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W. A. Hary

TEUFELSJÄGER 151-152: Schattenreich des Todes

„Die ersten beiden Folgen des Vierteilers!“


Nähere Angaben zum Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Wichtiger Hinweis

Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt! Jeder Band (siehe Druckausgaben hier: http://www.hary.li ) ist jederzeit nachbestellbar.

 

TEUFELSJÄGER 151/152

 

W. A. Hary

Schattenreich des Todes

Die ersten beiden Folgen des Vierteilers!“

 

Ich habe nicht gezählt, wie vielen Schergen des Bösen ich im Laufe der Zeit das schändliche Handwerk gelegt habe. Immerhin in mindestens tausend Leben. Kein Wunder, dass die Brut des Bösen auf Rache sinnt. Aber dass ausgerechnet der Tod höchstpersönlich dazu zählen würde, habe selbst ich nicht für möglich gehalten. Bis eines Tages…

 

Impressum

Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

ISSN 1614-3329

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Titelbild: Gerhard Börnsen

Coverhintergrund: Anistasius

 

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Herold Wilson fühlte sich leicht unwohl. Wirklich nur leicht. Also kein Grund, irgendjemanden auf dem großen Presseball damit zu belästigen. Es würde sicherlich kaum auffallen, wenn er sich für ein paar Minuten zurückzog, bis es ihm wieder besser ging.

Unterwegs zu den Waschräumen kam er an einem großen Spiegel vorbei. Davor richteten die hohen Herrschaften ein letztes Mal ihr sogenanntes Outfit, um sich möglichst günstig in der Öffentlichkeit zu präsentieren, ehe sie den Ball betraten.

Herold Wilson war jetzt allein davor und warf eher beiläufig einen Blick hinein.

Er erschrak: Er sah richtiggehend schlecht aus. Natürlich war er nach wie vor „ein Bild von einem Mann“, wie man zu sagen pflegte, aber seine Gesichtszüge waren eingefallen, die Augen lagen tief in ihren Höhlen und waren zudem dunkel umrändert.

Was war los mit ihm? Er sah ja aus wie sein eigener Tod.

Das Wort Tod erzeugte in ihm einen gelinden Schock, und als wäre dies der eigentliche Auslöser dafür, spürte er prompt einen scharfen Stich in der Brust - dort, wo sich sein Herz befand.

Seine Rechte krallte sich in den weißen Smoking. Sein Herz pochte darunter wie wild. Als würde es sich bemühen, aus der Brust zu springen.

Und dann hörte es auf zu schlagen, von einer Sekunde zur anderen. Dabei verstärkte sich der ungeheure Druck um seine Brust, als würde ihn ein Stahlreif beengen, der immer weiter zugezogen wurde, um seine Brust zu zerquetschen.

Er brachte noch nicht einmal mehr ein Röcheln zustande. Seine weit aufgerissenen Augen starrten in den Spiegel. Seine Gestalt wankte.

Der Tod! Er sah ihn, wenn er im Spiegel über die eigene Schulter blickte. Dieser grinsende Dämon, in dessen hohlen Augen ein unbestimmbares Feuer glomm. Ein Totenschädel unter einer dunklen Kapuze. Er war in eine bodenlange Kutte gekleidet, eine Art Kapuzenumhang, und es fehlte auch nicht die obligatorische Sichel, mit der er reiche Seelenernte halten wollte.

In diesen Sekundenbruchteilen, die ihm noch verblieben, rollte in der Tat sein ganzes Leben vor seinem geistigen Auge ab, gerade so, wie es immer behauptet wurde. Allerdings in sehr geraffter Form. Erst war alles sehr gleichförmig gewesen, um nicht zu sagen langweilig. Bis er sich in eine Frau verliebt hatte, die für ihn unerreichbar gewesen war – für ihn als kleinem Polizisten, einem Konstabler auf Streifengang. Und sie war die große Diva gewesen, damals. Mitten in der Öffentlichkeit hatte sie gestanden, umjubelt von Massen und begehrt von beinahe jedem Mann auf diesem Erdenrund. Ausgerechnet diese Frau, die er immer nur dann sah, wenn er auf Streifengang an ihrer herrschaftlichen Villa vorbei kam. Sie hatte sich ein einziges Mal nur kurz mit ihm unterhalten, um nicht zu sagen, sie hatte sich dazu herab gelassen, mit ihm ein paar belanglose Worte zu wechseln. Wobei sie ihm versichert hatte, es sei ihr sehr angenehm, wenn ein Konstabler auf ihr Haus aufpassen würde. Seitdem konnte er an nichts anderes mehr denken. Und immer wieder winkte sie ihm zu, wenn sie mal kurz das Haus verließ und er vorn an dem breiten Gittertor stand, das in das Innere des großzügigen Geländes führte, geschmackvoll gepflegt von kundigen Gärtnern und bewacht von allerlei Sicherheitspersonal plus geifernden Hunden.

Nur deshalb war er den Pakt eingegangen. Den Pakt mit dem Tod. Dieser hatte ihm versprochen, ihn zu fördern. Herold Wilson wusste bis heute nicht, wie der Tod dies überhaupt hatte schaffen können, aber es hatte zumindest funktioniert. Er war auf der Karriereleiter unaufhaltsam empor gestiegen bis hoch zum höchsten Polizisten von London und somit einem der höchsten Polizisten überhaupt auf dieser Welt, wenn man es recht besah. Und auf diesem Weg war ihm zwangsläufig die große Diva immer wieder begegnet. Auch dann, als ihr Stern längst im Sinken begriffen gewesen war. Sie hatte ihn noch nicht einmal wiedererkannt, als er es zum ersten Mal gewagt hatte, sie persönlich anzusprechen. Just auf einem Presseball wie heute.

Von diesem Zeitpunkt an waren sie zusammen gewesen. Sie hatten sogar geheiratet. Alles war gut gegangen. Zunächst. Herold Wilson hatte den Himmel auf Erden erlebt. Zumindest für ein paar glückliche Jahre. Und der Tod war niemals wieder aufgetaucht, auch nach der Scheidung nicht, und die lag inzwischen auch wieder einige Jahre zurück.

Ein letzter Gedanke:

„Ich bin jetzt gerade mal über die Sechzig, habe noch vor einer halben Stunde ausgesehen wie das blühende Leben. Jede Frau, die was auf sich hält, begehrt mich. Und jetzt… soll ich sterben?“

Für den Gedanken: „Ich bin doch noch gar nicht so weit!“ fehlte die nötige Zeit: Herold Wilson ging bereits in die Knie. Er konnte sich nicht mehr länger aufrecht halten.

Doch da griff der Tod ein. Höchstpersönlich. Sein grinsender Totenschädel war jetzt neben seinem Gesicht, deutlich zu sehen im Spiegel.

Im Sterben sah er dem Tod irgendwie ähnlich. Aber wieso wollte der Tod jetzt sein Ableben verzögern? Ausgerechnet er? Hatte er denn noch nicht lange genug auf seine Seele gewartet?

„Der Pakt!“, grollte es abgrundtief. „Ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten. Bis heute. Jetzt kommt dein Teil der Abmachung, Herold Wilson. Oder was glaubst du, weshalb ich dich so hoch habe empor steigen lassen? Deine Seele gehört jetzt mir, wie abgesprochen. Endgültig. Aber ich werde sie noch nicht mitnehmen, weil du mir so viel nützlicher sein wirst.“

Nützlicher? Er? Wofür?

Herold Wilson versuchte, sich zu erinnern, wie der Pakt überhaupt gelautet hatte. All die vergangenen Jahre hatte er es immer wieder verdrängt. Erfolgreich. Er hatte nicht daran denken wollen.

Der Pakt: Der Tod verhalf ihm zu Ruhm und Ansehen – und er versprach ihm dafür seine Seele. Im Augenblick des Todes. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Die grollende Stimme war nicht nur in seinen Ohren, sondern auch in seinem Kopf, ja, sie erfüllte sogar jede Faser seines bebenden Leibes:

„Deine Seele gehört jetzt mir. Ganz und gar. Herold Wilson, ich kann frei über dich verfügen. Du bist mein willfähriger Sklave, und vor allem, du wirst wach alles mitbekommen, was geschieht. Alles. Du wirst wissen, wie genial meine Inszenierung sein wird. Auf lange Hand vorbereitet. Für den größten Triumph des Todes. Wenn mir das gelingt, wobei die schlimmsten Dämonen der Hölle bislang versagt haben. Wenn ich am Ende, auf dem finalen Höhepunkt, die wichtigste Seele überhaupt ernten werde – die Seele nämlich von Teufelsjäger Mark Tate!“

„Wie bitte?“, wollte er ächzen, aber kein Laut verließ seinen Mund, der ihm gar nicht mehr gehörte, sondern nur noch einem, nämlich dem Tod.

Und so musste er tatenlos mit beiwohnen, in seinem eigenen Körper, als sich sein Körper selbständig machte, wie ferngesteuert, und zurückkehrte zum großen Presseball.

Jetzt sah er wieder ganz normal aus und vor allem… lebendig!

Ausgerechnet Mark Tate!, hämmerte es indessen in ihm. Mark Tate ist im Laufe der Jahre zu einem guten Freund geworden. Ich habe alles getan, um ihm die Zusammenarbeit mit der besten Polizei der Welt zu ermöglichen, nämlich mit Scotland Yard. Vor allem mit Chefinspektor Tab Furlong. Und ich habe ihm immer genau die Tipps gegeben, die er benötigt hat, um der Brut des Bösen das Handwerk zu legen.

Und jetzt soll ich es sein, der seine Karriere beenden wird?

Er ist ein Seelenwanderer. Wenn er stirbt, wird er wiedergeboren. Doch nur so lange, bis es dem Tod gelingt, auch seine Seele zu ernten. Für immer.

Aber wie wollte der Tod denn das anstellen?

Noch wusste Herold Wilson das nicht, aber er würde es wohl erfahren – ja, erfahren müssen…