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c) 1. Auflage 1997 VPM Verlagsunion Pabel Moewig KG, Rastatt

c) 2. Auflage 2001 Prof. Dr. P. Ziese

Herstellung: Books on Demand GmbH

ISBN 978-3-8448-8221-6

Vita

Geboren 1938 in Berlin. Medizinstudium in Berlin und München. Dort auch Facharztausbildung für Neurologie und Psychiatrie. Ausbildung auch zum Psychotherapeuten und Psychoanalytiker bis 1970, seit dieser Zeit in eigener psychotherapeutischer Praxis tätig. 1971 Habilitation für Psychiatrie und Psychotherapie an der medizinischen Fakultät der Technischen Universität München, dort bis 1983 gelehrt. 1974 bis 1978 Chefarzt einer psychotherapeutisch - psychosomatischen Klinik des Landes Berlin. Von 1979 bis 1988 Chefarzt verschiedener psychosomatischer Kliniken. Von 1979 bis 1986 Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Fachhochschule Köln. Seit 1988 Leiter des Instituts für Verhaltenstraining in Köln und weiterhin Tätigkeit in eigener psychotherapeutischer Praxis.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Angst ein dramatisches Geschehen

Ängste und Umgang mit Ängsten historisch betrachtet

Psychoanalytische Sicht

Verhaltenstherapeutische Sicht

Grenze zwischen neurotischer Krankheit und Beschwerlichkeit

Organo-dynamisches Schichtenmodell

Angst und Panik

Realangst

Gewissensangst

Vitalangst

Neurotische Angst

Existentielle Angst

Psychotische Angst

Angst

Panik

Störungen im motorischen Bereich

Vegetative Störungen

Bezug zur Umwelt

Wurzeln der Panik

Ursachen der Panik

Endogene Panik

Exogene Panik

Klärung des Begriffes Phobie

Formen der Phobie

Allgemein

Traumatische Neurose

Bewältigungsängste

Phobische Reaktionen

Phobien

Beispiele für Ängste und Phobien

Alfons

Annegret

Elfriede

Erwin

Eva

Franz

Karlchen

Tantchen

Amalie

Rosamunde

Dirk

Laslo

Elke

Volker

Ingeborg

Maggi

Umgang mit der Krankheit

Passive Position

Aktive Position

Wechselspiel zwischen regressivem Gefühl und rationaler Kontrolle

Zeitliches Auftreten, Dauer, Geschlechtsverteilung der Phobie

Ursachen

Schichtenmodell

Strukturmodell

Es

Über-Ich

Ich

Ich-Entwicklung

Ich-Eigenschaften

Abwehrmechanismen

Verleugnung

Projektion

Introjektion

Verdrängung

Reaktionsbildung

Regression

Rationalisierung

Ideologiebildung

Verschiebung

Konversion

Ungeschehen machen

Isolierung

Affektabwehr

Wendung gegen die eigene Person

Verkehrung ins Gegenteil

Identifikation mit dem Aggressor

Sublimierung

Strukturmodell in der Zusammenfassung

Konfliktfreie Sphäre der Psyche

Konfliktbehaftete Sphäre der Psyche

Übertragung

Abwehr

Phasen kindlicher Entwicklung

Typische phasenspezifische Konflikte

Kindliche Konflikte und Auslösesituationen

Erna

Christian

Folgen und Konsequenzen

Malignität

Grad der Angstintensität

Katrin

Harald

Elvira

Gerd

Hans

Zunehmende Anzahl der Angstauslöser

Antje

Gottfried

Anita

Clemens

Olaf

Wirkungen auf die eigene Person

Allgemeiner Rückzug

Spezifische Reduktion der Sozialkontakte

Vermeidungsverhalten und Bstrategien

Wirkungen auf die soziale Umwelt

Diagnostische Maßnahmen

Herangehen von Nichtfachleuten

Psychoanalytische Diagnostik

Bericht des Kranken

Lebensgeschichte

Familienanamnese

Eigenanamnese

Suchtanamnese

Gynäkologische Anamnese

Körperliche Untersuchung

Soziale Entwicklung

Herkunftsfamilie

Frühkindliche Entwicklung

Kindergarten

Schule

Familiäre Situation in der Kindheit

Schule und Beruf

Sexuelle Entwicklung

Biographische Anamnese von Eva

Bewältigungsansätze

Kontraphobisches Verhalten

Negative Suggestionen

Antiregressives Verhalten

Phobische Einschränkung

Introspektionsfähigkeit

Xaver

Kritische Beobachtung der eigenen Lebenssituation

Eigene Hemmungen beobachten

Lernen, verschiedene Standpunkte einzunehmen

Erklärungs- und Begründungsargumente betrachten

Bewusste Gefühle registrieren, eigene Reaktion darauf beachten

Handlungsimpulse registrieren, die zu Grunde liegenden Begründungen erkennen

Flucht / Vermeidung / Rückzug

Trennung

Neubeginn nach Abbruch

Friedfertigkeit

Streitsucht

Erobern

Rivalisieren

Hilfe einfordern

Lebenssituation vergegenwärtigen

Frühe Erinnerungen und deren Bedeutung

Versuchen, spezielle Kernkonflikte zu erkennen

Kindliche Bedürfnisse in der Erwachsenenwelt

Art und Form der Gespräche

Beziehungen

Abwehrmechanismen

Widerstandsverhalten

Psychagogischer Ansatz

Verhaltenstherapeutischer Ansatz

Goldene Regeln

Übung zur Registrierung eigener Flucht- und Vermeidungsmuster

Übung zur Ermittlung der Zusammenhänge zwischen Angst und inneren Vorgängen

Übung zur Ermittlung von Zusammenhängen der heutigen Angst mit Situationen in der Vergangenheit

Übung zur Ermittlung eigener Möglichkeiten (in der Phantasie)

Selbstbeschreibung

Situationstraining

Verhaltenstraining

Selbstbewertungstraining

Flooding

Hypnose, Suggestion

Beschreibung der Suggestion

Fremdsuggestion

Autosuggestion

Wahrnehmung der Welt

Herstellen der erfolgversprechenden Situation

Autogenes Training

Computergestütze Suggestion

Elvira

Günther

Professionelle Hilfe

Schlussbemerkungen

Persönlichkeitstest

Test zur Bestimmung des Angstlevels

Trainingsbögen

Einleitung

Angst, ein dramatisches Geschehen

Angst kennen wir alle. Sie begegnet uns auf Schritt und Tritt und kann zuweilen dramatische Ausmaße annehmen. Auch in unserer Umgangssprache hat das Wort seinen festen Platz. Wir gebrauchen es im Zusammenhang mit Alltäglichkeiten, mit Politik, aber auch in Glaubensfragen. Oft erkundigen wir uns: „Hast du denn keine Angst gehabt?“, oder: „Wie bist du denn mit deiner Angst fertig geworden?“ Ein Mensch, der von sich behauptet, keine Angst zu haben, scheint uns unglaubwürdig, denn wir können uns ein Leben ohne Angst nicht vorstellen, obwohl wir uns danach sehnen. Dabei wissen wir, dass Angst durchaus notwendig ist. Sie schützt uns vor Gefahren, indem sie uns diese erahnen lässt. Angst bringt uns dazu, Abwehrmaßnahmen zu entwickeln, um uns, unsere Freunde und Familienmitglieder vor Schaden zu bewahren. Stellen wir uns einmal folgende Situation vor: Ein Auto kommt mit hoher Geschwin-digkeit auf uns zu. Anstatt aus Angst richtig zu handeln, reagieren wir zu langsam und gefährden damit Leib und Leben. Oder aber wir erfahren, dass ein Mensch an einer Infektionskrankheit leidet und bringen uns und unsere Kinder nicht in Sicherheit. Wir bemerken, dass an unserem Auto die Bremsen nicht richtig funktionieren und fahren trotzdem weiter. Jemand, dem wir unterlegen sind, bedroht uns körperlich, und ergreifen nicht die Flucht. Oder es kommt ein Unwetter auf, und wir suchen keinen schützenden Ort auf. Angst ist also ein Schutzsignal. Sie warnt uns vor Gefahren, die uns von außen bedrohen, ebenso wie vor denen aus dem eigenen Inneren, das heißt, vor all dem, was in uns vorgeht, insbesondere im Unbewussten. Angst ist somit lebensnotwendig. Es gibt zwar einige wenige Menschen, die entweder keine Angst entwickeln können oder sie nicht wahrnehmen können. Sie sind jedoch extrem gefährdet, weil ihnen eine wichtige Schutzfunktion zum Überleben fehlt.

Wir kennen wechselnde Grade von Angst. Die Palette reicht von Vorsicht über Beklommenheit, Furcht, Angst bis hin zu Panik. Angst tritt in bestimmten, uns allen bekannten Situationen auf: Da gibt es die Angst vor Arbeitsplatzverlust, vor Krisen in Freundschaft oder Partnerschaft, vor Konfliktsituationen, vor dem Auftreten in der Öffentlichkeit, Menschen anzusprechen, sich auf Partnerschaften einzulassen, vor Sexualität, vor Krankheit, vor dem Sterben, vor dem Alleinsein oder davor, zu verarmen, keine Zukunftsperspektive mehr zu haben, oder auch die Angst vor Krieg. All diese Ängste sind jedoch nicht einheitlich zu bewerten. Beispielsweise gibt es Menschen, die in ständiger, unbegründeter Angst vor Arbeitsplatzverlust leben. Weil diese Angst ständig vorhanden ist, trauen sie sich nicht, ihre Rechte als Arbeitnehmer einzufordern. Statt dessen sind sie willig und überangepasst. Im Gegensatz dazu steht die realistische Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, die aus der angespannten wirtschaftlichen Situation heraus erwächst. Oder nehmen Sie die Angst vor dem Sterben. Dies Angst haben mehr oder weniger alle Menschen, doch die Art, wie sie damit umgehen, ist verschieden. Bei manchen tritt die Angst vor dem Tod nicht erst auf, wenn eine wirkliche Bedrohung besteht oder wenn sich das Leben erfahrungsgemäß dem Ende nähert, sondern sie wird in allen möglichen Situationen und obendrein noch ohne erkennbaren Grund erlebt. Manche Menschen haben vor bestimmten Objekten der Umwelt Angst, etwa vor einer Maus, einem Panzer oder einer Spinne. Wie die Beispiele zeigen, gibt es neben einer objektiven, von bestimmten Objekten ausgehenden Bedrohung auch eine subjektive, rein aus dem eigenen Erleben heraus entstehende Angst, denn objektiv betrachtet sind weder Maus noch Spinne wirklich gefährlich - von einigen Ausnahmen abgesehen. Angst ist also nichts Einheitliches. Die Angst vor der gleichen Situation oder vor dem gleichen Objekt kann ganz unterschiedliche Ursachen, aber auch ganz unterschiedliche Folgen haben. Deshalb muss das gleiche Phänomen Angst von Fall zu Fall anders bewertet werden.

Ängste und Umgang mit Ängsten historisch betrachtet

Angst spielte zu allen Zeiten eine Rolle, und jede Epoche entwikkelte ihre eigenen Bewältigungsmechanismen und Formen des Umgangs mit der Angst. Die gesellschaftliche Bewertung von Ängsten erfolgte je nach historischem Hintergrund, so wie es eben gerade gebraucht wurde. Es gab Zeiten, da fühlten sich die Menschen den Naturgewalten ungeschützt ausgeliefert. Sie entwickelten Kulte und magische Handlungen, die ihnen halfen, mit der Angst umzugehen. Naturgötter, wie beispielsweise den Gott des Blitzes, konnte man damit besänftigen und so auf eine Minderung der Angst hoffen. Zaubersprüche, Rituale sowie allerlei Zauberhandlungen versprachen ebenfalls, die Schicksalsmächte freundlich zu stimmen, ja sogar beeinflussen zu können. Zu verschiedenen Zeiten ging man unterschiedlich mit der eigenen Angst um. Mal war es verpönt, Angst zu haben, und alle sollten Helden sein. Wenn jemand seine Ängste eingestand und beispielsweise einem Kampf auswich, wurde er als feige beschimpft. Dann wieder galt es als durchaus ehrenwert, seine Angst zu zeigen, dann wurden bestimmte Formen von Feigheit für klug und weise befunden, denn der Wunsch nach Selbsterhaltung wurde akzeptiert.

In heroischen Zeiten herrschte das Ideal des angstfreien zumindest die Angst niederkämpfenden Helden vor. Dieses Ideal wurde von den Mächtigen oft missbraucht. Sie gaukelten ihren Untergebenen ein Heldenbild vor, das sie zur Durchsetzung eigener Machtinteressen benutzten - und noch benutzen, denn das Erzeugen von Angst war und ist für manche Menschen ein geeignetes Mittel, eigene Interessen durchzusetzen, und somit ist das Erzeugen von Angst auch ein Machtinstrument.

Bei jeder Auseinandersetzung spielt Angst eine Rolle. Selbst im Arbeitskampf geht es nicht nur um rein wirtschaftliche Überlegungen, sondern auch darum, den Gegner zum Einlenken zu zwingen; deshalb wird die Angst eingesetzt B und hier ist es die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Auch die Kirche bediente und bedient sich der Angst, um die Gläubigen zur Einhaltung bestimmter Regeln zu zwingen. Denn Strafe drohte im christlichen Glauben bei vielen Dingen, sei es bei Auflehnung gegen Gott, Kaiser und Kirche, sei es bei Zuwiderhandlungen gegen die christliche Sexualmoral. In der Kindererziehung spielte und spielt das Erzeugen von Angst ebenfalls eine große Rolle. Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es in der Schule noch die Prügelstrafe, und unbotmäßige Studenten wurden in den Karzer, eine Art Schulgefängnis, gesperrt. Genauso waren (und sind) in einigen Ländern Erzeugung von Angst und Ausübung von Gewalt im Umgang mit Straftätern legitime Strafmittel, während in anderen Ländern Erziehung statt Rache das Motiv des Strafvollzuges darstellt. Spiegelbildlich zu den eben angeführten allgemeinen Ängsten erfuhren dann natürlich auch die persönlichen, wohl krankhaft zu nennenden Ängste eine entsprechende Wertung - und damit auch die betroffenen Personen.

Psychoanalytische Sicht

Die Psychoanalyse stellte sich die Aufgabe, die Innenwelt des Menschen mit modernen Methoden der Psychologie zu erkunden. Ausgegangen wurde von psychisch Kranken, die damals noch mehr als heute als „minderwertige“ gesellschaftliche Randgruppe behandelt wurden, sowie von Menschen, die nicht den gesellschaftlich definierten Normen entsprachen. Diese neue Wissenschaft beschäftigte sie sich mit den Symptomen, also mit dem, was man üblicherweise als krank bezeichnet und das behandelt werden soll. Aufbauend auf den Erkenntnissen der Hypnoseforschung und vergleichbaren Wissenschaften beschäftigten sich Sigmund Freud, Alfred Adler und Carl Gustav Jung mit der Psyche, das heißt mit der Seele des Menschen. Diese blieb nun nicht mehr nur Objekt religiöser, philosophischer oder literarischer Betrachtungen oder gar der rein deskriptiven, also der rein beschreibenden Betrachtungsweise der damaligen Psychologie. Durch diese neue Wissenschaft wurde es möglich, „Gesundes“ von „Krankem“ zu scheiden, zugegebenermaßen nicht ohne uns heute grotesk anmutende Fehlinterpretationen. Doch der erste Schritt in die richtige Richtung war getan. Nun konnten Erklärungen für die Entstehung und Entwicklung gewisser Krankheiten und ihrer Symptome gefunden werden. Somit wurde eine positive Diagnostik ermöglicht (das heißt, bestimmte Symptome stehen in Wechselbeziehung mit bestimmten entwicklungspsychologischen und lebensgeschichtlichen Vorgängen), und ein bestimmtes Verhalten konnte nun als ein durch Krankheit bedingtes klassifiziert werden. Verschiedene Theoriegebäude der Psychoanalyse dienen seither als Erklärungsmodelle und Grundlage für therapeutisches Vorgehen. Das anfängliche Gegeneinander hat einem wetteifernden Miteinander Platz gemacht. Dadurch wurde ein Voneinander lernen möglich. In diesem Zusammenhang möchte ich den von Carl Gustav Jung eingeführten Begriff des kollektiven Unbewussten vorstellen, um auf die uns allen innewohnenden archaischen, also urtümlichen Ängste hinzuweisen, die uns wohl angeboren sind. Später werden wir uns noch ausführlicher damit beschäftigen. (S.50)

Verhaltenstherapeutische Sicht

Als Ergebnis der historischen Entwicklung und der Tendenzen in der Psychologie entwickelte sich die behavioristische Form der Verhaltenstherapie, die sich ausschließlich um das beobachtbare und messbare Verhalten des Menschen kümmerte. Sie sollte rein objektiv und wissenschaftlich sein, ohne subjektiven Deutungen des Beobachters zu unterliegen. Bei dieser Betrachtungsweise wurde der Mensch auf ein Wesen reduziert, dessen Erleben, Fühlen und Handeln letztlich auf ein Reiz - Reaktionsschema zurückzuführen ist. In ihrer ursprünglichen Form geht die Verhaltenstherapie von den Versuchen Pawlows aus. Iwan Petrilowitsch Pawlow hatte Hunden Magenfisteln angelegt, mit denen er ihre Magensaftsekretion beobachten konnte. Immer wenn er ihnen Nahrung anbot, läutete er gleichzeitig eine Glocke. Erfolgte ein Reiz wie etwa das Glokkenläuten oder ein Lichtzeichen gleichzeitig mit dem Angebot der Nahrung, so wurde nach einiger Zeit allein durch den akustischen oder optischen Reiz die Magensekretion angeregt. Aus dem unbedingten Reflex Nahrungsaufnahme mit der Folge von Magensaftsekretion ist ein bedingter Reflex geworden.

Diese bedingten Reflexe sind künstliche Zuordnungen von Reiz und Reaktion. Sie bestehen nicht von Anfang an, wie die stammesgeschichtlich ererbten Reflexe, sondern entstehen durch räumliche, zeitliche oder auch ereignisbedingte Verknüpfung und werden im Laufe des Lebens gebildet. Ein Symptom ist daher auch als gewohnheitsmäßiges, gelerntes Verhalten, als eine Konditionierung zu verstehen. Dieses Verhalten kann in der Therapie durch Löschung der Konditionierung wieder zum Verschwinden gebracht werden. Bei der sogenannten operanten Konditionierung dagegen wird die Verstärkung nicht über den Reiz hervorgerufen, sondern sie ist lediglich mit der Reaktion verbunden. Lernvorgänge werden durch Belohnung und Bestrafung erreicht, und die Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten, die zuvor in der Psychotherapie eine große Rolle gespielt hatten, wurde als vernachlässigbar, ja sogar als störend erachtet. Verhaltensänderungen wurden ganz einfach durch Verstärkung (d.h. Festigung oder Entwicklung bestimmter Verhaltensmuster) erwünschter und Löschung unerwünschter Verhaltensweisen angestrebt. Methoden der Löschung waren etwa die fraktionierte Desensibilisierung bzw. das Flooding. Bei der fraktionierten Desensibilisierung wurden die Patienten dem, was sie ängstigte, zunächst in sehr geringem Maße ausgesetzt. Dann wurde diese Zeit fortlaufend verlängert, bis die Angst schließlich nicht mehr auftrat. Beim Flooding wurden die Patienten der ängstigenden Situation so lange ausgesetzt, bis die Angst langsam abebbte und die Situation oder das Objekt angstfrei erlebt werden konnte. Diese Form der Verhaltenstherapie verliert immer mehr an Bedeutung und wird durch die kognitive Verhaltenstherapie ergänzt bzw. ersetzt, bei der die Patienten durch Erkenntnis- und Umstrukturierungsprozesse geheilt werden sollen. Die Menschen sind hier nicht mehr auf einfache Muster von bedingten Reflexen reduziert, sondern werden in Ihrer Vielschichtigkeit gesehen. Auch wird die Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten nicht mehr außer acht gelassen. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten soll bei den Patienten gestärkt werden. Sie sollen produktive Denk- und Verhaltensmuster erlernen und diese im Alltag erfolgreich einüben. Kontrolliertes Wiederholen führt zu einer günstigen Entwicklung des Beziehungsgeflechtes aus Verhalten, Erkenntnisfähigkeit und innerem, gefühlsmäßigen beteiligt sein. Durch das Erleben und Einüben neuer Prozesse werden die alten Muster gelöscht beziehungsweise überschrieben.

Als neutraler Beobachter, oder jemand, der sich beiden Therapiemethoden verpflichtet fühlt, gewinne ich den Eindruck, dass hier bei aller Verschiedenheit doch positive Wechselwirkungen zu beobachten sind: Beide Methoden bewegen sich in gewissen Grenzen aufeinander zu.

Nachdem wir uns nun mit den verschiedenen einleitenden Gesichtspunkten zum Thema Angst beschäftigt haben, wollen wir uns nun dem Gegenstand unserer Betrachtung näher zuwenden. Zunächst taucht die Frage auf, ob Angst immer Zeichen von Krankheit - und damit behandelbar - ist, oder ob sie als ein allgemeinmenschliches Erleben ertragen werden muss. Falls Angst eine Krankheit ist, muss geklärt werden, wo die Grenzen liegen, von denen an das Gefühl der Angst krankhaft ist und damit zum Gegenstand unserer Arbeit an uns selbst werden sollte. .

Das internationale Diagnosenschema der Weltgesundheitsorganisation kennt inzwischen keine Neurosen als Krankheitseinheit mehr. Es ist rein beschreibend und nicht mehr an den Ursachen des Krankheitsgeschehens orientiert aufgebaut. Um die Zusammenhänge zwischen Lebensgeschichte und Problemen aufzuzeigen, benutze ich in diesem Buch das psychoanalytische Diagnosenschema.

Grenze zwischen neurotischer Krankheit und Beschwerlichkeit

Zunächst müssen wir uns mit den Begriffen Gesundheit bzw. Krankheit befassen. Es gibt eine Unzahl von Definitionen, von denen ich einige nennen möchte, um die Komplexität des Themas zu verdeutlichen. Die erste uns bekannte Auffassung darüber stammt von Hippokrates, der feststellte, Medizin beschäftige sich mit Krankheit, dem Kranken und dem Arzt. Ein zwischenmenschlicher oder gesellschaftlicher Aspekt taucht in seiner Begriffsbestimmung noch nicht auf; Krankheit wird als ein rein individuelles Problem gesehen. Viktor Freiherr von Weizsäcker, ein berühmter Psychosomatiker und Anthropologe definiert Krankheit als eine Not, die sich als Bitte um Hilfe äußert. Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, sieht Gesundheit als die Fähigkeit, lieben und arbeiten zu können, während der Individualpsychologe Alfred Adler, ein Zeitgenosse Freuds, Gesundheit als Gemeinschafts- und Kooperationsfähigkeit definiert. Hans Jürgen Eysenck, ein Vertreter der behavioristischen Verhaltenstherapie, charakterisiert den Krankheitsbegriff als Summe fehlangepasster Verhaltensweisen, die über bedingte Reflexe oder Lernen am Erfolg entstanden. Die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt Gesundheit nicht nur als das Fehlen von Krankheit und Gebrechen sondern als einen Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Soziologisch ist nach Talcott Parsons Gesundheit ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit, in dem ein Mensch die Rollen und Aufgaben erfüllt, für die er sozialisiert worden ist.

Diese unterschiedlichen Definitionen zeigen die Schwierigkeit auf, die Grenze zwischen Gesundheit und Beschwerlichkeit genau festzulegen. Bei klar definierten körperlichen Erkrankungen ist so etwas unproblematisch, denn ein gebrochenes Bein oder ein Magengeschwür sind eindeutige Beweise für Krankheit. Im psychischen und psychosozialen Bereich hingegen gibt es eine recht breite Grauzone, in der es auf den Betrachter ebenso ankommt wie auf den Betroffenen selbst, ob ein Zustand als krank oder nur beschwerlich, also noch nicht eigentlich krank, bezeichnet wird. Bei bestimmten Beschwerden kommt es also auf die Betrachtungsweise an, ob wir einen Anspruch an Krankenkasse und Arzt geltend machen wollen oder ob wir zu der Erkenntnis gelangen, dass wir uns in einem psychosozialen Zustand befinden, den wir versuchen wollen mit eigenen Mitteln zu beherrschen oder zu verändern. Kommen wir zu dem zweiten Schluss müssen wir uns einige Fragen stellen: Fühle ich mich kräftig genug, und bin ich kompetent genug, um diese Aufgabe in Angriff zu nehmen? Will ich mir diese Kompetenz aneignen, will ich mich selbst ermutigen oder ermutigen lassen, diesen Weg selbst zu gehen? Oder fühle ich mich hilflos und unfähig, mit dieser Situation fertig zu werden? Wichtig ist, dass die eigenen Grenzen realistisch eingeschätzt werden. Sollten Sie eigene Überforderung spüren und fachkundige Hilfe in Anspruch nehmen wollen, so ist das keine Schande. Die realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten ist in jedem Falle das entscheidende Kriterium zur Bewältigung der Situation.

Um die Vielfalt des Themas so anschaulich wie möglich zu gestalten, werde ich, neben theoretischen Erläuterungen, viele praktische Beispiele anführen. In diesem Buch tauchen deshalb mehrere Personen auf, die mit Phantasienamen versehen wurden. Sie sollen uns behilflich sein, die Welt der Ängste kennen zu lernen, sie besser zu verstehen und vielleicht auch überwinden zu können.

Um die Gefühlswelt eines Menschen beschreiben zu können, müssen verschiedene Anteile daran berücksichtigt werden. Da gibt es zunächst die Grundstimmung. Dieser Begriff beschreibt die grundsätzliche Gestimmtheit eines Menschen. So gibt es Menschen, die tendenziell eher fröhlich oder eher traurig sind, solche, die dazu neigen, eher aggressiv zu reagieren, oder andere, bei denen wir den Eindruck gewinnen, sie hätten gar keine Gefühle. Spezielle Ausprägungen sind der misstrauische, der chronisch vertrauensselige, der ewig nette und friedfertige oder auch der eher in sich zurückgezogene Mensch. Die Grundstimmung vermittelt uns den Gefühlszustand eines Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg, wobei gewisse Schwankungen - auch ohne äußere Einflüsse - einbezogen sind. Dies nennt man auch die innere Rhythmik der Gestimmtheit, eine Sonderform der jedem Menschen in spezieller Ausprägung eigenen Biorhythmik. Verändert wird diese Grundstimmung durch Einflüsse von außen, aber auch von innen. Neben dieser langfristigen Stimmungslage gibt es die Affekte. Das sind Gefühle, die sich oft recht schnell entwickeln, eine bestimmte Zeit anhalten und dann wieder abklingen. Auslöser für diese Gefühle sind ebenfalls Einflüsse von außen oder innen. Wenn ich innen sage, meine ich sowohl Einflüsse aus dem Körper als auch aus der eigenen Psyche, der Seele. Der körperliche Schmerz, um ein Beispiel zu nennen, kann starke Gefühlsschwankungen hervorrufen, etwa Gereiztheit, Wut oder Anspannung. Auch ein innerer Konflikt bewirkt oft eine Stimmungsänderung, selbst dann, wenn dieser Konflikt noch unbewusst ist. Uns beschäftigen hier in erster Linie die Affekte, also Gefühle der Furcht oder Angst.

Bevor wir nun mit dem Thema Angst fortfahren, wollen wir versuchen, die Grenze zwischen Krankheit und Beschwerlichkeit zu verdeutlichen. Dazu möchte ich etwas über die typischen psychischen Erkrankungen berichten, die mit Angst einhergehen können. Um den Rahmen dieses Buches nicht zu sprengen, bleiben die psychotischen Krankheiten unberücksichtigt, denn sie sind in ihrer Auswirkung so gravierend, dass in der Regel ein Versuch der Selbstbehandlung scheitern muss und möglicherweise ein Krankenhausaufenthalt notwendig wird. Zu jeder der hier beschriebenen Neurosen gibt es eine entsprechende Persönlichkeitsstruktur. Sie ist jedoch kein Zeichen von Krankheit, sondern zeigt nur die spezifische Akzentuierung der Persönlichkeit. Natürlich bestehen eindeutige Beziehungen zwischen Struktur und Neurose; die Übergänge sind jedoch fließend, so dass eine Zuordnung zur Struktur beziehungsweise zur Neurose manchmal schwierig ist. Um die Aufzählung von möglichen Eigenschaften ein wenig verständlicher werden zu lassen, werde ich zu jeder Neurosenform am Schluss der Beschreibung ein Beispiel bringen.

Schizoide Neurose

Zunächst wollen wir uns mit der schizoiden Persönlichkeit beschäftigen. Der Begriff schizoid stammt aus dem Griechischen. Es bedeutet soviel wie gespalten und soll die Gespaltenheit und Unausgeglichenheit der Menschen, die er beschreibt, zum Ausdruck bringen. Schizoide haben ein ausgeprägtes Streben nach Unabhängigkeit und wollen autark sein, um niemandem gegenüber zu etwas verpflichtet, von keinem anderen Menschen abhängig und auf niemanden angewiesen zu sein Alle Formen von Abhängigkeit bereiten ihnen Angst. Die Folge davon ist, dass diese Menschen im Umgang distanziert sind, kühl wirken und eine Atmosphäre des Unpersönlichen ausstrahlen. Auch Schroffheit gehört in das Verhaltensreper- toir. Das kann soweit gehen, dass das Verhalten verletzend oder auch absonderlich wirkt.

Persönliche Dinge, wie Wünsche, Sehnsüchte, Gefühle anderen Menschen gegenüber, oder auch gefühlsmäßige Entscheidungen, machen dem Schizoiden angst, er ist nur an sachlichen und objektivierbaren Dingen interessiert. Sein Interesse gilt vorwiegend theoretischen Zusammenhängen des Lebens, alles praktische ist ihm mehr oder weniger fremd. Die Akademiker unter ihnen interessieren sich für Berufe wie Philosophie, Naturwissenschaften, Astronomie und Mathematik. In der Kunst liegt ihnen in erster Linie die abstrakte Malerei, oder aber ästhetisch reine, kühle Darstellungen. Romane lehnen sie eher ab, da es hier allzu oft um Gefühle geht; Gefühle aber müssen auf alle Fälle vermieden werden. Charakteristisch ist der Versuch, die Beziehung zur Welt und zu den in ihr lebenden Menschen über Sachbezüge herzustellen.

Die Schizoiden sind betonte Rationalisten, manchmal Zyniker mit oft zutreffendem Urteil. Hin und wieder sind sie auch selbstüberhebliche Kritiker. Im Verhalten wirken sie oft destruktiv und haben einen störenden bis zerstörenden Einfluss auf Personen oder Situationen. Oft finden sich sehr kluge Menschen, sogar einige Genies wie Proust, Strindberg und andere unter ihnen. Auf der Gefühlsebene sind schizoide Menschen, die mimosenhaft empfindlich oder misstrauisch sind, selten auch bewusst ängstlich, oder aber auch ohne jegliches Gefühl, fast stumpf wirkend. Das hat zur Folge, dass es in dieser Gruppe von Menschen eine Vielfalt von charakterlichen Ausprägungen gibt. Im Kontakt zu anderen Menschen bestehen massive Probleme, wie wir aus dem bisher gesagten leicht erkennen können. Es kann passieren, dass der Schizoide bei dem Versuch mit einem anderen Kontakt aufzunehmen, sich unvermutet und plötzlich zurückzieht oder dass er ganz überraschend einen Kontakt herzustellen versucht, bei dem er gleich zuviel Nähe fordert.

Die Beschreibung, die ich eben gegeben habe, könnte aber durchaus auch auf einen gesunden Menschen zutreffen. Aus ihr allein die Diagnose einer schizoiden Neurose stellen zu wollen, wäre leichtfertig, denn die Übergänge zwischen gesund und krank sind fließend. Art und Ausprägung der einzelnen Merkmale, ebenso die Anzahl der vorhandenen Einzelheiten bestimmen, wo Kranksein beginnt und man nicht mehr nur von einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur spricht.

Die Symptome, die zu einer schizoiden Neurose gehören können, sind Misstrauen, Mangel an Intimität und starkes Unabhängigkeitsbedürfnis. Weiter finden sich auch Lebensüberdrussgedanken, manchmal Suizidversuche, Klagen über die Sinnlosigkeit des Lebens, leidvolles Erleben, keinen Menschen lieben zu können, Unfähigkeit mit praktischen Dingen zurechtzukommen, Angst vor dem Durchbruch von aggressiven Impulsen. Darüber hinaus können auch verschiedene psychosomatische Beschwerden bestehen.

Ein an schizoider Neurose erkrankter Mensch kann keine Wünsche äußern, selbst wenn es sich um Kleinigkeiten handelt. Entweder reagiert er mit formaler Höflichkeit um andere nicht zu verletzen, oder er zeigt ein ruppiges und aggressives Verhalten.

In Beziehungen zu anderen wird nur Unverbindliches zugelassen. Wird eine Beziehung zu eng - und sei es nur, dass jemand Mitgefühl äußert -, kann es zu einem sofortigen Rückzug mit aggressiver Abwehr kommen.

Im Beruf ist der schizoide lediglich Partner, ohne Kollege zu sein. Oft hat der Schizoide zwar sexuelle Beziehungen, aber keine Liebesverhältnisse, denn der sexuelle Verkehr ist nur möglich, wenn keine emotionale Wärme aufkommen kann. Der schizoide Mensch kann exakt beobachten. Er hat eine geschulte Intuition, registriert äußerst empfindlich das Atmosphärische einer Situation, kann seine Gefühle abstellen. Leider erlebt er häufig alles, was geschieht, mit ichbezogener Bedeutungsqualität, also paranoisch.

Typische Angstinhalte der schizoiden Neurose

Angst kann von einem schizoiden Menschen selten zugegeben werden, oder sie wird bewusst auch gar nicht mehr erlebt, denn das Zugeben, ja manchmal schon das Erleben von Angst würde sein Autarkiestreben gefährden. Vorherrschend ist die Angst vor Nähe; niemand darf ihm zu nah kommen, weder seelisch noch körperlich. Aus Angst vor einer Gefühlsbindung an einen anderen Menschen wird das Leiden an der Einsamkeit verdrängt, und die sozialen Kontakte beschränken sich auf das Notwendigste. Dieser Rückzug auf die eigene Person lässt ihn egozentrisch und liebesunfähig wirken. Die Beziehung zum eigenen Körper kann ebenfalls gestört sein.

Positive Aspekte der schizoiden Persönlichkeitsstruktur

Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur haben viele positive Eigenschaften: Der Schizoide hat eine eigene Meinung, die er auch vertritt. Er ist frei und unabhängig von Vorurteilen und Dogmen. Gefühlsduseleien mag er nicht, ihm liegt eher eine sachliche und vernünftige Bezugsebene. Er ist nur schwer zu täuschen und wirkt häufig ironisch, satirisch. Er kann gut beobachten und hat, bei kühler Sachlichkeit, eine kritische und unbestechliche Einstellung. Er ist souverän in seinem Auftreten, selbständig und unabhängig.

Fritz

Zu mir kommt ein Mann von etwa 25 Jahren mit dem Wunsch sein „Sozialverhalten zu verbessern“. Im Gespräch schaut er mich mit großen Augen an, wirkt sehr aufmerksam, beobachtet mich ständig. Er lebt allein in einer kleinen Wohnung, arbeitet in einem Archiv, Kontakte zu den übrigen Mitarbeitern sind selten, Gespräche betreffen nur den konkreten Gegenstand. Nach getaner Arbeit kehrt er in seine Wohnung zurück, es sei denn, er muss noch Einkäufe machen. Dies geschieht nach Möglichkeit nur einmal in der Woche, um sich nicht unnötig „dem Stress aussetzen zu müssen, mit anderen Menschen zusammen sein“. Freunde hat er nicht, in seinem Leben gab es eine einzige Freundin, die die Beziehung jedoch nach kurzer Zeit abgebrochen hat, „weil ich so schwierig bin“. Er liest viel, geht nachts wenn das Wetter es zulässt, in den nahegelegenen Wald um dort von einer bestimmten größeren Lichtung aus die Sterne zu beobachten. In einem Geschäft in seiner Nähe gibt es eine Frau, die er recht reizvoll findet. Er träumt von ihr, sie anzusprechen traut er sich jedoch nicht. Ein- bis zweimal im Jahr geht er in ein Bordell, bemüht sich aber, jedes mal eine andere Frau auszusuchen, da er die Vorstellung schrecklich findet, die Frau könne ihn näher kennen. Auch wenn er es nicht direkt ausspricht - er hat Angst vor Menschen, hat Angst, dass ihm jemand zu nahe kommen könnte. Sicherer fühlt er sich deshalb in seiner selbstgewählten Einsamkeit.

Geboren wurde er als unerwünschtes Kind einer noch sehr jungen und unreifen Mutter, der Vater war nicht näher bekannt. Von seiner Mutter wurde er sehr nachlässig versorgt. Sie ging aus, ließ ihn stundenlang allein in der Wohnung zurück. Nachbarn benachrichtigten schließlich die Polizei; diese schaltete das Jugendamt ein, und es erfolgte eine Krankenhauseinweisung, danach ein Heimaufenthalt, da massive Ernährungsstörungen festgestellt worden waren. Nachdem die Mutter etwa ein Jahr später geheiratet hatte, kam Fritz wieder nach Hause, war sehr still, sehr zurückgezogen, vermied engeren Kontakt zu Mutter und Stiefvater und im weiteren Verlauf auch zu allen anderen Menschen. So blieb er im Kindergarten und in der Schule ein Außenseiter, der sich zwar Respekt verschaffte, aber von jedem gemieden wurde. Still und verbissen verlief sein Leben als „Einzelkämpfer“, wie er selbst sich bezeichnete. Er machte seine Ausbildung, schloss sie mit guten Noten ab und ist seit dieser Zeit an derselben Arbeitsstelle beschäftigt. Über seine Mutter spricht er in einer sachlichen und neutralen Art - so, als beschriebe er einen Gegenstand. Er verspürt einen starken Wunsch, eine Freundin zu haben; seine Vorstellungen sind jedoch eher vage und dem Realen verhaftet. Da geht es um Essen kochen und miteinander schlafen. Er spricht vom tollen Aussehen - von Zärtlichkeit, Liebe und Achtung jedoch nie. Dies ist ihm fremd. Darauf angesprochen, reagiert er massiv abwehrend und berichtet von einer Schulkameradin, die „auf so eine Art versucht hat sich an mich ranzuschmeißen“. Er habe dies „natürlich sofort beendet“.

Besonders auffallend ist bei Fritz die Angst vor anderen Menschen, vor der Nähe eines Menschen, vor Gefühlen und sein massives Misstrauen und seine Neigung, sich reflektorisch zurückzuziehen, wenn jemand Interesse an ihm zeigt.

Depressive Neurose

Depressive Menschen wirken still, bescheiden, friedfertig und angepasst. Sie unterschätzen sich und ihre Möglichkeiten. Sie sind leicht zu überfordern, denn sie können nur schwer anderen etwas abschlagen. Forderungen können sie erst recht nicht stellen, sondern bestenfalls bitten, aber selbst das fällt manchen schwer. Sie entziehen sich Auseinandersetzungen, und lässt sich ein Kampf nicht vermeiden, neigen sie dazu nachzugeben und sich zu unterwerfen. Der Depressive hat kein Selbstvertrauen und kein positives Selbstwertgefühl. Er tendiert dazu, sich selbst als schlecht, mangelhaft, manchmal sogar minderwertig zu erleben. Der Depressive ist eher passiv, kann schlecht planen, geht keine Risiken ein und passt sich eher an und ein. In der Arbeit ist er extrem fleißig und lässt sich ständig überfordern. Er bleibt oft von anderen abhängig. Im Gegensatz zum Schizoiden sucht der Depressive die Abhängigkeit und Nähe von einem oder wenigen anderen, an die er sich anklammert. In Gruppen fühlt sich der Depressive nicht wohl. Er wirkt verspannt, unruhig, ängstlich. Er kann sich nicht mitteilen und am liebsten würde er sich zurückziehen. Er ist warmherzig, zeigt Interesse an anderen, neigt dazu, sich für andere einzusetzen, und strahlt emotionale Wärme aus. In schweren Fällen von Depression kommt es gelegentlich auch zu emotionaler Leere und Gefühlsapathie.

Der depressive Mensch ist ständig auf der Suche nach Geborgenheit, hat Angst, allein gelassen zu werden. Er entwickelt altruistische Eigenschaften wie Mitleid, Verzicht, Selbstlosigkeit, bis hin zur Aufopferung und Hörigkeit. Nicht selten erpresst er seinen Partner mit seiner Depressivität, entweder durch Suiziddrohungen oder aber durch ständiges Vorleben „edler“ Verhaltensmuster, die den anderen zu ähnlichen Verhaltensweisen animieren sollen. Für den Depressiven besteht die Welt nur aus ihm und den anderen, wobei er erwartet, dass alle anderen ihm gegenüber mütterliche Eigenschaften an den Tag legen. Da dies nicht der Fall ist, ist die Welt für ihn frustrierend. Dadurch kommt es dann zu einer erneuten und verstärkten Einsamkeit mit Selbstaggression bis hin zum Suizid. Der Depressive lässt sich überfordern. Er kann seine Bedürfnisse vielleicht sehen, sie jedoch nicht durchsetzen. Er möchte von allen gemocht werden und meint, sein gefügiges und anpassungsbereites Verhalten würde ihn beliebt machen. Deshalb arbeitet er ohne Pause, schafft auch gern länger und sagt nie nein.

Er erlebt die Welt als fordernd. Alles muss getan werden. Bei schönem Wetter muss man spazieren gehen, selbst wenn man nicht mag, Bücher müssen gelesen werden, sie wollen gelesen werden, wirken allein durch ihre Existenz wie eine stille drohende Forderung. So stellen nicht nur Menschen, sondern auch Gegenstände Forderungen an den Depressiven.

Der depressive Mensch ist ein Pessimist. Er betreibt eine Enttäuschungsprophylaxe, indem er sich stets das Schlimmste vorstellt, weil es dann ja nur besser werden kann. Dass er dann ja möglicherweise längere Zeit unnötig unglücklich ist, nur um eine mögliche Enttäuschung zu vermeiden, ist ihm nicht klar. Sein Verhalten hat zudem auch einen magischen Akzent - so, als könne er durch die schlimmen Befürchtungen Böses abwenden. So ist für ihn die Welt farblos und grau, denn er sieht nur die negativen Seiten, positive Möglichkeiten werden nicht wahrgenommen. Da der Depressive sich seine natürlich auch vorhandenen Wünsche nicht erfüllen kann, werden diese gestaut und in einer durch dieses Nichtausleben verstärkten Form auf die Menschen der Umwelt projiziert. Das bewirkt, dass die Mitmenschen völlig verzeichnet erlebt werden. Um mit den anderen in Kontakt zu bleiben, von ihnen akzeptiert und gemocht zu werden, verhält er sich den vermeintlich Forderungen stellenden Mitmenschen gegenüber so, dass er sich bemüht, jede Forderung zu erahnen und zu erfüllen, selbst dann, wenn gar keine gestellt wurden. Das geht sogar soweit, dass er sich verpflichtet fühlt, möglichen Ansprüchen zuvorzukommen. Er lebt ständig in dem Gefühl, von seinen Mitmenschen gebraucht und gefordert zu werden. Dieses Gefühl wird zum eigentlichen Lebensinhalt des Depressiven. Besteht die Gefahr, dass er verlassen wird, kann der Depressive zu ausgesprochen erpresserischen Mitteln greifen, wie etwa der Drohung: „Ich kann ohne Dich nicht leben. Wenn Du gehst, sehe ich keinen Sinn mehr im Leben.“ Zusätzlich finden, je nach Schweregrad, Suizidideen, auch Suizidversuche statt. Die Grundstimmung ist geprägt von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Es finden sich Selbstzweifel und Selbstanklagen, Versündigungsideen, Schuldgefühle, Minderwertigkeitsideen, Kraftlosigkeit, Mattigkeit. Das Leben wird als sinnlos erlebt. Weiterhin kommt es zum Abflachen vitaler Lebensimpulse; es treten Schlafstörungen auf. Appetitlosigkeit oder Fress-Sucht können ebenfalls als Symptom entstehen, vielfach finden sich typische Tagesschwankungen mit Morgenmüdigkeit und nachmittäglicher Besserung. Erotische und sexuelle Impulse sind deutlich gestört.

Typische Angstinhalte der depressiven Neurose

Hauptangst ist die Angst, verlassen zu werden. Der Depressive kann nicht allein sein; ist er allein in seiner Wohnung, fällt ihm die Decke auf den Kopf, und er flüchtet zu anderen Menschen. Er hat Angst vor mehreren Menschen gleichzeitig, möchte am liebsten nur Zweierbeziehungen. Er hat Angst vor jeder Art Zank, Streit und Kampf. Er lebt in ständiger Sorge um seine Angehörigen, fürchtet, dass ihnen etwas zustoßen könnte. Ängstlich achtet er auf die Interessen der anderen, möchte niemandem etwas wegnehmen und ist ständig voller Sehnsucht nach einer konfliktfreien Welt.

Positive Aspekte der depressiven Persönlichkeitsstruktur

Depressive setzen sich selbstlos für andere ein. Sie können sich in andere Menschen einfühlen und ihnen helfen. Sie können geduldig warten, zeigen relativ wenig Egoismus, sind anhänglich und anspruchslos. Sie können verzichten, ohne deshalb frustriert zu sein und passen sich an harte Lebensbedingungen leicht an. Dankbar sind sie für all die Dinge, die ihnen glücken, wobei jedoch die Leistung nicht als persönliche Leistung erlebt wird, sondern als ein Geschenk. Sie sind fleißig, zuverlässig und verantwortungsbewusst. Selbstkritisch sehen sie auch eigene Fehler. Sie sind bereit, sich nach Auseinandersetzungen zu versöhnen, und suchen stets den Ausgleich.

Silvia

Sie kam zu mir, weil eine Kollegin, der sie von ihren Schwierigkeiten berichtet hatte, ihr riet, sich um eine psychotherapeutische Behandlung zu bemühen, da diese ihr selbst sehr geholfen hatte. Etwas zweifelnd, aber doch mit einem kleinen Quäntchen Hoffnung, erschien sie bei mir und berichtete von ihren Problemen. Sie sei stets traurig, müsse sich zu allem aufraffen, nichts mache ihr Freude, alles sei eine Last. Das Essen schmecke ihr schon lange nicht mehr, deshalb sei sie auch so dünn geworden. Ihr Mann sei sehr verständnisvoll, könne ihr aber auch nicht helfen. Streitereien gäbe es bei ihnen nie, sie seien beide recht friedliche Menschen, auch neige sie im Zweifelsfalle dazu, um des lieben Friedens willen nachzugeben. Sie sei ein sehr gewissenhafter Mensch, sehr fleißig und bei ihren Kolleginnen sehr beliebt, weil sie stets zu helfen bereit sei, gegebenenfalls auch zusätzliche Arbeit zu übernehmen, „um das gute Betriebsklima zu erhalten“. Ihren Haushalt habe sie stets in Ordnung, alles sei sauber und erledigt, auch wenn ihr das alles immer schwerer falle. Auch sei sie nicht mehr damit zufrieden, „das gibt mir alles nichts mehr“. Immer wieder „kommen mir Gedanken, dass alles so sinnlos ist, ich zweifele an meinem Wert und an der ganzen Welt. Dann würde ich am liebsten tot sein. Antun würde ich mir aber nie etwas“.

Aufgewachsen ist die Patientin bei einer sehr klugen und vernünftigen Mutter, die bestimmt und selbstbewusst alle ihre Vorstellungen in der Familie durchgesetzt hat. „Wenn man nicht tat, was sie wollte, dann gab es wilden Ärger. Das traute sich keiner in unserer Familie, weder meine Geschwister noch mein Vater. Der war immer lieb und freundlich, hatte aber nichts zu sagen“. Schon als Kind war sie sehr still. Ihre Mutter sagte, sie sei immer brav gewesen, habe stundenlang in einer Ecke gesessen und mit irgend etwas gespielt. Im Kindergarten hatte sie eine Freundin, mit der sie auch in der Schule befreundet blieb. Als diese wegzog, war sie immer allein. Sie habe immer wieder versucht, Freundinnen zu finden aber das klappte nie; die meisten waren ihr zu grob, haben sich gezankt. Das konnte sie nicht ertragen, und außerdem hatten sie viel zuwenig Zeit für sie, „wollten auch mit anderen spielen, deshalb klappte das nie“. Mit 14 Jahren lernte sie ihren Mann kennen, einen sehr weichen, netten Jungen, der sich ebenso wie sie am liebsten von den anderen absonderte. „Wir waren uns immer selbst genug, wir brauchten keine anderen. Aber irgendwie wurde ich immer trauriger; das ging ganz langsam, angefangen hatte das ja schon in der Kindheit, jetzt wurde es immer schlimmer. Am Anfang sind wir noch verreist, aber das tun wir schon seit ein paar Jahren nicht mehr, denn mein Mann bekommt immer Angst, wenn wir mit dem Auto oder mit dem Zug fahren, in ein Flugzeug bekomme ich ihn sowieso nicht. Alleine verreisen kann ich nicht, ich kann nicht allein sein, da bekomme ich fürchterliche Angst. Ich habe sowieso immer Angst, dass etwas passieren könnte; mein Mann braucht sich nur ein paar Minuten zu verspäten, da denke ich gleich an das Schlimmste“.

In Silvias Schilderung zeigen sich Angst vor dem Alleinsein, vor Auseinandersetzungen, davor, eigene Meinungen zu haben und zu vertreten, eigene Interessen durchzusetzen, sowie die Angst, dem Leben nicht mehr gewachsen und nichts wert zu sein.

Zwangsneurose

Menschen mit einer Zwangsneurose sind selten spontan und lebendig. Alles wirkt gezwungen und starr. Alles folgt festgesetzten Regeln. Beherrschung und Kontrolle sind auffällige Eigenschaften. Ihre Vitalität ist gebremst, kontrolliert und reflektiert. Nicht spontanes Fühlen und Handeln prägt diese Menschen, sondern ihre Gedanken prägen sie. Jedes Gefühl, jede Handlung wird mehrfach überprüft und erst zugelassen, wenn sie nicht angstvoll sind -, jedoch meist in gebremster Form. Deshalb wirken diese Menschen prinzipienhaft, unbeweglich, manchmal starr, auf alle Fälle aber zurückhaltend. Ein übersteigertes Verantwortungsgefühl sorgt dafür, dass Handlungen oft lange hinausgezögert werden, um Fehler zu vermeiden. Diese Menschen sind auf Grund ihres starken Verantwortungsgefühls stets ernst und humorlos. Für sie spielen Zeit und Geld eine große Rolle, und sie erleben dies als messbar und kontrollierbar. Während für den Gesunden Besitz und Geld Sicherheit und Selbstentfaltung bedeuten, sind sie für den Zwangsneurotiker ein voll gültiger Lebensersatz. Da er Neues als potentielle Gefahr erlebt, werden Situationen, aber auch Gedanken, die etwas Neues beinhalten, vermieden und erst nach reiflicher Abwägung gegebenenfalls zugelassen. Diese Menschen sind typische Vermeider. Spitzfindigkeit und übertriebene Skepsis prägen ihr Verhalten. Da sie alles hundertprozentig richtig machen müssen, sind sie ständig von Zweifeln und Schuldgefühlen geplagt. Sie neigen zur Härte gegen sich selbst, aber auch gegen andere. Sie streben stets nach Absolutem und Unerreichbarem, oft finden sich bei ihnen Züge von Askese und Fanatismus.

Im Alltag wirken sie er meist betont konventionell. Sie sind diejenigen, die immer wieder äußern, „man tue dieses oder jenes nicht“, wobei die Neugier nach der „sündigen, verbotenen“ Seite des Lebens ungeheuer stark ist. In Zweierbeziehungen, also auch in der Partnerschaft, erleben sie sich stets als Über- oder Unterlegene, niemals als Gleichbebechtigte.Jede menschliche Beziehung gerät ihnen zu einem Machtkampf. Deshalb gibt es kein tolerantes Miteinander, sondern nur einen ständigen Kampf. So wird die Ehe nicht in erster Linie als eine Gemeinschaft erlebt, sondern als ein Vertrag mit Bindungen. Unbewusst erleben sie den Partner als Besitz, dem kein Eigenleben zugeschrieben wird.

Charakteristische Ausprägungen sind Kriecher, Nörgler, Pedanten, Streber, Tyrannen, Radfahrer Querulanten, Vermeider, Zweifler. Andererseits zeichnen sich diese Menschen auch durch Ausdauer, Ehrgeiz, Pflichttreue und Verlässlichkeit aus.

Typische Angstinhalte der Zwangsneurose

Zwanghafte können nicht loslassen, sich gehen lassen, müssen sich und andere ständig kontrollieren. Sie haben Angst vor den eigenen lebendigen Impulsen, ebenso wie sie die der anderen fürchten. So können sie sich nicht unbeschwert ihrer Arbeit hingeben, eben so wenig wie sie sich ohne Kontrolle einer Freundschaft oder einer Liebesbeziehung hingeben können. Zwanghafte Menschen leiden unter der Angst vor allem Neuen und Ungewohnten. Dies führt zu einer ständigen Abwehr und zum Festhalten am Alten, Bekannten. Sie würden zudem am liebsten die Zeit anhalten, die von ihnen als Inbegriff des Vergänglichen und damit der eigenen Vergänglichkeit erlebt wird. Die Zwanghaften haben große Schwierigkeiten mit dem Hergeben und Schenken. Sparsamkeit bis zum Geiz gehören ebenfalls in diesen Bereich. Auch finden sich bei ihnen typische Arbeitsstörungen, die sie dazu bringen, alles erst auf den „letzten Drücker“ zu machen.

Ihre Angst vor Schmutz zeigt sich nicht nur in übertriebener Hygiene, sondern auch in der Tendenz, mit ihrer Arbeit nie fertig zu werden - aus Sorge, es könnte „Mist“ sein. Sie verzetteln sich in Einzelheiten, verlieren leicht den Überblick über das Ganze. Harmloseste Dinge bekommen Ewigkeitswert und belasten übermäßig. Gefühlsbetonte Situationen verunsichern zutiefst, da man Gefühle bekanntlich nicht messen und nach Belieben an- und abstellen kann. Weiterhin wird alles Triebhafte und Animalische gefürchtet. Die Folge davon sind übertriebene Hygiene, Infektionsangst, häufiges Händewaschen nach Handgeben. Am liebsten würde der Zwanghafte die ganze Welt sterilisieren. So kann im Extremfall ein Kuss in erster Linie zu einer Infektionsquelle werden, weshalb er vermieden werden muss.