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Ich danke der Stiftung Kulturfonds für die Unterstützung der Arbeit an diesem Buch.

© Querverlag GmbH, Berlin 2001

Erste Auflage März 2001

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schrift­liche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag und grafische Realisierung von Sergio Vitale unter Verwendung einer Fotografie von Ashley/Gaze

ISBN 978-3-89656-604-1

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Querverlag GmbH, Akazienstraße 25, D-10823 Berlin

www.querverlag.de

Sie waren Zauberer. Sie sprachen magische Worte und schufen das Universum.

Für Elli LaBusch und Kyra

Prolog

Fragen Sie mich bloß nicht, wer ich bin.

Ich tanze in Schleiern. Das Rauschen meiner Stoffe soll ein Versprechen sein für Sie und das Klingeln meiner Reifen ein Eid und der Duft meines Haars ein ewiger Schwur. Glauben Sie nichts. Versuchen Sie nicht, mich zu erkennen.

Es gibt nichts Ehrliches außer der Sehnsucht danach.

Sagen Sie später nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Wenn Sie ein anständiges Buch lesen wollen, klappen Sie dieses jetzt wieder zu. Oder legen Sie Ihre Moral beiseite.

Dies ist die Geschichte von vier Menschen. Durch nichts miteinander verbunden als durch ein Geheimnis. Bei wem Sie beginnen, spielt keine Rolle. Machen Sie einfach einen Schritt. Es ist ein Tanz.

Ich tanze auch nackt vor Ihnen. Doch Sie werden geblendet zu Boden sehen, denn Wahrheit ist nackt. Ich umarme das Feuer. Ich stampfe mein Bild in die Glut und umtanze es mit feuchten Gliedern, aber Sie werden die Augen abwenden, denn Lüge ist nackt. Tanzen Sie mit mir, und schneiden Sie sich danach die Zunge heraus. Sie werden sündigen. Es gibt einen Wein, der be­rauscht wie kein anderer. Sie werden ein Wort kosten, das verboten ist.

Es lebt eine Frau, die Sie lieben werden wie keine andere, die Sie begehren sollen wie niemanden sonst, die Sie so vollständig besitzen wollen, daß sie unter Ihren Händen sterben muß. Sie weiß ein Wort, nach dem Sie sich verzehren.

Sie werden sie töten. Weil Sie wissen wollen. Weil Sie die Wahrheit wissen wollen.

Nachts steigt sie auf die Hänge und pflückt die Trauben. Sie greift in die Reben und wirft die Früchte in einen Bottich. Sie klettert nackt hinein und tanzt im Mondlicht, daß ihr der Saft rot bis zu den Schenkeln spritzt. Sie singt dazu, und trunken fließen die Töne aus ihrem Mund. Sie weiß ein Wort, so schwer getränkt, daß keiner es tragen kann. Nur sie. Sie aber trägt es mit einer Leichtigkeit, die Ihren Zorn nähren wird. Und Sie werden sie begehren, sollen sie begehren, müssen sie begehren wie keine andere. Sie tanzt eine Nacht lang und lacht dabei, und ihr Lachen ist heiß vom Fieber ihrer Glieder. Süß sinkt es in die Trauben. In den Tanz gebettet ist das Wort. Das Wort, das Ihnen fehlt.

Sie werden sie öffnen. Sie werden sie trinken. An ihrer Zunge werden Sie saugen, um das Wort zu schmecken. Geben Sie die Hoffnung auf. Versuchen Sie nicht, mich zu erkennen.

Sie werden sie töten, aber die Wahrheit werden Sie nie erfahren.

Kommen Sie. Ich werde für Sie tanzen.

Vielleicht bin ich das Lachen. Vielleicht bin ich das magische Wort. Unbedingt bin ich Tänzerin.

Also fragen Sie mich bloß nicht, wer ich bin.