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Herbert Dutzler

Die Liebe des Tanzschülers

Eine Kriminalgeschichte

Die Liebe des Tanzschülers

Sie tanzte mit mir. Ja, mit mir. Ich wagte nicht, sie fest an mich zu drücken, so wie es die dürre Tanzlehrerin mit ihrer schrillen Stimme ständig von uns verlangte, aber ich hielt ihre rechte Hand in meiner linken, hatte die rechte, schwitzende, auf ihren Rücken gelegt und berührte immer wieder ihre Hüften, ihre Oberschenkel. Um uns drehten sich in diesem scheußlichen Mehrzwecksaal, der mit den Brauntönen seiner Kunstholzoberflächen den guten Geschmack strapazierte, zahllose andere Paare, aber ich sah nur ihre langen, dunklen Haare, ihre Schulter mit der grünen Bluse darüber. „Seit – Schließen – Seit – Rück!“, kreischte die Tanzlehrerin. Ich konnte mich nicht auf die Schritte konzentrieren, geriet immer wieder aus dem Takt. Meine Hand auf ihrem Rücken brannte wie Feuer. Ich versuchte, sie ein wenig fester an mich zu drücken, doch ich spürte Widerstand. „Lass das“, sagte sie.

Nun liegst du in meinen Armen, ich sitze auf dem kühlen Erdboden, dein Kopf liegt an meiner Schulter, und ich streiche über deine Haare, drücke sie mit der Hand gegen mein Gesicht und atme ihren Duft ein. Es kann keinen schöneren Duft geben. Die Haare sind von deinem Blut verklebt, aber das macht nichts. Es ist dein Blut. Dein warmes Blut. Noch bist du ganz warm, und diese Stunden – oder sind es bloß Minuten? – muss ich genießen. Nur deine Nase ist schon kalt. Aber das ist ja nichts Besonderes, dein Näschen war sicher im letzten Winter auch oft eiskalt, und ich hätte es dir gerne gewärmt. Ich streiche dir sanft über den Rücken. Jede Rippe, jeden Wirbel spüre ich durch die dünne Bluse. Du hättest bei mir bleiben sollen, mich nicht einfach da stehen lassen sollen, dumm und mit hängenden Armen. Du hättest mir einfach schon früher vertrauen sollen. Denn jetzt musst du mir vertrauen, du kannst nicht anders. Ich werde dich in Sicherheit bringen, mich um dich kümmern. Immer. Bis ich selber sterbe. Vielleicht lege ich mich bald neben dich, um neben dir sanft einzuschlafen. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich bleibe.