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Guido Knopp

Die große Flucht

Das Schicksal der Vertriebenen


Edel:eBooks

Ostpreußen, Januar 1945. Sowjetische Panzer durchbrechen innerhalb weniger Tage die Ostfront. Hunderttausende deutsche Zivilisten fliehen überstürzt aus der Heimat. Sie reihen sich ein in den immer länger werdenden Treck nach Westen.

Der große Treck

Die Fläche schien endlos: Siebzig Kilometer lang und zwanzig Kilometer breit glitzerte das Eis des Frischen Haffs. Am Horizont, nur schemenhaft zu erkennen, lag die schmale Landzunge, die die Bucht vom offenen Meer, der Ostsee, trennte. Die Frische Nehrung war für viele Flüchtlinge im Januar 1945 zur letzten Hoffnung geworden. Oft waren sie wochenlang mit ihren Pferdewagen, ihren Handkarren und Schlitten umhergezogen: bei schneidender Kälte, ohne Ordnung, ohne Ziel, im Rücken die immer näher kommende Front. Am 12. Januar hatte der Sturm der Roten Armee auf Ostpreußen begonnen. Schon nach wenigen Tagen, am 23. Januar 1945, stießen sowjetische Panzer bei Elbing zur Ostseeküste vor. Damit war die Landverbindung zwischen Ostpreußen und dem Reichsgebiet im Westen abgeschnitten – über zweieinhalb Millionen Menschen saßen in der Falle. Flucht war nur noch mit dem Schiff über die Ostsee möglich. Der einzige Weg in die Hafenstädte Danzig oder Pillau führte nun über die Frische Nehrung. Doch um zur rettenden Landzunge zu gelangen, mussten die Flüchtlinge mit ihren Planwagen und Karren das Eis des Haffs überwinden. Es war für viele ein Wettlauf mit dem Tod. An manchen Stellen war die Eisfläche nur wenige Zentimeter dick, gefährliche Spalten hatten sich aufgetan. Holzpfähle oder kleine Tannenbäume, die ins Eis gesteckt worden waren, sollten den Weg für die Flüchtlinge markieren.

Es wusste keiner, ob er lebend über das zugefrorene Haff kommen würde.
Hanns-Joachim Paris, Kriegsberichterstatter

Eine gefährliche Überfahrt: Die gleißend weiße Fläche bot keinerlei Schutz vor sowjetischen Tieffliegerangriffen. Dort, wo Sprengbomben Löcher in das Eis gerissen hatten, bildete sich bei Temperaturen von bis zu minus zwanzig Grad Kälte schnell eine tückisch dünne Eisschicht, die aber kein Gewicht tragen konnte. Immer wieder brachen Wagen ein und zogen Mensch und Tier mit in die Tiefe.

Für viele Ostpreußen zählt die Haffüberquerung zu den traumatischsten Erlebnissen der Flucht. Hildegard Rauschenbach aus dem Kreis Pillkallen war damals 19 Jahre alt. Ende Januar 1945 erreichte sie mit ihren Eltern die Küste bei Heiligenbeil. Vor dem Haff wurde die Familie auf einen großen Platz geführt, auf dem bereits Hunderte von Schicksalsgenossen warteten. Den Flüchtlingen wurde nur gestattet, ihr Handgepäck mitzunehmen. Alles andere mussten sie zurücklassen, denn die Wagen durften bei der Flucht über das brüchige Eis nicht zu schwer beladen sein. Binnen weniger Stunden türmte sich das Flüchtlingsgut am Straßenrand: Nähmaschinen, Fässer mit gepökeltem Fleisch, Radios, Federbetten, Kisten mit wertvollem Porzellan und Familiensilber. Überall wimmelte es von Menschen, Kinder weinten vor Kälte und Angst, Schreie durchschnitten die eisige Luft – inmitten des ganzen Chaos wurden Familienmitglieder voneinander getrennt, gingen Kinder ihren Müttern für immer verloren.

Damit das Eis die schwere Last tragen konnte, wurden die Wagen im Abstand von mehreren Metern nacheinander auf die vorgesehene Strecke eingewiesen. Es kam zu langen Stauzeiten. Viele versuchten das Eis im Schutz der Dunkelheit zu überqueren. Nur nachts konnten sich die Flüchtlinge vor sowjetischen Jagdbombern sicher fühlen. In der dunklen Eiswüste aber kamen viele vom Weg ab und stürzten in die Bombenkrater. Wer stehen blieb, lief Gefahr zu sinken. Schnell bildeten sich Wasserlachen um die Räder der Wagen, sackten riesige Eisschollen in die Tiefe. »Wir sind die ganze Nacht gefahren und gefahren«, erinnert sich Hildegard Rauschenbach, »mein Vater sagte: ›Wir müssten doch schon längst auf der Nehrung sein!‹ Als dann der Morgen graute – dieses Bild werde ich nie in meinem Leben vergessen -, sah ich diese endlos lange Schlange von Wagen. Ich hörte dieses leise Knirschen der Räder im Schnee. Die Pferde schnaubten mit den Nüstern und ihr Atem vermischte sich mit der eisigen Winterluft. Dann ging die Sonne auf. Es war gespenstisch still. Nur das Schnauben der Pferde und die knirschenden Räder waren zu hören.« Hildegard Rauschenbach und ihre Eltern gelangten unbeschadet über das Eis des Frischen Haffs.

Für die Ostpreußin Irmela Ziegler aus Warschfelde im Kreis Elchniederung endete die nächtliche Flucht über das Eis mit einem Unglück. Sie lief neben dem Wagen ihrer Familie her, als ein jähes Krachen die 18-Jährige aufschreckte: Unmittelbar vor ihr sank der Wagen in Sekundenschnelle. Mutter, Vater und die sechs Geschwister schienen verloren. Doch ihrem Vater gelang es, vom Kutschbock abzuspringen und die Pferde am Zügel zu greifen. Mit letzter Kraft stemmten sich die Tiere mit den Vorderhufen auf die Kante des Eises und rissen den Wagen hoch. Irmela Ziegler sah ihre Mutter starr vor Schreck im Wagen sitzen – von ihr war keine Hilfe zu erwarten. Die junge Frau stellte sich auf die Eiskante, hielt sich mit einer Hand an den Pferden fest und griff mit der anderen Hand hinüber: Drei ihrer Geschwister krabbelten an der Mutter vorbei aus dem Wagen. Irmela riss sie, ohne zu zögern, zu sich. Dann aber rutschten die Pferde ab und der Wagen ging unter. Verzweifelt klammerten sich die vier Geschwister aneinander. Die Mutter und zwei weitere Geschwister hatte der Vater gerade noch aus dem sinkenden Wagen retten können. Doch für die jüngste Schwester, ein wenige Monate altes Baby, kam jede Hilfe zu spät. Die Kleine ertrank vor den Augen ihrer hilflosen Eltern.

Tag für Tag, von Januar bis März 1945, spielten sich auf dem Eis dramatische Szenen ab. Hitlerjugend- und Volkssturmeinheiten wurden abgestellt, um die Trecks auf dem Eis vor Angriffen der Sowjets zu beschützen. Ein aussichtsloser Auftrag: Auf der weiten Fläche bot der Flüchtlingsstrom den russischen Tieffliegern bei gutem Wetter ein unübersehbares Angriffsziel. Wahllos schössen die Bord-MGs der Flieger auf die Menschen, die mit ihren letzten Habseligkeiten das Haff überquerten. Fontänen spritzten hoch, wenn Bomben in das Eis einschlugen. Eis- und Granatsplitter prasselten auf die Flüchtlinge herab, die verzweifelt hinter ihren Fuhrwerken Deckung suchten. »Man hatte das Gefühl, man würde bei Gewitter fahren, so grollte und blitzte es um uns herum, Tag und Nacht«, erinnert sich Hannelore Thiele. Den Weg zur Nehrung säumten bald zerfetzte Körper und Pferdekadaver, deren Blut das Eis rot färbte. »Wir haben nichts weiter tun können, als am nächsten Morgen die Toten zu bergen«, erinnert sich Karl-Heinz Schuhmacher an seinen »Volkssturmeinsatz« auf dem Haff. »Das war wirklich ganz grausam. Alle hatten nur einen Wunsch: ›Raus, raus, raus!‹«

Wie ein dichter Waldstreifen am Horizont wirkte der kilometerlange Strom der Flüchtlingstrecks – Wagen an Wagen reihte sich auf dem Eis des Haffs. Wer die schmale Landzunge lebend erreichte, glaubte sich zunächst in Sicherheit und schöpfte wieder Hoffnung. Doch auch hier nahm das Elend kein Ende. Auf den engen Sandwegen drängten Wagen einander die Böschung hinab. Verletzt, von Kugeln getroffen, erschöpft und völlig unterkühlt blieben zahllose Flüchtlinge am Straßenrand liegen, vor allem Alte und Kinder – die Schwächsten der Schwachen. Wie Lemminge schoben sich die Menschen die Nehrungsstraße entlang, vorbei an Leichen, zerschmetterten Wagen und Bergen von Gepäck. Einige scherten aus dem Strom aus und unterbrachen die qualvolle Reise, um sich von den Strapazen der Haffüberquerung zu erholen.

Die Trecks sind meistens nachts übers Haff gefahren, weil sie am Tag beschossen wurden. Da, wo Bomben Löcher ins Eis geschlagen hatten, stand immer jemand und leitete die Wagen um das Loch herum. Tote Pferde, Hausrat und auch tote Menschen schwammen in den Löchern.
Heinz Grönling, damals vierzehn Jahre alt

Auch die Familie von Irmela Ziegler machte auf der Nehrung Halt. Trotz drohender Tieffliegerangriffe trieb es den Vater an diesem Morgen nach der Tragödie noch einmal auf das Haff hinaus, um sein totes Kind aus dem Wasser zu bergen. Als er wieder unversehrt zurückkehrte, schaufelte die Familie schweigend ein kleines Grab im Sand, rollte den Säugling in einen Teppich und bestattete ihn. »Ich heulte wie ein Schlosshund«, schildert Irmela Ziegler die traurige Szene, »aber meine Mutter war völlig erstarrt. Sie hat das lange, lange nicht verarbeiten können.«

Nur wenige Monate zuvor schien der Krieg noch weit entfernt. Über den wogenden Kornfeldern lag die drückende Hitze des Hochsommers, auf den weiten Feldern und Wiesen standen Pferde und Rinder, die Bauern bereiteten die Ernte vor: Ostpreußen, die »Kornkammer Deutschlands«, wirkte weitab von allen Fronten wie eine Insel des Friedens. »Wir hatten eine sehr beschauliche Zeit im Krieg«, erinnert sich der Schriftsteller Arno Surminski, der in Jäglack im Kreis Rastenburg aufwuchs. »Jahrelang herrschte relativer Frieden. Man hörte vom Krieg nur durch die Urlauber von der Front oder durch Gefallenenmeldungen.« Während im »Reich« schon Hunderttausende von Bombenopfern zu beklagen waren und Städte wie Lübeck, Köln und Hamburg bereits in Schutt und Asche lagen, fühlten sich die Menschen in Ostpreußen vor alliierten Luftangriffen weitgehend sicher. Die Propaganda des Hitlerregimes hatte ihnen weisgemacht, keinem britischen Bomber würde es je gelingen, die weite Strecke bis Ostpreußen zurückzulegen. So trafen aus dem Westen immer öfter voll besetzte Züge ein: Mit der »Kinderlandverschickung« wurden seit 1941 Kinder aus gefährdeten Ballungsgebieten, vor allem aus Berlin, evakuiert. Das Land des Bernsteins, der dunklen Wälder und kristallenen Seen, des hohen Himmels und der vielen Störche schien wie geschaffen als Zufluchtsort für ausgebombte Reichsbewohner. Die ständig zurückweichende Ostfront beeinträchtigte das Sicherheitsgefühl der Zivilbevölkerung wenig, spielten sich die Kampfhandlungen doch noch immer nicht auf deutschem Boden ab.

Es war eine grauenvolle Fahrt: Ich hatte meine beiden kleinen Kinder fest im Arm, weil ich mir sagte, wenn wir getroffen werden würden, dann hoffentlich alle.
Stephanie Lingk, flüchtete über das Haff

Dass sich jenseits von Memel und Weichsel eine Katastrophe anbahnte, ahnte im Spätsommer 1944 kaum jemand.

Dabei hatte der Untergang Ostpreußens bereits am 22. Juni 1944 begonnen. Am dritten Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion eröffnete die Rote Armee nach stundenlangem Trommelfeuer ihre Sommeroffensive. Die deutsche Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall Ernst Busch setzte sich zu diesem Zeitpunkt nur noch aus rund 500 000 Mann zusammen. Vergeblich hatten die Oberbefehlshaber Hitler darum gebeten, den fast eintausend Kilometer langen Balkon, den die Front weit nach Osten formte, aus strategischen Gründen zurückzunehmen. In blinder Verbissenheit klammerte sich der Kriegsherr an die fixe Idee, jedes einmal eroberte Fleckchen Boden »bis zum letzten Mann verteidigen zu müssen«. Den Bau von Befestigungslinien hinter der Front lehnte er ab. Stattdessen erklärte er Städte, die im Frontbereich lagen, zu »festen Plätzen« und befahl deren Verteidigung »bis zur letzten Patrone«. Es war ein Kriegsgebaren, dem inzwischen jeder Sinn für die Wirklichkeit fehlte. Schon lange verfügte die deutsche Wehrmacht nicht mehr über die Kräfte, die nötig gewesen wären, solche »Festungen« zu halten. Hitler hatte sämtliche Reserveeinheiten an die Invasionsfront im Westen abberufen. Als gut zwei Wochen nach der alliierten Landung in der Normandie 160 Divisionen der Roten Armee mit 2,2 Millionen Soldaten und über 6000 Schlachtfliegern im Osten losschlugen, vermochte die Heeresgruppe Mitte der russischen Übermacht nur wenig entgegenzusetzen. Der Angriff der Sowjets entwickelte sich für die deutschen Truppenverbände zu einer der verlustreichsten Schlachten des Krieges im Osten: Von 38 eingesetzten Divisionen wurden 25 vollständig vernichtet, rund 350 000 deutsche Soldaten verwundet oder getötet. Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte übertraf in seinen Auswirkungen sogar die Katastrophe von Stalingrad. Die Front war auf etwa 350 Kilometer aufgebrochen – der Weg zu Deutschlands Reichsgrenzen lag nun für die Rote Armee offen. In nur sechs Wochen stießen die Sowjets rund eintausend Kilometer weit nach Westen vor, durchmaßen den weiten Raum zwischen Dnjepr und Weichsel. Erst kurz vor der ostpreußischen Grenze kamen sie schließlich zum Stehen. Wer in grenznahen Gebieten wohnte, hörte in der Ferne schon das unheilvolle Grollen des Kanonendonners.

Es war immer gesagt worden: »Ihr braucht euch um nichts zu kümmern, keine Beunruhigung. Keinen Zentimeter ostpreußischen Bodens werden wir den Russen überlassen!«
Marion Gräfin Dönhoff

Ende Juli zogen die ersten Flüchtlingstrecks durch Ostpreußen. Die Menschen stammten überwiegend aus dem Baltikum und dem angrenzenden Memelland, an das sich ein sowjetischer Panzerkeil bedrohlich nah herangeschoben hatte. Hitler genehmigte die Evakuierung der Memelländer, bevor die Rote Armee vorstoßen konnte. Auf einen solchen Befehl wartete die ostpreußische Bevölkerung im Januar 1945 vergeblich. Ströme von Menschen, mit hoch beladenen Kastenwagen, Pferden und Vieh, suchten nun Aufnahme bei den ostpreußischen Bauern. Ihr Anblick verursachte nur bei den wenigsten böse Vorahnungen. Viele, vor allem die Flüchtlinge selbst, waren davon überzeugt, dass die deutsche Wehrmacht die Sowjets bald zurückschlagen würde und sie wieder nach Hause zurückkehren konnten. Die deutsche Propaganda hatte die meisten Menschen so indoktriniert, dass sie sich in trügerischer Sicherheit wiegten. Als es tatsächlich gelang, den russischen Einbruch in die deutschen Linien abzuriegeln und die Front vorübergehend zu stabilisieren, atmete das Land erleichtert auf. Die Memelländer beeilten sich, auf ihre Höfe zurückzukehren und die Ernte einzubringen. Und obwohl allerorts Stimmen laut wurden, dass ein weiterer Vorstoß der Russen zu befürchten sei, säten auch in Ostpreußen die Bauern Korn für das nächste Jahr aus. Die Menschen hielten an ihrem gewohnten Lebensrhythmus fest – und an der Hoffnung, dass der Spuk bald vorüber sei. Dass der Krieg gegen die Sowjetunion einmal zu seinem Ausgangspunkt zurückkehren könnte, schien für die meisten unvorstellbar.

Dabei war die Zeit, als Ostpreußen zum Aufmarschgebiet für den Feldzug im Osten geworden war, noch vielen im Gedächtnis. Tagelang waren im Juni 1941 auf den Chausseen Kolonnen der Wehrmacht vorbeigezogen. Die Kinder am Straßenrand hatten den Soldaten zugewunken, die fröhlich singend in Richtung Osten fuhren oder marschierten. In Scheunen, Turnhallen und Spritzenhäusern waren Soldaten einquartiert worden und hatten ausgelassen den bevorstehenden Vormarsch gefeiert. Im August 1944 wurde die Illusion von der friedlichen Idylle jäh zerstört. Zweihundert britische Bomber erreichten in der Nacht vom 26. auf den 27. August den Luftraum über Königsberg.

Es war eine unerhört fröhliche Situation damals. Ich wundere mich im Nachhinein, dass diese Soldaten so ganz arglos ihren Weg machten. Dass sie nicht geahnt haben, dass da irgendetwas Schlimmes passieren würde. Es gibt keinen größeren Kontrast als den zwischen dieser Fröhlichkeit im Juni ‘41 und dem bitteren Ende im Januar ‘45, als die Front zurückkehrte. Da sind Welten dazwischen.
Arno Surminski, Schriftsteller, Jahrgang 1934

Rund fünfhundert Tonnen Bomben gingen auf die Hauptstadt Ostpreußens nieder, 10 000 Menschen wurden über Nacht obdachlos, mehr als tausend fanden den Tod. Der zweite Angriff folgte nur wenige Tage später: Sechshundert Bomber der Royal Air Force warfen am 29. und 30. August vor allem über der Innenstadt ihre tödliche Fracht ab. Neue Brandstrahlbomben lösten verheerende Feuerstürme aus. Über 5000 Menschen starben in den Flammen, 150 000 Menschen verloren ihr Zuhause, die Zahl der Verletzten wurde nie ermittelt. Bei dem Angriff wurden über 50 Prozent der historischen Gebäude zerstört: die Fachwerkspeicher am Hafen, das Stadtschloss, die Universität, die Schlosskirche.

Auch für die Landbevölkerung Ostpreußens war der Luftangriff auf Königsberg ein einschneidendes Erlebnis. Der Feuerschein am Horizont erhellte nahe gelegene Dörfer und Gehöfte, feine Asche, Stanniolstreifen und Papierfetzen wurden durch die Luft geweht und gingen auf den Dächern und Straßen nieder. Auf den Feldern fanden die Bauern ausgebrannte Flugzeugwracks und Trümmer, die vom unerbittlichen Luftkampf über Königsberg zeugten. Die Menschen reagierten bestürzt und betroffen – es war die erste große Welle der Zerstörung in einer vom Krieg bis dahin kaum berührten Welt.

Nach dem Luftangriff auf Königsberg und dem raschen Vormarsch der Roten Armee schlug Wehrmachtsgeneral Friedrich Hoßbach, Oberbefehlshaber der 4. Armee, die »vorbeugende Evakuierung der Zivilbevölkerung aus den östlichen Gebieten Ostpreußens« vor. Doch seine Rufe verhallten ungehört. Vor allem Erich Koch, Gauleiter Ostpreußens und intimer Freund von Hitlers Sekretär Martin Bormann, lehnte den Vorschlag strikt ab und verkündete stattdessen, kein Russe werde jemals ostpreußischen Boden betreten. Als »Reichsverteidigungskommissar« brüstete sich Koch mit einer Schimäre, die Ostpreußen vor dem bevorstehenden Angriff der Sowjets schützen sollte: dem Bau des »Ostwalls«. Mit Schützen- und Panzergräben meinte er den Vormarsch der Roten Armee aufhalten zu können: »Ein Aufruf an die Parteigenossen, ein leidenschaftlicher Appell des Führers an den Idealismus und die Vaterlandsliebe des gesamten Volkes würde genügen, um in wenigen Tagen hunderttausende von Freiwilligen zu den Fahnen zu rufen und einen Damm im Osten aufzurichten.« Doch weniger freiwillig als unter Androhung drakonischer Strafmaßnahmen wurden Zehntausende von ihren Arbeitsplätzen abgezogen, Männer und Frauen zum Schanzdienst verpflichtet. Mit einem wahren Massenaufgebot von Menschen, Pferden und Wagen trieb Koch den Stellungsbau voran. Theo Nicolai nahm als 16-Jähriger an der Schanzaktion teil: »Wir haben geschuftet und malocht von früh bis spät. Das war richtige Sklavenarbeit. Jeden Abend musste ein Abschnitt fertig sein, sonst konnte man nicht in sein Quartier zurück.«

Ich kann mich erinnern, dass eine Frau sagte: »Aber unser Führer wird doch nicht die Russen in unser schönes Ostpreußen hineinlassen!«, obwohl es sich schon abzeichnete. Aber wir haben bis zum Schluss noch gehofft. Es war unvorstellbar, einfach wegzugehen.
Hildegard Rauschenbach, damals 18 Jahre alt

Dass der Bau des »Erich-Koch-Walls«, wie er im Volksmund bald genannt wurde, in die Erntezeit fiel und die deutsche Wehrmacht nun Kommandos stellen musste, um das Korn einzubringen, störte den Gauleiter wenig. »Ohne Partei gibt es den Frontgau Ostpreußen nicht. Nur die Partei kann sich herausnehmen, Menschenmassen zu fuhren. Innerhalb von drei Stunden nach Erhalt des Befehls standen die ersten Kolonnen abmarschbereit«, erklärte Koch triumphierend. Damit bezog er klar Stellung gegen die militärische Führung.

Zwar wurde der Verlauf der »Ostpreußenschutzstellung« von den Festungsstäben des Heeres festgelegt, doch die Einzelausführung lag in den Händen der Partei – und somit in den Händen Kochs. Als Generaloberst Georg-Hans Reinhardt Verteidigungslinien im Landesinneren statt in grenznahen Gebieten forderte, bot ihm der Gauleiter die Stirn und schmetterte sein Ansinnen als Defätismus ab. Koch nahm sich überdies heraus, in die Rüstungsproduktion des Landes einzugreifen, um sich ein eigenes Waffenlager anzulegen. Und Hitler ließ ihn gewähren. Mit der Errichtung des »Ostwalls« war es dem Gauleiter endgültig gelungen, sich zum Herrscher über Ostpreußen zu erheben. Damit stand ein Mann an der Führungsspitze der Provinz, der für seine Kälte und Unmenschlichkeit bekannt war. Als Koch 1943 als Reichskommissar der von deutschen Truppen eroberten Ukraine eingesetzt wurde, ließ er an den Mitteln seiner Politik nicht den allergeringsten Zweifel aufkommen: »Wir sind die Herrenrasse, und wir müssen hart, aber gerecht regieren. Ich werde das Letzte aus diesem Land herauspressen. Ich bin nicht hierher gekommen, um Freude zu bringen. Die Bevölkerung muss arbeiten, arbeiten und wieder arbeiten. Wir sind bestimmt nicht hierher gekommen, um Manna zu verteilen. Wir sind hierhergekommen, um die Basis für den Sieg zu schaffen. Wir sind eine Herrenrasse. Wir müssen immer wieder daran denken, dass der niedrigste deutsche Arbeiter rassisch und biologisch tausendmal wertvoller ist als die Bevölkerung hier.« Zwangsarbeit, Hunger und Erschießungen kennzeichneten Kochs Regierungszeit. Der Gauleiter wusste nur zu gut, was geschehen würde, sollte die Rote Armee die Grenzen Deutschlands überschreiten. Drei Jahre lang hatten die Menschen in der Sowjetunion unter deutscher Gewaltherrschaft gelitten. Unzählige russische Soldaten waren gefallen oder in Gefangenschaft geraten, Zivilisten getötet, Städte und Dörfer zerstört worden. Immer wieder hatte die deutsche Propaganda die »jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung« angeprangert, immer wieder hatte sie das Zerrbild vom russischen »Untermenschen« gezeichnet. Hass hatte Hass erzeugt.

Jetzt, im Spätsommer 1944, stand die Rote Armee vor den Grenzen Ostpreußens. Die Soldaten waren auf ihrem Weg durch das von Deutschen verwüstete Russland gezogen, hatten Orte gesehen, die Görings und Himmlers Befehlen von der »verbrannten Erde« zum Opfer gefallen waren. Der Vormarsch ihrer Truppen hatte die unmenschlichsten Verbrechen ans Licht gebracht. Schon waren Meldungen von Vernichtungslagern, in denen das NS-Regime einen perfekt organisierten Massenmord betrieb, an die Weltöffentlichkeit gelangt. Die Hetzparolen der russischen Propaganda fielen nun auf fruchtbaren Boden.

Ilja Ehrenburg, Schriftsteller und Journalist, zählte zu den populärsten Figuren der sowjetischen Kriegspresse. Mitte der dreißiger Jahre war er durch seine Reportagen über den spanischen Bürgerkrieg bekannt geworden. Seit Beginn des »Unternehmens Barbarossa« war er zur Berühmtheit avanciert. Seine Artikel wurden in hunderten von Frontzeitungen abgedruckt und von unzähligen Soldaten der Roten Armee verschlungen. »Katjuschas« – »Stalinorgeln« nannte man seine Aufsätze, mit denen er in der Prawda und dem Roten Stern gegen die Deutschen, die »Fritzen«, hetzte. In seinen zu Beginn der sechziger Jahre verfassten Memoiren bekannte Ehrenburg: »Ich erkannte es als meine Pflicht, das wahre Gesicht des faschistischen Soldaten zu zeigen, der mit einem erstklassigen Füllfederhalter in ein Tagebuchheft blutrünstigen, abergläubischen Unsinn über seine rassische Überlegenheit eintrug; Dinge, die so schamlos und barbarisch sind, dass sie selbst einen Kannibalen in Verlegenheit gebracht hätten. Ich musste unsere Krieger daran erinnern, dass es sinnlos war, auf die Klassensolidarität der deutschen Arbeiter, auf eventuelle Gewissensregungen bei Hitlers Soldaten zu rechnen, dass jetzt nicht die Zeit sei, in der attackierenden feindlichen Armee ›die guten Deutschem herauszufinden und dabei unsere Städte und Dörfer der Vernichtung preiszugeben. Ich schrieb: ›Töte den Deutschen!«

Gauleiter Koch verbot jede Flucht und wollte damit das sichere Gefühl vermitteln, dass die Russen nicht weiterkommen würden. Die Parole lautete: »Jeder Quadratmeter Heimatboden wird verteidigt.« Dass er den »Ostwall« hat bauen lassen, war – militärisch gesehen – völliger Unsinn. Hunderte von Frauen und Jugendlichen und alten Männern mussten im Herbst 1944 Panzergräben durch ganz Ostpreußen ziehen. Die haben hinterher gar nichts genützt.
Winfried Hinz, Jahrgang 1927

Wie sehr dieser von fanatischem Hass geprägte Journalist die russischen Frontsoldaten beeinflusste, bezeugt Wladimir Korobuschin, der 1944 mit seiner Einheit vor den Grenzen Ostpreußens stand: »Der Krieg war grausam und Patriotismus bei unseren Soldaten weit verbreitet. Ehrenburg hatte großen Einfluss auf uns. Seine patriotischen Artikel riefen wöchentlich zum Hass und zum Töten auf. Aber auch ich hatte zerstörte Städte gesehen, ausgebrannte Dörfer, getötete Zivilisten. Und ich hatte viel über die nach Deutschland in Arbeitslager verschleppten Russen gehört.« Während die parteiamtliche Propaganda anfänglich noch zwischen der Naziführung und der deutschen Bevölkerung unterschied, reduzierte Ehrenburg in seinen Artikeln die Deutschen auf ein Volk von Barbaren und Verbrechern. Moskau ließ Ehrenburg gewähren. Schnell hatte die Partei erkannt, dass seine Artikel für die tägliche Stimmungsmache an der Front nur von Vorteil waren. Ehrenburgs Stil wurde schließlich vom Kriegsrat der Front in einem Aufruf an die Soldaten der Roten Armee übernommen: »Merke dir, Soldat! Dort in Deutschland versteckt sich der Deutsche, der dein Kind gemordet, deine Frau, Braut und Schwester vergewaltigt, deine Mutter, deinen Vater erschossen, deinen Herd niedergebrannt hat. Geh mit unauslöschlichem Hass gegen den Feind vor! Deine heilige Pflicht ist es, um der Gerechtigkeit willen und im Namen des Andenkens an die von den faschistischen Henkern Hingemordeten, in die Höhle der Bestie zu gehen und die faschistischen Verbrecher zu bestrafen. Das Blut unserer im Kampf gefallenen Kameraden, die Qualen der Gemordeten, das Stöhnen der lebendig Begrabenen, die unstillbaren Tränen der Mütter rufen euch zu schonungsloser Rache auf.« Einen Tag nach dem Erscheinen dieses Aufrufs, am 16. Oktober 1944, begann der russische Vorstoß nach Ostpreußen.

Es genügt nicht, die Deutschen nach Westen zu treiben. Die Deutschen müssen ins Grab gejagt werden. Gewiss ist ein geschlagener Fritz besser als ein unverschämter. Von allen Fritzen aber sind die toten am besten.
Krasnaja Swesda, sowjetische Soldatenzeitung, 24. Oktober 1944

Von Mitte August bis in den Oktober hinein war es an der Front ruhig geworden. Die Heeresdivisionen hatten die Gefechtspause genutzt, ihre Stellungen zu verstärken und auszubauen, um für den erwarteten Angriff der Sowjets gerüstet zu sein. In dieser Zeit hätte man auch die Bewohner der bedrohten Gebiete in Sicherheit bringen können. Doch war es in diesem Punkt zwischen der Gauleitung und der Heeresgruppe zu äußerst heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Hitler hatte sich strikt geweigert, Ostpreußen zum Operationsgebiet zu erklären. Damit war der Heeresgruppe die Befehlsbefugnis auch über den zivilen Bereich entzogen. Erich Koch verfügte als Gauleiter und »Reichsverteidigungskommissar« bis zur Front über die vollziehende Gewalt und bestimmte damit über Leben und Tod der ostpreußischen Bevölkerung. Obwohl der Gauleiter die bevorstehende Gefahr kannte, veranlasste er keinerlei Maßnahmen zur Räumung der frontnahen Gebiete. Stattdessen verkündete er Parolen vom »Endsieg« und verfolgte mit drastischen Mitteln jene, die daran Zweifel erkennen ließen. Landräte, Kreisbauernleiter und Bürgermeister erhielten die strikte Anweisung, jede Fluchtvorbereitung sofort zu melden. Als Mitte Oktober 1944 die Rote Armee ihre Herbstoffensive begann, war in Ostpreußen so gut wie niemand darauf vorbereitet.

Wir haben in den Zeitungen gelesen, was die Deutschen auf sowjetischem Boden angerichtet hatten. Sie hatten das Volk misshandelt, unschuldige Menschen vernichtet, massenweise. Meine Mutter, eine alte, kranke Frau, wurde direkt ins Ghetto umgesiedelt, wo sie auch starb.
Moissej E. Barwinskij, damals Soldat der Roten Armee

Der Angriff erfolgte frontal von Osten in Richtung Königsberg – für die deutsche Heeresgruppe völlig unerwartet. Da die Front der 4. Armee in einem weiten Bogen nach Osten vorsprang, hatte man damit gerechnet, dass die Sowjets einen Zangenangriff versuchen würden. Nun stürmten sie mit vielfacher Übermacht gegen die deutschen Stellungen. Artilleriefeuer bislang unbekannter Stärke verwandelten das ostpreußische Grenzgebiet in eine Feuerhölle. Das dumpfe Grollen der Front erschütterte die ganze Provinz und versetzte die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Zum ersten Mal in der Geschichte jenes Krieges, den Hitler im Namen des deutschen Volkes entfesselt hatte, rollten russische Panzer auf deutschem Boden. Obwohl die sowjetischen Befehlshaber wegen des Schutzwalls zunächst Zweifel am Erfolg der Operation angemeldet hatten, war es ihnen nach wenigen Tagen gelungen, fünf Kilometer tief in ostpreußisches Gebiet vorzudringen.

Der sowjetische Stoßkeil teilte sich in drei Richtungen auf. Der mittlere, auf den Ort Nemmersdorf zielende Vorstoß war der erfolgreichste. Für die Dorfbewohner der kleinen Gemeinde brachte er Schrecken, Leid und Tod. Am 21. Oktober drangen russische Soldaten in ihre Häuser und Höfe ein. Als deutsche Einheiten das Dorf zwei Tage später zurückeroberten, bot sich ihnen ein grausames Bild: Alle, die Nemmersdorf nicht rechtzeitig verlassen hatten, waren brutal ermordet worden. Die grausame Bilanz der ersten Konfrontation russischer Kampfverbände mit deutscher Zivilbevölkerung lautete: 26 Tote, unter ihnen Frauen, Kinder und Alte.

Gnade gibt es nicht – für niemanden, wie es auch keine Gnade für uns gegeben hat. Es ist unnötig, von den Soldaten der Roten Armee zu fordern, dass Gnade geübt wird. Sie lodern vor Hass und Rachsucht. Das Land der Faschisten muss zur Wüste werden, wie auch unser Land, das sie verwüstet haben.
Appell von General Iwan D. Tschernjachowskij am Vorabend des Angriffs auf Ostpreußen

Sofort lief Goebbels’ Propagandamaschinerie auf Hochtouren. Deutsche wie ausländische Zeitungen berichteten wenig später vom »Massaker in Nemmersdorf« und sparten dabei nicht an Details: »vergewaltigte Frauen und Kinder«, »brutal hingerichtete Greise«. Die deutsche Wochenschau brachte Bilder, die sich für immer in das kollektive Gedächtnis der entsetzten Kinobesucher schreiben sollten. Der Name des kleinen, einst friedlichen Dorfes am Flüsschen Angerapp ging als Fanal des Schreckens in die Geschichte ein. Auch heute noch verbinden sich mit ihm für viele Ostpreußen psychische und physische Traumata. »Über Nemmersdorf kann man nicht sprechen«, lautet die Reaktion vieler Zeitgenossen. Heute wie damals ist Nemmersdorf ein Fixpunkt der historischen Diskussion. Die 1951 vom Bundesministerium für Vertriebene in Auftrag gegebene »Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa« spricht im Zusammenhang mit Nemmersdorf von »grausamen Exzessen«, während Die Zeit 1992 fast kühl bilanziert: »Im Verhältnis zur Katastrophe des Sowjetreichs, zu den Dutzenden von Millionen Toten, ist ›Nemmersdorf‹ 1944 ein winziger Punkt im All.« Was also macht Nemmersdorf bis heute zum Gegenstand zahlreicher, meist emotionsgeladener Debatten? Was lässt auch heute noch, fast sechzig Jahre nach dem Überfall, Menschen »Rache für Nemmersdorf« fordern, wie es jüngst an einer Häuserwand in der früheren ostpreußischen Grenzstadt Tilsit zu lesen war? Hartnäckig und allzu oft ungeprüft halten sich im Zusammenhang mit Nemmersdorf Berichte über beispiellose Verbrechen – Vergewaltigungen, Mord und Kreuzigungen. Der grausame Tod von 26 wehrlosen Zivilisten ist unbestritten, doch zeichnen bislang unveröffentlichte Dokumente der Geheimen Feldpolizei, Aussagen von Goebbels’ engsten Mitarbeitern und der einzigen Überlebenden von Nemmersdorf heute ein differenzierteres Bild. Was geschah wirklich in jenen Tagen im Oktober 1944 in Nemmersdorf, dem heutigen Majakowskoje?

Es war damals noch alles auf den »Endsieg« programmiert. Jedenfalls lauteten so die offiziellen Parolen der Partei. Hätte man die Zivilbevölkerung evakuiert, wäre dies ein Beweis dafür gewesen, dass man an den »Endsieg« nicht mehr geglaubt hätte. Und das wollte man auf alle Fälle verhindern.
Hanns-Joachim Paris, Kriegsberichterstatter

Ein Rekonstruktionsversuch: Nemmersdorf gehörte als eines von sechs Kirchdörfern zum Landkreis Gumbinnen und bildete eine Art Zentrum im Südwesten. Das Dorf zählte rund 650 Einwohner, besaß einige Handwerksbetriebe und Gutshöfe, die die wirtschaftliche Existenz der kleinen Gemeinde bestimmten. Ein ruhiges und beschauliches Leben, an das sich Gerda Meczulat, die einzige heute noch lebende Augenzeugin, nicht ohne Wehmut erinnert: »Unser Ort war wunderschön gelegen. Das Flüsschen Angerapp schlängelte sich hindurch und es gab einen kleinen Birkenwald, in dem wir als Kinder immer spielten.«

Gerda Meczulat, zum Zeitpunkt des Überfalls zwanzig Jahre alt, kümmerte sich damals um ihren Vater, nachdem die Mutter früh gestorben war, und führte den gemeinsamen Haushalt. In ihre bis dahin friedliche Welt drang Mitte Oktober 1944 der schwere Geschützdonner der herannahenden Front. Die Post stellte den Dienst ein, immer häufiger wurde Nemmersdorf von russischen Tieffliegern angegriffen. Etliche Dorfbewohner trafen heimlich Vorkehrungen zur Flucht. Einige hatten bereits Familienmitglieder unauffällig zu Verwandten »ins Reich« geschickt und so in vermeintliche Sicherheit gebracht. Am Freitag, dem 20. Oktober, rumpelten Flüchtlingstrecks, die aus den weiter östlich liegenden Nachbardörfern aufgebrochen waren, über das Kopfsteinpflaster der Dorfstraße. Obwohl der russische Sturm nur noch neun Kilometer von Nemmersdorf entfernt war, gab es noch immer keinen Räumungsbefehl für die Gemeinde. Besorgt suchten die Dorfbewohner bei ihrem Bürgermeister Rat, der schließlich ein salomonisches Urteil fällte: Sollte die Rote Armee nicht bis zum nächsten Morgen das Dorf überrannt haben, würde er eine Flucht auch ohne offiziellen Evakuierungsbefehl genehmigen.

Die Dorfbewohner beeilten sich, ihre Habe zusammenzupacken und sich mit Proviant zu versorgen. Im nun herrschenden Durcheinander fielen jene kaum auf, die sich dem allgemeinen Aufbruch nicht anschlossen – darunter Gerda Meczulat und ihr Vater. »Mein Vater sagte: ›Die Russen sind doch auch nur Menschen.‹ Und wo sollten wir denn auch hin?« So blieben vor allem ältere Menschen und jene, denen es nicht gelungen war, ein geeignetes Transportmittel zu organisieren, in Nemmersdorf zurück. Die ganze Nacht über verstopfte der endlose Flüchtlingsstrom mit Fuhrwerken und Handkarren die Dorfstraße in Richtung Westen. Als der Geschützdonner gegen Morgen immer lauter wurde und überdies Maschinengewehrfeuer zu hören war, entschlossen sich auch die letzten Zögerer zur Flucht. Gerda Meczulat und ihr Vater, der an diesem Tag 71 Jahre alt wurde, suchten hingegen in einem für die Dorfbewohner am Kanal eingerichteten Unterstand Schutz: in einer großen Tunnelröhre, die mit Stroh ausgelegt und an den Seiten mit Bänken versehen worden war. Zwölf weitere Menschen flüchteten sich wie sie dorthin, darunter auch vier Kinder.

Danzig meldet, dass die in jämmerlichem Zustand eintreffenden Flüchtlinge aus Ostpreußen Gauleiter Koch die schwersten Vorwürfe machen. Zum Teil seien die ostpreußischen Flüchtlinge erst von den zurückgehenden Soldaten darauf aufmerksam gemacht worden, dass ihnen die Bolschewisten auf dem Fuße folgten.
Aus dem Tätigkeitsbericht der Abteilung II des Propagandaministeriums vom 25. Oktober 1944

Während die Dorfbewohner im Bunker um ihr Leben bangten, entbrannte über ihnen ein unnachgiebiger und verlustreicher Stellungskampf. Gustav Kretschmer, Soldat des 2. Fallschirmjägerregiments, das zur Verstärkung herbeigerufen worden war, erinnert sich an seinen Einsatz: »Am 21. Oktober ging der Angriff los. Im dicksten Nebel, im Morgengrauen, unter Bedingungen also, unter denen normalerweise niemand angreift. Wegen des Nebels konnten auch wir nicht sehen, wo die Russen ihre Stellungen hatten. Dies hatte zur Folge, dass von den 170 Mann, mit denen wir angetreten waren, innerhalb einer halben Stunde nur noch 22 Mann übrig waren.«

Während einer der Gefechtspausen wagte es Vater Meczulat, den Unterstand noch einmal zu verlassen, um in sein Haus zurückzukehren: »Es war unheimlich still draußen, kein Schusswechsel war mehr zu hören«, erzählt Gerda Meczulat. »Mein Vater sagte: ›Ich gehe jetzt und koche uns Kaffee.‹ Wir hatten noch nicht einmal gefrühstückt und er brauchte ja nur die Straße zu überqueren. Nach einer ganzen Weile kam er tatsächlich mit frischem Kaffee und Schnitten wieder und sagte: ›Das Dorf ist voller Russen.‹« Die Sowjets hatten den alten Mann nach Waffen durchsucht und wieder laufen lassen. Immer noch hofften die Menschen in der Tunnelröhre, mit heiler Haut davonzukommen.

Als am späten Nachmittag die deutsche Luftwaffe einen schweren Angriff flog, waren die Rotarmisten selbst gezwungen, Schutz zu suchen – und drangen schließlich in den Bunker ein. Die Sowjets ließen die überraschten Dorfbewohner zunächst unbehelligt. Einige spielten sogar mit den anwesenden Kindern.

In der bereits genannten Ortschaft Nemmersdorf, die zwölf Kilometer westlich Gumbinnen liegt, wurden insgesamt 26 Leichen aufgefunden, darunter zwölf Frauen, neun Männer und fünf Kinder.
Aus dem Bericht des Völkischen Beobachters am 28. Oktober 1944

Erst gegen Abend kam es zu einem verhängnisvollen Zwischenfall: Im Bunker erschien ein höherer Offizier und begann mit den Soldaten eine heftige Auseinandersetzung. Schließlich befahl er den Zivilisten, den Unterstand zu verlassen. Gerda Meczulat erinnert sich an die schrecklichsten Minuten ihres Lebens: »Der Offizier blieb vorne am Eingang stehen. Und dann hieß es immer: ›Paschol, paschol!‹ Als wir heraustraten, stand der ganze Abhang zu beiden Seiten des Ausgangs voller Russen – mit Maschinenpistolen. Ich hörte Schüsse und dann nur noch das Röcheln der Erschossenen.« Gerda Meczulat, die seit ihrem siebten Lebensjahr an Kinderlähmung leidet, verließ den Unterstand als Letzte. Dabei stolperte sie und fiel. Nun trat der russische Offizier von hinten an sie heran, legte die Pistole an ihren Kopf und schoss. Die Kugel zerfetzte ihren Kiefer und trat über dem Jochbein wieder aus. Wie durch ein Wunder überlebte die junge Frau – als Einzige.

Als die Deutschen am nächsten Morgen Nemmersdorf zurückeroberten, fanden sie überall in den Häusern Tote vor. In einem Haus entdeckten sie eine alte Frau auf ihrem Sofa, eine Decke über den Knien. Die Rotarmisten hatten sie mit einem Kopfschuss getötet. Ein älteres Ehepaar hatte versucht, sich hinter einer Tür zu verstecken – vergeblich. Auch sie waren von den eindringenden Rotarmisten erschossen worden. Ein junges Mädchen fanden die Soldaten aufrecht sitzend, gegen eine Wand gelehnt, ihr Kopf war gespalten. An der Brücke über die Angerapp lagen drei weitere Leichen: eine ältere Frau neben einer Mutter mit Kleinkind. Der Schnuller des Kindes lag im Staub der Straße. Die deutschen Soldaten reagierten entsetzt auf die Brutalität, mit der die Rote Armee gewütet hatte. Viele schworen Rache für die Toten von Nemmersdorf und beklagten die sinnlosen Morde an der wehrlosen Zivilbevölkerung. Trotz aller Empörung kam bei einigen der deutschen Soldaten jedoch auch das Gefühl von Schuld auf: »Wir sind erst zweitausend Kilometer weit nach Russland vormarschiert und dann zweitausend Kilometer wieder zurück. Da ist nichts ganz geblieben«, bekennt der Soldat Helmut Hoffmann heute im Rückblick und resümiert leise: »Wer Wind sät, wird Sturm ernten.«

Zu unserem Entsetzen tauchten an den Hängen der Angerapp an diesem nebligen Oktobermorgen die ersten Russen auf. Sie machten zunächst einen abwartenden Eindruck, pirschten sich dann aber näher, und ehe wir’s uns versahen, standen sie vor uns. Sie nahmen den Flüchtlingen im Vorbeigehen die Uhren und den Schmuck ab.
Marianne Stumpenhorst, als Flüchtling bei Nemmersdorf von den Sowjets eingeholt

Die deutsche Propaganda reagierte sofort. Schon wenige Tage nach der Rückeroberung von Nemmersdorf erschienen Reporter, darunter auch Journalisten aus neutralen Ländern wie Schweden und der Schweiz, aber auch französische Berichterstatter sowie Kameraleute und Fotografen, um am Tatort erste Aufnahmen zu machen. Joseph Goebbels hatte begriffen, dass aus dem Überfall auf Nemmersdorf Kapital zu schlagen war. Fast schien es, als habe er auf einen solchen Anlass gewartet. Nicht Verführung, sondern Angst sollte den »fanatischen Widerstand« der Bevölkerung wecken. Nur wer sich, seine Familie, Haus und Hof bedroht sehe, mobilisiere letzte Kräfte, ließ Goebbels verlauten. In seinem Tagebuch notierte er am 26. Oktober 1944: »Göring ruft mich abends an und teilt mir Einzelheiten über die von den Bolschewisten in den von uns wiedereroberten ostpreußischen Dörfern und Städten angerichteten Gräuel mit. Diese Gräuel sind in der Tat furchtbar. Ich werde sie zum Anlass einer großen Presseaufklärung nehmen, damit auch die letzten harmlosen Zeitbetrachter überzeugt werden, was das deutsche Volk zu erwarten hat, wenn der Bolschewismus tatsächlich vom Reich Besitz ergreift.«

Goebbels »Presseaufklärung« war weit entfernt von einer wahrheitsgemäßen Darstellung, sie war eine Verzerrung der Fakten und eine schamlose Inszenierung der Geschehnisse. Sein persönlicher Referent, Wilfred von Oven, bekennt heute ungeniert: »Goebbels hat auf die sowjetischen Gräuel sehr heftig reagiert und immer wieder Weisungen gegeben, diese in der Öffentlichkeit stärker in den Vordergrund zu rücken. Er hat schließlich auch dazu aufgerufen, die ohne Zweifel geschehenen Gräuel noch doller hervorzuheben. In jeder Pressekonferenz wurde darauf hingewiesen, bei der Berichterstattung an Details nicht zu sparen.« Goebbels’ Weisungen wurden befolgt. Am 27. Oktober titelte der Völkische Beobachter: »Das Wüten der sowjetischen Bestien – Furchtbare Verbrechen in Nemmersdorf« und berichtete ausführlich von Mord, Brandschatzung und Vergewaltigung. Auch die ausländische Presse, darunter das norwegische Blatt Fritt Folk und der in der Schweiz erscheinende Courrier de Genève, brachte Berichte über das sowjetische Massaker. Die Fotos, heute im Bundesarchiv Koblenz aufbewahrt, sollten die abscheulichen Verbrechen der Roten Armee belegen.

Hanns-Joachim Paris, der damals als Kriegsberichterstatter vor Ort war, erinnert sich: »Man hatte mit dem Aufräumen gewartet, bis die ausländischen, neutralen Journalisten gekommen waren und alles dokumentiert hatten.« Auf einem Acker liegend, wurden die Toten »öffentlichkeitswirksam« präsentiert: die Frauen mit entblößtem Unterleib, daneben tote Kinder und Greise. Helmut Hoffmann, der das Dorf als einer der ersten Soldaten nach der Rückeroberung betreten hatte, ist überzeugt: »So wie sie dalagen, so wie sie fotografiert wurden, so hatte man sie im Nachhinein hingelegt. Man hatte ihnen die Kleider hochgeschoben und die Schlüpfer heruntergezogen.« Auch Gerda Meczulat, die das brutale Vorgehen der Rotarmisten am eigenen Leib erfahren musste, weiß nichts Gegenteiliges zu berichten. Die Russen hätten sich, bis der Offizier den Befehl zum Erschießen gab, ganz ruhig verhalten. Zu Belästigungen oder gar Vergewaltigungen sei es nicht gekommen.

Mord – aber keine Vergewaltigung? Angesichts 26 unschuldiger Opfer eines brutalen Verbrechens erscheint diese Frage absurd. Und doch entzündet sich daran eine hoch emotionale Debatte. Nemmersdorf ist für viele Ostpreußen ein immer noch unbewältigtes Kapitel ihrer Vergangenheit: Es steht für das schreckliche Leid, das die ostpreußische Bevölkerung erfahren und ertragen hat. Die Vorstellung, Nemmersdorf könnte sich als Trugbild der deutschen Propaganda erweisen, ist schmerzlich. Die Aussagen der Zeitzeugen legen jedoch nahe, dass an den Leichen nachträglich manipuliert wurde.

Wir haben ungefähr zwei Dutzend Tote zusammengetragen. Viele wiesen Einschüsse auf und hatten starke Verletzungen im Kopfbereich. Wir fanden auch Frauen verschiedener Altersgruppen, deren Kleidung um den Unterleib herum zerrissen war, zum Teil blutig. Ob es Vergewaltigungen waren oder nicht, konnten wir Soldaten nicht feststellen, weil wir keine Mediziner waren. Doch die Anzeichen dafür waren da.
Harry Thürk, damals Soldat, war in Nemmerdorf

Zwischen Rückeroberung und dem Auftauchen der Presse vor Ort lagen mindestens vier Tage – Zeit genug, um ein grausames Verbrechen noch grausamer zu gestalten. Ein bislang unveröffentlichtes Protokoll der Geheimen Feldpolizei vom 25. Oktober 1944, das bei Recherchen im Archiv des Auswärtigen Amts entdeckt wurde, bestärkt den Verdacht. Dort heißt es: »Außer dem GFP-Kommando waren eine Parteikommission, eine Kommission von der Sicherheitspolizei Tilsit und eine Kommission vom Kommando Nordost der SS-Standarte Kurt Eggers erschienen. Wie in Erfahrung gebracht wurde, ist am 24. Oktober 1944 der SS-Gruppenführer Prof. Dr. Gebhardt, Leibarzt des RF SS, am Tatort gewesen und soll ärztliche Untersuchungen getroffen haben.«

Was hatte die SS in Nemmersdorf zu suchen? Und vor allem: Mit welchem Auftrag war Heinrich Himmlers persönlicher Leibarzt, Prof. Dr. Karl Gebhardt, bereits am 24. Oktober 1944, also wenige Stunden nach der Rückeroberung, in die Kleinstadt nach Ostpreußen geeilt? Im Protokoll heißt es weiter: »Gemeinsam wurde der Friedhof aufgesucht, wo eine Anzahl von Leichen in einem noch offenen Grab vorgefunden wurde. Die Leichen wurden aus dem Grab entfernt.« Hat man die Leichen – die Ehre der Toten missachtend – danach für die Presse »präpariert«, um, wie Hanns-Joachim Paris vermutet, »mehr Wirkung zu erzielen« und »gegen die Sowjetunion Propaganda zu machen«? Die Tagebucheintragung des Propagandaministers vom 10. November 1944 klingt fast wie ein Geständnis: »Der Bericht der Reichspropagandaämter ist wieder einigermaßen entmutigend. Die Gräueltaten würden uns nicht mehr abgekauft. Insbesondere hätten die Nachrichten von Nemmersdorf nur einen Teil der Bevölkerung überzeugt.« Nemmersdorf – ein Lügengebilde der NS-Propaganda?

Die sich bis heute hartnäckig haltenden Berichte über Frauen, die die Rotarmisten bei lebendigem Leib an Scheunentore genagelt hätten, scheinen hingegen nicht dem erfindungsreichen Gehirn des Propagandaministers zu entstammen. Einige Zeitzeugen, so auch der Kriegsberichterstatter Hanns-Joachim Paris, bestätigen: »Ein grauenhaftes Bild: Junge Mädchen und Frauen waren nackt an die Scheunentore genagelt worden. Es war grausam und wirklich kaum vorstellbar.« Doch weder der Völkische Beobachter noch andere Presseorgane haben je davon berichtet. Hätte die deutsche Propaganda solche bestialischen Verbrechen verschwiegen? Helmut Hoffmann, einige Tage früher als Paris vor Ort, glaubt: »Wenn da geschrieben wurde, es sind Frauen gekreuzigt oder angenagelt worden, dann ist das ungeheurer Blödsinn.« Auch sein Kamerad Gustav Kretschmer hat die Kreuzigungen nicht mit eigenen Augen gesehen: »Mein Kommandeur hat mir später davon erzählt«, bekennt der um Glaubwürdigkeit bemühte Soldat. Erst 1953, fast zehn Jahre nach dem Überfall, gab Volkssturmmann Karl Potrek in der »Dokumentation der Vertreibung« zu Protokoll, er habe sechs unbekleidete, an Scheunentore genagelte Frauen gesehen. In den Wohnungen seien insgesamt 72 Frauen und Kinder tot aufgefunden worden. Legendenbildung oder Wahrheit? Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die »Dokumentation der Vertreibung« ihre Entstehung politischer Initiative verdankt und das Ministerium für Vertriebene nach Meinung des Historikers Matthias Beer »entsprechend der Zahl in einem Bericht enthaltenen Fälle wie etwa Mord, Totschlag oder Vergewaltigung honorierte«, ist auch bei Potreks Aussage Vorsicht geboten. Die Zahl der Todesopfer, die Potrek in seinem Bericht mit 72 angab, lässt vermuten, dass die Toten des Landkreises Gumbinnen, zu dem auch Nemmersdorf zählte, zusammengefasst wurden. Denn auch in Nachbargemeinden wie Alt-Wusterwitz und Tutteln war es zu Erschießungen – und Vergewaltigungen – gekommen.

Der Offizier blieb vorne am Eingang stehen. Und dann hieß es immer: »Paschol, paschol!« Ais wir heraustraten, stand der ganze Abhang voller Russen – mit Maschinenpistolen. Ich hörte Schüsse und dann nur noch das Röcheln der Erschossenen.
Gerda Meczulat, Überlebende von Nemmersdorf

Erfinden brauchten sie das Ganze nicht. Leichen mussten sie auch nicht von woanders her zu holen – die waren da. Man hatte ihnen die Leichen und das, was dort geschehen war, sozusagen auf dem Präsentierteller serviert. Dass sie es vermarktet haben, wie man heute sagt, darüber besteht kein Zweifel.
Harry Thürk, damals Soldat, zur deutschen Propaganda über Nemmersdorf