopf gestoßen. Joe Purvis erzählt in einem Interview: »Als er bei der Wiederwahl unterlag, war das wohl eine der zwei oder drei schmerzlichsten Erfahrungen in seinem Leben. Ich bin mir sicher, er kann noch heute sagen, um wie viele Stimmen er in den jeweiligen Wahlkreisen unterlegen ist.« Bill hatte politische Fehler gemacht. Sein Reformwillen war den sturköpfigen Südstaatlern zu weit gegangen. So hatte er heilige Kühe angefasst, wie etwa die Kfz-Steuer, die er anheben wollte.