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Herbert Dutzler

Heute kommt Erwin

Eine Kriminalgeschichte

Heute kommt Erwin

Der Erwin, der kommt heute. Der mit dem großen Schnauzer, weißt eh. Der mit den Mayrhofnern. Du weißt schon, mit der Geige. Du kennst doch das Lied: „Mit Schnurrbart, Hut und Geige“. Musst du doch kennen. Und ich allein da heroben. Ohne die Mama. Da kommen 100, 150 Leute. Wegen dem Erwin allein.

Was? Nein, die Mayrhofner, die kommen nicht mit. Er spielt allein. Aber der Erwin ist ja berühmt. Der Erwin ist der Einzige von denen, den wirklich jeder kennt. Wirst sehen, da kommen eine Menge Leute. Und ich – ganz allein. Ich hab keine Ahnung, wie sich das ausgehen soll. Wenn’s nur wegen den Getränken wäre, das würd ich schon hinkriegen. Aber die wollen ja auch noch was essen. Brettljause. Zillertaler Krapfen und so weiter. Die meisten, zumindest. Und ohne die Mama, wie stellst du dir das vor, dass das geht.

Du brauchst nicht glauben, dass das da heroben immer nur eine Gaudi ist. Da stehst du in der Früh auf und da schaust du nur auf den Gletscher hinüber, sonst siehst du nicht viel. Wenn du da zum ersten Mal heraufkommst, da kann schon sein, dass dir das gefällt, aber wenn du dir das 120 Tage im Jahr anschaust, dann kommt dir der Gletscher bei den Ohren heraus, das kann ich dir sagen. Und die depperten Bergsteiger, die kommen daher, ob sie um fünf Uhr in der Früh schon ein Frühstück haben können. Weil sie heute noch dahin oder dorthin wollen, auf den Gipfel dort oder über den Sattel da. Und die Mama natürlich: „Das ist ja kein Problem, der Walter, der macht Ihnen ein super Frühstück, da gibt es nichts.“ Natürlich. Der Walter, der macht das. Der Walter macht ja alles. Der kennt zwar nicht viel von der Welt, aber der macht den einen um fünf Uhr Früh schon ein Frühstück, und mit den anderen soll er sich noch bis Mitternacht unterhalten, weil es so eine Gaudi ist da bei uns heroben. Und singen und eine Tracht tragen, das soll er auch noch, der Walter: „Ziehst eh wieder die Tracht an, gell, Walter? Bist so fesch damit!“ Die Mama. Aber praktisch ist sie nicht, die Tracht. Schon gar nicht, wenn man von früh bis spät in der Küche steht.

Die Küche. Die schaut heute aus, da brauchst du gar nicht hineingehen. Wie ich das machen soll, mit dem Erwin, das kann ich mir noch gar nicht vorstellen. Walter, setz dich her zu uns. Sei ein bisserl gemütlich. Walter, was ist mit den drei Bier? Walter, trinkst einen Schnaps mit uns? Der Walter, verstehst du, der soll alles zugleich machen: „Hast die Zwiebeln fürs Gulasch schon geschnitten?“ Die Mama. Natürlich hat der Walter die Zwiebeln fürs Gulasch noch nicht geschnitten, weil der Walter 15 Mal Frühstück herrichten muss. „Brauchst nicht glauben, dass mir das lustig ist, dass ich nicht mehr so kann wie früher!“ Die Mama. Sie kann zwar nicht mehr so wie vor zehn Jahren, aber den Walter herumhetzen, das kann sie genauso wie früher.