Christian Lunzer - Peter Hiess

Der Fall Anna Maria Zwanziger

Eine wahre Perle

 

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Kreittmayrstr. 26, 80335 München

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Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-95616-559-7

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Inhalt

Eine wahre Perle

Quellen

Lust auf mehr?

Mütter, Töchter, Ehefrauen

Gift & Galle

Auf Messers Schneide

Weibliche Tugenden

Mörderische Arbeitsmarktverwaltung

Mord am Arbeitsplatz

Arbeitsplatz und Ausbildung

Die Autoren

Der Verlag

Impressum

 

Eine wahre Perle

Die Taten der Anna Maria Zwanziger, die die Kriminalgeschichte auch als »deutsche Marquise de Brinvilliers« (eine berühmte französische Giftmischerin) oder das »Monster aus Bayern« kennt, zeichneten sich durch exakte, langfristige Planung und damit eine gute Portion Heimtücke aus. Nicht umsonst gilt diese Frau als eine der drei klassischen deutschen Giftmörderinnen des 19. Jahrhunderts.

Dabei war sie eigentlich – wie häufig in solchen Fällen – eine unscheinbare Person, der niemand etwas Böses zugetraut hätte …

Der Justizamtmann von Pegnitz im Bayreuther Oberland gratulierte sich zur Wahl seiner neuen Haushälterin. Am 25. März 1808 hatte Herr Glaser auf Empfehlung von Freunden eine Nürnberger Witwe mit Namen Nanette Schönleben (geborene Steinacker) engagiert, die einige Jahre in seinem Amtsort als Näherin gearbeitet und sich durch »sittliches Betragen, Bescheidenheit und untadeligen Lebenswandel« empfohlen hatte. Sie war mit ihren über 50 Jahren zwar nicht mehr ganz jung und auch nicht mehr besonders ansehnlich, hatte aber das Hauswesen bald völlig im Griff. Und das war für den Amtmann, der gerade von seiner Frau verlassen worden war, besonders wichtig.

Die Witwe kümmerte sich nicht nur um Küche und Keller, sondern setzte darüber hinaus – in scheinbar selbstloser Manier – alles in Bewegung, was in ihrer Macht stand, um die entlaufene Gattin ihres Arbeitgebers zur Rückkehr ins verlassene Ehebett zu bewegen. Sie schrieb Briefe und insistierte so lange, bis sie tatsächlich Erfolg hatte: Frau Glaser wollte sich mit ihrem Mann versöhnen und Nanette sorgte für einen großen Empfang. Das ganze Städtchen stand Spalier, die Wege waren mit Blumen bestreut und über der Haustür prangte der Spruch »Der Witwe Hand knüpft dieses Band«, von dieser selbst gedichtet und in Schönschrift verewigt. Die Heimkehrerin wurde allerdings von üblen Vorahnungen geplant. »Ich melde Euch«, schrieb sie an eine Freundin, »dass nächsten Mittwoch eine Aussöhnung mit meinem Mann statthat. Wie mir ist, kann ich Euch nicht sagen. Fürchterlich tobt es in mir. Ob mir vielleicht etwas ahnet?«

Und ob ihr etwas ahnte … Kaum vier Wochen nach dem Brief, am 26. August 1808, starb die bis dahin völlig gesunde, kräftige junge Frau plötzlich unter fürchterlichen Krämpfen, Erbrechen und Diarrhöen.