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ALAN CARTER

DES EINEN
FREUD

KRIMINALROMAN

AUS DEM AUSTRALISCHEN ENGLISCH
VON SABINE SCHULTE

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Die Originalausgabe

Karte »Fremantle und

Edition Nautilus GmbH

Für meine Mum und meinen Dad, Nancy und Billy

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Nec prece nec pretio … a recta via deduci.

Weder durch Bitte noch durch Bestechung …
vom rechten Weg abgebracht werden
.

Motto der Stadt Fremantle

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Zwei Wochen später

Epilog

Dank

Prolog

»Hassen Sie diese Frauen?«

»Warum sollte ich?«

»Was geht Ihnen dabei durch den Kopf?«

Sie haben mir eine Psychologin geschickt, eine Absolventin der Edith Cowan University. Nicht zu fassen. Sie hat mir gleich in den ersten fünf Minuten mehr über sich selbst erzählt, als sie in den nächsten fünf Jahren aus mir rauskriegen wird. Frisch von der Uni, und da glaubt sie, sie könnte in einen Kopf wie meinen einfach reinspazieren und sich darin umsehen. Geh da lieber nicht rein, Schätzelein, vielleicht kommst du nie wieder raus.

»Nichts.«

»Nichts?«

»Ganz richtig. Mir geht dabei nichts durch den Kopf. Der ist leer. Ich hasse die Frauen nicht. Ich gerate nicht bei jedem Vollmond in einen Blutrausch. Das kommt und geht. Ist nicht persönlich gemeint.«

Marissa spricht von denen, die überlebt haben. Ich nicht. Sie beendet ihre Notizen und schenkt mir ein niedliches Stirnrunzeln.

»Es fällt mir schwer, das zu glauben. Ich meine, bei den Verletzungen. Sieht so aus, als hätten Sie ganz viel Wut in sich.«

»Wollen Sie mich als Lügner bezeichnen, Marissa?«

Ich kann in ihren Rock hineingucken, an den glatten Innenseiten ihrer Schenkel entlang. Sie weiß das. Sie setzt sich anders hin und verschiebt ihren Notizblock, um mir die Sicht zu versperren.

Zu spät, jetzt ist das Bild in meinem Kopf, und in deinem ist es auch.

Oder nicht, Marissa?

Sie spürt meinen Blick, hört meine Stimme in ihrem Innern. Wünscht, sie hätte mich nicht übernommen. Seit sie jetzt ganz allein mit mir ist, erinnere ich sie an alles Schlimme in ihrem armseligen Leben. Sie spürt mich unter der Haut. Sie spürt mich an allen intimen Stellen.

Ich weiß, dass ich gewonnen habe. Wieder mal.

1

Donnerstag, 21. Januar. Morgen.
Thompsons Lake, Beeliar Regional Park,
Western Australia.

Der Leichenspürhund lag im spärlichen Schatten eines Papierrindenbaums und hechelte aus Leibeskräften. Das Thermometer würde heute wieder bis auf vierzig Grad klettern, schon den sechsten Tag in Folge. Rauch lag in der Luft, und einige Kilometer entfernt waberte eine graue Säule in den Himmel: eins von einer Handvoll böswillig entzündeter Buschfeuer rings um die Stadt herum. Detective Senior Constable Philip »Cato« Kwong sah auf seinem Handy nach der Uhrzeit. Es war 9:36 Uhr.

Ein Hundeführer gab Mintie Wasser. Für einen Hund war sie gar nicht so übel. Sie war im Allgemeinen ruhig und gutmütig und diente einem nützlichen gesellschaftlichen Zweck. Cato war zwar kein großer Hundeliebhaber, aber er war vielen Menschen begegnet, auf die diese drei Dinge nicht zutrafen. Mintie hatte ihren Namen von den in Australien allgegenwärtigen Pfefferminz-Kaubonbons. Cato fiel ein, dass das Dezernat für Öffentlichkeitsarbeit bei der Polizei die Idee hatte, diese Bonbons am Nationalfeiertag an Teenager zu verteilen, die der Alkohol verrückt gemacht hatte. Vielleicht würden die Minties den Halbstarken helfen, kurz nachzudenken, bevor sie zuschlugen oder einen Fremden mit einer kaputten Flasche attackierten. Das würde sich am nächsten Dienstag zeigen, am 26. Januar. Mintie regte sich, schlappte dankbar aus der Wasserschüssel und folgte dem Hundeführer zögernd wieder in die grelle Sonne hinaus.

Das Suchgitter hatte eine Fläche von etwa zehn mal zwanzig Metern. Es lag in einem Naturschutzgebiet namens Thompsons Lake, einem Stück Buschland am südlichen Ende der Autobahn. Nach einer Reihe von trockenen Wintern, denen heiße Sommer gefolgt waren, war der See verschwunden. Übrig geblieben waren nur eine Kruste aus rissigem Schlamm und verdorrtes, hüfthohes Gras. Um die Wildtiere drinnen und verwilderte Katzen und Dirtbiker draußen zu halten, hatte man das gesamte Gelände mit einem hohen Zaun umgeben. Und damit stellte sich auch schon gleich das erste Problem: Wie kriegte man in diese Umzäunung eine Leiche hinein? Eben waren sie alle von der Russell Road aus hereingekommen, durch einen Eingang mit Drehkreuz, so als wollten sie sich einen Tag lang auf der Royal Show in Perth amüsieren. Es gab zwar auch Fahrwege in den Naturpark hinein, aber nicht hier in der Nähe. Cato fielen eine Menge Stellen ein, wo man eine Leiche vergraben konnte, diese hier hätte auf seiner Liste aber eher weiter unten gestanden.

Rabenkakadus mit weißen Schwänzen kreischten gereizt aus den Baumkronen. Der Hundeführer flüsterte Mintie etwas zu, tätschelte sie und ließ sie dann von der Leine, damit sie ihrer Nase folgen konnte. In einer Reihe begannen die Polizisten und die freiwilligen Helfer vom Rettungsdienst, das Gitter abzugehen.

»Ich bin ziemlich sicher, dass ich sie da drüben hingelegt habe.«

Cato schaute den Sprechenden an. Gordon Francis Wellard, etwa Ende vierzig, Spitzbart, er sah aus wie ein verlebter Bohemien. Wellard war kleiner, als Cato gedacht hatte, doch die Andeutung von Muskulatur reichte, um alle abzuschrecken, die glauben mochten, sie hätten leichtes Spiel mit ihm. Netze aus Lachfältchen spannten sich um listige Augen. Man konnte sich vorstellen, wie er vormittags draußen vor Gino’s Café saß, in aller Ruhe seinen Latte Macchiato trank und sich über die mangelhafte Kunstförderung in diesem sogenannten Boom-Staat ausließ.

Jetzt allerdings saß er in Handschellen auf einem klappbaren Picknickstuhl zwischen zwei Justizvollzugsbeamten. Alle drei rauchten und lachten zusammen über einen Witz. Für Wellard war es ein toller Ausflug. Er hatte lebenslänglich für einen Mord bekommen, und jetzt suchten sie nach einem weiteren, früheren Opfer, nach Briony Susan Petkovic. Bree, wie ihre Mutter sie nannte, wurde seit über fünf Jahren vermisst. Für Brees Mutter, die auch Wellards Exfrau war, war die Geschichte aber keineswegs abgeschlossen. Da stand sie, ein paar Meter entfernt, mit Sonnenhut und in Trikothemd und Cargohosen. In den Händen hielt sie eine T-Sonde aus Metall.

Als ihre Tochter verschwunden war, hatte Shellie Petkovic sofort gewusst, dass Wellard etwas damit zu tun hatte. Den Akten zufolge hatte sie seitdem Wellards Gespött über sich ergehen lassen. Fünf Jahre lang hatte sie ihn eindringlich gebeten, Bree herauszugeben. Sie hatte ihn zahllose Male im Gefängnis besucht. Manchmal hatte sie selbst den Antrag gestellt, oft hatte er sie eingeladen, einige Besuche hatten die ganze Stunde gedauert, andere nur dreißig Sekunden. Alle waren vergeblich gewesen. Wellard hatte sich einfach irgendetwas zusammenphantasiert, je nachdem, wie er sich an dem jeweiligen Tag gerade fühlte.

Aber da er jetzt hinter Schloss und Riegel saß und glaubte, er könne sich durch Kooperation Vorteile verschaffen, hatte er seine Einstellung schließlich überdacht. Die Polizei war nervös gewesen, als sie Shellie Petkovic seine grotesken Bedingungen erklärt hatte, aber Shellie hatte ohne Zögern eingewilligt – alles war besser, als nicht zu wissen, wo sich ihre Tochter befand. Daher stand sie jetzt mit der T-Sonde da und stocherte nach den Anweisungen des Mörders in der Erde herum, um Brees Leiche zu finden. Trotz der Hitze löste diese Vorstellung bei Cato eine Gänsehaut aus.

»Oder vielleicht da drüben?«, sagte Wellard mit einem Finger an den Lippen, nachdenklich, als überlege er, wo man die neuen Möbel hinstellen solle. »Ja, da wird’s wärmer, eindeutig.«

Wirklich zum Schießen.

Um die Situation zu entschärfen, trat Detective Inspector Mick Hutchens so zwischen den Mann und seine Exfrau, dass die beiden sich nicht mehr sehen konnten. Das Ganze war Hutchens’ Idee gewesen, und jetzt witterte er offenbar ein Ergebnis. Cato hingegen konnte nur Schweiß, Rauch und etwas Saures riechen.

Mintie schlug an, wedelte mit dem Schwanz und scharrte auf einer sandigen Stelle herum.

Alle umringten die Hündin, während sie sich setzte und auf ihre Belohnung wartete. Der Hundeführer tätschelte sie und gab ihr ein Leckerli. Hutchens hatte ein Funkeln in den Augen. Er nickte einem Helfer zu, der daraufhin eine T-Sonde in die ausgetrocknete Erde stieß. Ein leises Scharren war zu hören, wie ein Zischen, als stieße die Erde den lange angehaltenen Atem aus.

Der Stab hatte etwas getroffen. Der Helfer zog ihn heraus, markierte die Stelle und versuchte es ein paar Zentimeter weiter noch einmal. Wieder traf er. Einige Zentimeter entfernt noch ein Treffer. Die Mutter stieß ein Schluchzen aus. Wellard war mucksmäuschenstill geworden. Da er sich am äußeren Rand des Kreises befand, versuchte er aufzustehen, um besser sehen zu können, aber die Justizvollzugsbeamten drückten ihn wieder auf seinen Stuhl.

Als die Spaten geholt wurden und zwei Männer anfingen zu graben, trat Cato mit den anderen zurück.

Gestank stieg auf. Die Leiche wimmelte von Maden und anderen Insekten. Fliegen ließen sich auf dem aufgedeckten Festmahl nieder. Es war etwa anderthalb Meter lang und hatte vier Beine.

»Ein gottverdammtes Schwein«, bemerkte Hutchens.

Hinter ihnen kicherte Wellard auf seinem bequemen Picknickstuhl. Die Mutter schrie auf und holte mit der eisernen Sonde aus. Doch bevor sie Wellards Kopf treffen konnte, warf Cato sich instinktiv dazwischen, um den Mörder zu schützen. Das war das Letzte, woran er sich erinnerte.

2

Freitag, 22. Januar. Vormittag.
Fremantle, Western Australia.

Es stank nach schalem Bier und Alkopops, und der Boden klebte unter ihren Schuhsohlen. Lara Sumich streckte dem Barmanager ihren Dienstausweis hin. Der Mann sah aus, als hätte er nicht viel geschlafen, und die Zähne hatte er sich auch schon länger nicht mehr geputzt.

»Was kann ich für Sie tun, Detective – Senior – Constable?«

Er hieß Luke und hatte seine Frage an ihre Brust gerichtet.

»Der Film aus der Überwachungskamera von gestern Abend. Den möchte ich gern sehen.«

Luke wirkte verblüfft. »Kann mich nicht an irgendwelchen Ärger erinnern.«

»Ein Mann hat draußen auf der Straße eine Flasche ins Gesicht gekriegt. Er hat ausgesagt, er hätte mit dem Typen, der das gemacht hat, vorher hier drinnen ein bisschen gerangelt.«

»Das höre ich zum ersten Mal.«

»Vielleicht müssen Sie Ihren internen Kommunikationsprozess optimieren.«

»Wie bitte?«

»Ein bisschen mehr mit Ihrem Personal reden.« Lara verlor die Geduld. »Was ist jetzt mit dem Film?«

»Das Zauberwort?«

»Wie wär’s mit ›Schanklizenz‹? Können wir weitermachen?«

Sie gingen hinter die Bar und durch einen vollgestellten Flur in ein Büro. Es war die ganz normal versiffte Variante: Schreibtisch, Stuhl, Papiere, Aschenbecher, Computer und ein Poster mit einer nackten jungen Frau, die in den Farben der Fremantle Dockers bemalt war. Sie hielt einen roten Football, Marke Sherrin. Die beiden Überwachungsmonitore standen auf einem Extratisch. Auf dem einen war ein einziges großes Bild zu sehen, der andere war in Viertel geteilt und zeigte die Aufnahmen von den Kameras über der Tanzfläche, hinter der Bar, im Foyer und über dem Eingang. Auf einem der Bilder ging gerade eine Reinigungskraft mit Wischmop und Eimer über die Tanzfläche, und auf einem anderen suchten Fußgänger in der zunehmenden Hitze draußen den Schatten des Gebäudes.

»Auf CD oder USB-Stick?«, fragte Lara.

»Geht beides, was ist Ihnen lieber?«

»CD. Alles, von etwa acht Uhr bis zur Schließung.«

»Kein Problem.« Luke klickte und tippte eine Weile, dann reichte er ihr zwei CDs. »Viel Spaß damit.«

Ein gedämpfter Aufschrei ertönte, und auf dem Überwachungsmonitor war zu sehen, wie die Putzfrau Arme schwenkend über die Tanzfläche gerannt kam. Lara folgte Luke zurück durch den Flur.

»Mister Luke, Mister Luke!«

»Was ist denn jetzt schon wieder?«

»Mister Luke, in der Toilette.«

»Worum geht es denn?« Er wandte sich an Lara. »Diese Leute arbeiten für ’n Appel und ’n Ei, aber man kriegt nichts Vernünftiges aus ihnen raus.«

Reizend. Lara machte sich nicht die Mühe zu antworten.

»Gehen Sie, Mister, sehen Sie doch, in der Toilette. Bei den Männern.«

Diesmal ging Lara voran. Sie winkte den beiden anderen, sie sollten warten, als sie die Tür aufschob. Nachtklub-Toiletten rochen ja meistens ein bisschen streng, aber hier stank es wie in einem Schlachthaus. Alle Kabinentüren standen offen, bis auf eine. Aus dieser Kabine kam Blut, auf den abgetretenen blauen Fliesen davor hatte sich eine dunkle, klebrige Lache gebildet. Lara lugte durch den Spalt unter der Tür und sah Füße in schmuddeligen Sportschuhen. Da sie den Tatort nicht verunreinigen wollte, ging sie in die Nachbarkabine, stellte sich auf die Kloschüssel und schaute über die Trennwand.

Cato Kwong betastete seine Beule. Sie befand sich knapp über dem Haaransatz links von der Schläfe. Auch wenn sie ein bisschen abgeschwollen war, blieb sie doch weiterhin empfindlich. Aber die Wunde hatte nicht genäht werden müssen, die medizinischen Pendants zu Klebstoff und Klebeband hatten ausgereicht, um sie zu schließen. Cato war fünf Minuten bewusstlos gewesen und dann mit höllischen Kopfschmerzen und blutverklebtem linken Auge wieder zu sich gekommen. Dunkel erinnerte er sich daran, wie die Mutter »Tut mir leid, tut mir so leid« geschluchzt hatte, wie man Wellard mit seinem gackernden Lachen abgeführt hatte und wie Detective Inspector Hutchens in sein Blickfeld geschwebt war.

»Mensch, Cato, alles in Ordnung? Gut gemacht, mein Junge.«

Als CT und Tests bestätigt hatten, dass er weder Schädelfrakturen noch offensichtliche Hirnschäden davongetragen hatte, war Cato aus dem Fremantle Hospital entlassen worden. Den Abend hatte er zu Hause verbracht und sich seinen Kopfschmerzen und seinen bösen Gedanken über Detective Inspector Hutchens und Gordon Wellard hingegeben. Irgendwann hatte er dann ein paar Panadol geschluckt und sich entschieden, früh ins Bett zu gehen. Jake würde erst am Dienstag kommen. Sie wollten zur Australia Day Cracker Night unten am Hafen gehen, wo mehr als Feuerwerk geboten wurde. Anschließend würde der Junge für den Rest der Woche bei ihm bleiben und erst am Sonntag wieder zu seiner Mutter und ihrem neuen Freund zurückkehren.

Cato trank einen Schluck Kaffee und schaute aus dem Fenster über die niedrigen Dächer von Fremantle und die Norfolktannen, hinter denen der Indische Ozean flimmerte. Wieder ein Tag mit vierzig Grad, aber heute saß er immerhin in einem Großraumbüro mit Klimaanlage. Jetzt standen der Papierkram und das Nacharbeiten von Wellards großem Ausflug an.

Gordon Francis Wellard war ein sadistischer, kontrollsüchtiger, geltungsbedürftiger Psychopath – davon gab es im Casuarina, dem Hochsicherheitsgefängnis von Western Australia, einen ganzen Haufen. Wellard aber war angeblich Hutchens’ persönlicher Psychopath, ein Informant, den der Detective Inspector seit den Anfängen seiner Karriere gehegt und gepflegt hatte. Das hatte beiden Männern etwas gebracht: Hutchens hatte für seine berufliche Laufbahn davon profitiert, und Wellard war in dieser Zeit scheinbar unantastbar gewesen, ganz gleich, was man ihm im Laufe der Jahre zur Last gelegt hatte. Jetzt jedoch hatte er Hutchens in Verlegenheit gebracht, weil er wegen Mordes eingebuchtet worden war. Folglich musste Wellard sich rehabilitieren. Das Mindeste war, dass er ihnen verriet, wo die Leichen vergraben waren.

Hutchens glaubte allen Ernstes, dass er an den Mann herangekommen war. »Siehst du, Cato, ich weiß ja, dass der Mann ein Arsch ist, aber er ist zuverlässig. Er wird das Richtige tun. Er ist mir was schuldig.«

Laut Akte hatte Shellie Petkovic drei Jahre Ehehölle mit Wellard erduldet. Als sie ihn los war, nahm sie als Erstes ihren Mädchennamen wieder an. Der charismatische Mann, den sie zu heiraten geglaubt hatte, hatte in den Flitterwochen im Kalbarri Beach Resort sein wahres Gesicht gezeigt. Ein Streit über eine Belanglosigkeit hatte damit geendet, dass Shellie im dortigen Krankenhaus mit zwei Dutzend Stichen genäht werden musste. In den nächsten beiden Jahren schikanierte Wellard sie, er prügelte und misshandelte sie, vergewaltigte sie, bestahl sie und belauerte sie auf Schritt und Tritt. Jedes Mal, wenn Shellie versuchte, ihn zu verlassen, wurde sie durch Drohungen und Manipulationen wieder gefügig gemacht. Ihre Tochter Bree, die aus einer früheren Beziehung stammte, war Zeugin dieses Albtraums und bald hatte Wellard auch das Mädchen ganz in seiner Gewalt. Mit dreizehn schwänzte Bree die Schule, mit vierzehn trank sie und nahm Drogen, mit denen Wellard sie versorgte, und mit fünfzehn stand sie auf der Vermisstenliste.

Während einer der seltenen Phasen, in denen Shellie die Nervenstärke aufgebracht hatte, bei einer Freundin Zuflucht zu suchen, erhielt sie einen Anruf von ihrer Tochter. Bree sagte, sie sei mit Wellard zusammen. Das war ihr letztes Gespräch gewesen. Als Shellie Wellard zwei Tage später nach Bree fragte, behauptete er, er wisse nicht, wo sie sich aufhalte. Nachbarn berichteten, sie hätten an dem Abend, als Bree angerufen hatte, einen Streit gehört, aber sie hatten schon von vielen Streitigkeiten erzählt, und es hatte nie Konsequenzen gehabt. Man fand keine Spur von Bree, und so sehr die Polizei sich auch bemühte, es war nicht möglich, Wellard für ihr Verschwinden verantwortlich zu machen. Daher kam man zu dem Schluss, Briony sei eben ein unberechenbarer Teenager und könne überall sein. Nachdem ihre Tochter als vermisst gemeldet war, fand Shellie Petkovic den Mut, Wellard endgültig zu verlassen. Der Fall blieb ungelöst, aber die Akte verstaubte – soweit eine Computerdatei verstauben kann. Shellie allerdings ließ der Polizei weiterhin keine Ruhe. Sie meldete rätselhafte, höhnische Anrufe und Bemerkungen von Wellard, doch man konnte ihr nur zu einem Kontaktverbot raten, zusätzlich zu allem, was sie bereits gegen ihn in der Hand hatte. Zweieinhalb Jahre später wurde Wellard verhaftet, weil er seine neue Lebensgefährtin, Caroline Penny, ermordet hatte. Er wurde schuldig gesprochen und eingesperrt.

Da ihm ein Leben im Knast bevorstand, hatte Wellard seinen alten Kumpel Hutchens kontaktiert und ihm angeboten, Aussagen zu Brees Aufenthaltsort zu machen. Vielleicht erhoffte er sich als Gegenleistung für seine Kooperation einen bevorzugten Status und eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung. Vielleicht wollte er auch einfach nur weiter im Mittelpunkt stehen und ein bisschen Spaß haben. Cato konnte nur nach den offiziellen Berichten gehen, und auf den Formularen gab es keine Spalte, wo man den abartigen Daseinszweck eines Verrückten hätte beschreiben können.

In Catos Kopf hatte es wieder angefangen zu pochen. Er hatte keine Ahnung, was sein Chef sich von dieser Aktendurchsicht erhoffte. Reingewaschen zu werden? Oder ein verwässertes Geständnis? Wollte er die ungeliebte Aufgabe Cato zuspielen? Cato hatte schon einmal als Sündenbock hergehalten und geschworen, wenn auch nur sich selbst, seinem Chef nie wieder den gepolsterten Arsch zu retten. Doch nun war er hier, frisch aus dem Viehdezernat, und hatte in Hutchens’ handverlesener Kriminalpolizei in Fremantle eine zweite Chance erhalten. Vielleicht war das die Buße, die das Schicksal ihm für seine Sünden auferlegte? Dass er mit einer gelben Plastiktüte und einer Kotschaufel bewaffnet hinter seinem Chef herschlurfen musste? Cato wappnete sich für eine Auseinandersetzung mit Hutchens. Er wollte gerade an die Bürotür des Detective Inspectors klopfen, als sie sich öffnete.

»Genau der Mann, den ich sprechen wollte«, sagte Hutchens. »Ein Experte aus dem Viehdezernat.«

»Ja bitte?«

»Das Schwein, das wir gestern gefunden haben. Irgendein krankes Arschloch hat es mit einer Nagelpistole umgebracht. Nicht zu fassen, was es für Menschen gibt.«

»Das ist wohl eher ein Fall für den Tierschutzverein, Chef.«

Hutchens betastete die grauen Strähnen, die er über seine beginnende Glatze gekämmt hatte. »Ich weiß, das ist schlichtweg krank, sonst nichts. Das arme Schwein, hatte doch niemandem was getan.«

Cato hätte nie gedacht, dass sein Chef so eine Schwäche für das liebe Vieh hatte.

Hutchens zufolge hatte die vorläufige Spurensicherung am Tatort keinen Hinweis auf das vermisste Mädchen ergeben, sondern die grässlichen letzten Momente des Schweins aufgedeckt, das sich in der Gewalt eines Perversen mit einem Akkunagler befunden hatte. Wer immer das getan hatte, würde früher oder später ins Visier der Polizei geraten, denn Perverse neigten dazu, willkürlich die Spezies zu wechseln. Bis dahin allerdings mussten sie sich mit dem Nachspiel des Wellard-Fiaskos beschäftigen.

»Morgen besuche ich den Scheißkerl, dann drehe ich ihm den Hals um«, sagte Hutchens düster. »Wenn er glaubt, auf diese Weise würde er kriegen, was er will, dann hat er sich aber geschnitten.«

»Kann es sein, dass er mal ’ne klare Ansage braucht?«

»Der braucht mal zwanzig Minuten in der Dusche mit einem großen, wenig zimperlichen Freund, der ihn wieder in die Spur bringt.«

»Was soll ich mit dem Bericht machen? Ich hab ja nicht viel Spielraum. Zu viele Zeugen.« Ausreden, Ausreden – so viel zu Catos feierlichem Schwur, aufrichtig und integer zu bleiben und keine stinkenden Hinterlassenschaften mehr wegzuräumen.

»Scheiß auf den Bericht. Warum nicht die Wahrheit? Shellie hat den Bedingungen für die Suche zugestimmt, weil sie alles tun würde, um ihre Tochter zu finden. Ist nicht meine Schuld, dass Wellard ein Arsch ist. Schreib das, schreib, was du willst.« Hutchens warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. »Du machst dir zu viele Gedanken um die Formalitäten, Cato, du wirst noch zum Bürokraten. Aber ich hab dich als Polizist eingestellt.«

»Sorry, Sir, ich tue mein Bestes.«

»Instinkt, mein Freund, darum geht es.«

»Ich werd’s mir merken. Danke, Sir.«

»Was soll denn dieser Quatsch mit dem Sir? Wir machen hier doch keine Vorführung. Willst du mich verarschen?«

»Niemals.«

»Gut. Und jetzt fahr zu Shellie. Sieh mal zu, dass du das wieder zurechtbiegst.«

Das Telefon klingelte und Hutchens griff danach. Kurzes Gemurmel, seine Stirn glättete sich. »Ja, leck mich doch. Bis in zehn Minuten, Lara.«

»Gute Nachrichten?«, fragte Cato.

»Allerdings.« Hutchens strahlte. »Eine Leiche im Klo vom Birdcage, alles voller Blut.«

3

»Also, noch mal zur Klärung. Unser Johnnyboy macht gerade sein Kacka, die Tür ist abgeschlossen, und jemand schneidet ihm die Kehle durch. Richtig so?« Hutchens sah Lara scharf an, während er auf ihre Antwort wartete.

»Die Hose war offen, aber noch nicht runtergezogen. Dazu war er nicht mehr gekommen.«

Draußen um den Nachtklub herum war Absperrband gespannt. Der schlaksige, trübsinnige Duncan Goldflam und sein forensisches Team waren bereits an der Arbeit. Trittplatten aus Metall führten zum Tatort, und ein paar blutige Fußabdrücke und andere Dinge, die von Interesse waren, hatte man abgegrenzt, fotografiert und nummeriert. Das Lokal war beleuchtet wie ein Filmset, an der Wand spielten verzerrte Schatten.

»Woher kam unser Angreifer denn? Durch den Spalt unter der Tür? Oder oben über die Trennwand? Oder aus der Kloschüssel?«

»Es ist noch zu früh für Vermutungen, Boss.«

»Kommen Sie, Lara, dafür werden wir doch bezahlt. Ich habe gerade zu Cato gesagt, dass wir allmählich vergessen, wie man Polizeiarbeit macht.«

Cato Kwong hatte sich bis auf Hörweite genähert. Lara nickte ihm freundlich zu und lächelte. Das war Teil ihres stillschweigenden, unbehaglichen Waffenstillstands. Lara hatte bei der Arbeit am Fall Jim Buckley in Hopetoun gepfuscht, und Cato hatte das aufgedeckt und sie damit um den Ermittlungserfolg in ihrem ersten Mordfall gebracht. Sie hatte alle gängigen Tricks angewandt: Beweise untergeschoben, Zeugen manipuliert, Widersprüche vertuscht. Aber nichts davon hatte Cato Kwong täuschen können.

»Wenn die Forensiker mit den vorläufigen Untersuchungen fertig sind, können wir besser Vermutungen anstellen.«

»Hmmm. Und wir wissen seinen Namen noch nicht, ist das richtig?«

»Stimmt, bisher nicht.« Das war eine Lüge. Lara hatte den Toten in der Toilette gleich beim ersten Blick über die Trennwand erkannt. Aber sie hatte noch nicht durchdacht, welche Auswirkungen ihre früheren Beziehungen zu ihm haben könnten, daher schwieg sie vorerst.

Hutchens wandte sich an Cato. »Und was meinst du dazu?«

Cato nahm Laras Anwesenheit mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis. »Alles sehr interessant, Chef.«

Lara musterte Catos Gesicht, aber seine Miene war unergründlich.

Nichts war so schäbig wie ein Nachtklub bei Tageslicht, sinnierte Cato, als er vom Birdcage wieder losfuhr. Ein Pulk neugieriger Zuschauer hatte sich rings um das Absperrband versammelt. Sie schleckten Eis, schlürften kalte Getränke und Kaffee und machten mit ihren Handys Schnappschüsse. Fremantles neueste Touristenattraktion: Mord. Angeblich war es Catos Aufgabe, die Zeugenaussagen zusammenzutragen. Weiß Gott, wie viele Menschen in der vergangenen Nacht durch das Lokal gezogen waren. Er würde sie ausfindig machen, sobald er den kleinen Auftrag von Detective Inspector Hutchens erledigt hatte.

Shellie Petkovic wohnte in einer Doppelhaushälfte von Homeswest ganz in der Nähe der Lefroy Road, dicht bei der Highschool. Typisch sozialer Wohnungsbau: Am Straßenrand lagen fleckige Matratzen und verrostete halbe Fahrräder, obwohl erst in ein paar Monaten Sperrmüll war. Shellie bewohnte ein Eckhaus, das sich von den anderen durch eine selbstgebastelte Mosaik-Hausnummer, ein Klangspiel und einen Regenbogenkristall im Fenster unterschied. Aus der anderen Haushälfte dröhnte Musik, oder was man so nannte. Cato klopfte an das Sicherheits-Fliegengitter. Kein Lüftchen regte sich, und Schatten gab es auf der mittäglichen Straße auch nicht. Shellie schob den Riegel auf und verschwand ohne ein Wort wieder im dunklen Hausinneren. Cato folgte ihr. Das Haus roch nach Katze, und da lag sie auch schon, in einem Sessel zusammengerollt, eine dicke Tigerkatze. Shellie zog sich auf die Couch zurück und deckte sich trotz der Hitze mit einer Bettdecke zu. Sie beobachtete Cato.

»Ich soll fragen, wie es Ihnen geht, aber jetzt sehe ich es ja«, sagte Cato.

»Ja? Was sehen Sie denn?«

»Eine, die die Schnauze voll hat.«

»Und?«

»Es tut mir leid.«

»Danke. Finden Sie allein wieder raus?«

Er war entlassen, aber sie ließ ihn nicht aus den Augen. Shellies Augen waren auffallend blaugrau; in dieser Umgebung wirkte ihr Blick eindringlich und unversöhnlich. Ihr dunkles Haar war stachlig und verfilzt und schrie nach Zuwendung. Auf dem Kaminsims stand ein gerahmtes Foto von einer jüngeren, lächelnden Shellie und einem kleinen Mädchen in einem rosa Tutu und mit Feenflügeln.

»Mein Chef will wissen, wie Sie zu dieser ganzen … Geschichte stehen.«

»Wie meinen Sie das?«

»Wollen Sie die Sache weiterverfolgen?«

»Sagen Sie Ihrem Chef, das geht ihn einen Dreck an.«

»Okay.« Cato schrieb seine Handynummer auf eine Karte und legte sie auf den Tisch. »Wenn ich irgendwas tun kann, Anruf genügt.«

»Was macht Ihr Kopf?«

Cato betastete die Beule und lächelte. »Ist bloß eine Fleischwunde.«

»Schade, dass Sie mir in die Quere gekommen sind. Ich hätte das Arschloch erledigen können.«

»Wie kommst du mit den Zeugen voran?«

Lara Sumich hatte sich auf eine Ecke von Catos Schreibtisch gehockt. Sie schlürfte Wasser und hielt sich das kühle Glas dann an den Hals, dorthin, wo ihre Blusenknöpfe anfingen. In der Hitze war ihr brauner Pferdeschwanz welk geworden.

Cato sah auf seinen Monitor. »Die Reinigungskraft und das Personal der Bar habe ich schon. Hinter den Türstehern sind wir noch her. Und die Gäste? Das sind mehr als zweihundert. Donnerstags ist anscheinend immer Retro-Abend, Hits aus den Achtzigern.«

»Aus den Achtzigern? Was hatten die denn damals für Musik?«

»Men at Work, Spandau Ballet, Madonna, solche Sachen.«

»Da war ich wahrscheinlich noch mit meinen Barbie-Puppen beschäftigt.«

In diese Falle war Cato schon einmal getappt. Der Altersunterschied zwischen ihnen betrug höchstens zehn Jahre, aber Cato fühlte sich Lara gegenüber wie ein Relikt aus dem Neolithikum.

»Viele von den Gästen waren Studenten von der Notre Dame hier in Fremantle und von der Murdoch University in Perth, außerdem waren Rucksacktouristen da und Gäste, die am Donnerstagabend regelmäßig kommen. Wenn wir also die Mitgliederliste des Klubs, die Daten von den Unis und den Hostels und außerdem die Filme aus den Überwachungskameras haben, müssten wir sie irgendwann alle zu fassen kriegen.« Cato lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Du hast die Filme, ist das richtig?«

»Ja, ich will nur was nachgucken, dann kriegst du sie, noch heute Nachmittag.«

»Danke.« Cato wandte sich wieder dem Computer zu. »Ein Glück, dass du so schnell am Tatort warst.«

»Ich hatte eine Beschwerde wegen Körperverletzung bekommen und war gerade dabei, der Sache nachzugehen.«

»Irgendein Zusammenhang?«

»Nein, soweit ich das sagen kann.«

»Irgendwelche persönlichen Daten über das Opfer?«

»Nein, bisher nicht.« Lara trank ihr Wasser aus und stand auf. Cato erhaschte einen Hauch ihres teuren Parfüms. »Teambesprechung um fünf«, sagte sie. »Bis dann.«

»Er heißt Santo Rosetti. Zweiunddreißig Jahre alt. Derzeit wohnhaft bei seinen Eltern in Spearwood. Vorbestraft wegen Drogenbesitz und Drogenhandel: Haschisch, Ecstasy, Methamphetamin, Ketamin, die übliche Palette.« Lara schaute sich in dem überfüllten Raum um; aller Augen waren auf sie gerichtet. Detective Inspector Hutchens hatte deutlich gemacht, dass er die Leitung hatte, dass sie aber die Routinearbeit machen sollte. Jetzt brachte sie alle auf den neuesten Stand. Am Nachmittag hatte man Santos blutige Brieftasche aus einem Baucontainer gefischt. Das Bargeld war verschwunden, aber verschiedene Karten hatten noch dringesteckt, darunter auch die von der Krankenversicherung und der Führerschein. Dass Santo jetzt durch ordentliche Ermittlungen offiziell identifiziert worden war, machte das Leben für Lara ein bisschen einfacher. Sie brauchte nicht mehr zuzugeben, dass sie ihn kannte. »Bekannte Kontakte, er hatte Verbindungen zu den Apachen, hat aber auch mit den Brüdern Tran aus Baldivis geflirtet.«

»Klingt ziemlich schwachsinnig«, murmelte Hutchens.

»Jedenfalls lebte er gefährlich«, sagte Lara. »Ich vermute, dass die Dezernate für Bandenkriminalität und für schwere Straftaten an dem Fall mitarbeiten wollen, oder nicht, Boss?«

»Nur über meine Leiche«, erklärte Hutchens. Aus der Versammlung ertönte beifälliges Gemurmel. Sie wollten sich als erste an diesem Mordfall versuchen. Hutchens schenkte ihnen ein Lächeln, ganz der huldvolle Diktator. »Ich werde die Parameter mit dem Dezernat für schwere Straftaten abklären. Cato, du bist für den Kontakt zur Bandenkriminalität zuständig. Dich kennen sie ja. Sorge dafür, dass sie brav bleiben und nichts erfahren und uns in Ruhe lassen.«

Lara behielt ihre mordlustigen Gedanken für sich. Kwong war der Letzte, den sie in dieser Position gebrauchen konnte. Hutchens sah sie an, als könne er ihre Gedanken lesen.

»Haben wir inzwischen Hinweise darauf, wie sie ihn hinter der abgeschlossenen Tür kriegen konnten?«

»Die vorläufige Untersuchung der Blutspritzer legt nahe, dass er höchstwahrscheinlich in der Kabine gestorben ist.« Lara warf Duncan Goldflam einen Blick zu, und er nickte zustimmend. »Der Mörder muss also bei ihm in der Kabine gewesen sein, ungebeten oder nicht, und sich dann über die Trennwand davongemacht haben.«

»Warum das Theater? Warum konnte er ihn nicht kaltmachen und dann auf die einfache Tour verschwinden?«

»Ein absichtlicher Versuch, uns zu verwirren, Boss? Ein bisschen Ablenkung?«

»Kluges Mädel.«

Lara nickte neutral, statt sich den Finger in den Hals zu stecken. »Wir konzentrieren uns also auf die Zeugen und auf das Filmmaterial aus den Kameras, außerdem werden wir alle Gäste überprüfen und nachforschen, ob jemand Verbindungen zu den Apachen oder zu den Trans hat. Und wir sind immer noch auf der Suche nach der Mordwaffe.«

»Ich glaube, Sie werden feststellen, dass das ein ziemlich großes, scharfes Messer war«, sagte Hutchens. »Das freie Wochenende ist gestrichen, die Überstunden gehen auf mich; bis morgen früh, Leute.«

Cato hatte sich in den Food Markets in der Nähe des Büros ein Pad Thai bestellt. Es war noch so früh am Abend, dass er draußen einen Tisch bekam. Er kritzelte an einem kryptischen Kreuzworträtsel in einem West Australian herum, der in der Polizeikantine liegen geblieben war. In der Schlagzeile auf der ersten Seite wurden die Zahlen der Asylsuchenden und der Boote genannt, die in den letzten zwölf Monaten angekommen waren. So machte man heutzutage Bestandsaufnahme: Die Flüchtlingskonvention wurde auf ihre rein mathematische Essenz reduziert.

Cato kam mit seinem Rätsel nicht weiter. Ganzkörperschwebezustand. Fünf und vier Buchstaben. Der zweite Buchstabe war ein o, der fünfte ein r. Irgendwas mit »hoher«? Endlich war der Seewind aufgekommen, er mischte sich mit Gerüchen nach Schweiß und Sonnencreme, heißem Beton, Abgasen und würzigen Düften von den Essensständen. Für später am Abend hatte Cato sich mit einem Detective Sergeant von der Bandenkriminalität verabredet. Dass sie die Netze nach den Gästen des Birdcage ausgeworfen hatten, brachte inzwischen erste Ergebnisse, und ein extra dafür gebildetes Team sollte die Leute vernehmen und weiteren Namen nachgehen, falls welche auftauchten. Die Handys der Klubbesucher hatte man vorübergehend beschlagnahmt, weil darauf möglicherweise hilfreiche Fotos von dem Abend zu finden waren. Das Filmmaterial aus den Überwachungskameras hatte Cato noch nicht bekommen, er wollte Lara daran erinnern, sobald er wieder im Büro war.

Seine To-do-Liste entwickelte ein Eigenleben: Zeugen, Überwachungsfilme, Kontakt zum Dezernat für Bandenkriminalität, Shellie Petkovic im Auge behalten. Cato spürte immer noch ihren Blick. Wie schaffte sie es wohl von einem Tag zum nächsten? Nachdem sie ihr Schicksal mit einem Mann wie Gordon Wellard verknüpft und miterlebt hatte, wie er mit seinem Gift ihre Tocher infizierte? Wie überlebte sie mit dem Wissen, dass Wellard es war, der Bree mitgenommen hatte, und dass er sie nicht zurückbringen würde? Mit dem Wissen, dass alles das für ihn nicht mehr war als ein Scherz? Und mit dem Wissen, dass sie nichts dagegen tun konnte. Cato vermochte sich nicht vorzustellen, wie es ihm gehen würde, wenn jemand seinem Sohn etwas derartiges angetan hätte. Das Affentheater im Busch hatte ihn angewidert. Er musterte die Gesichter der anderen Gäste und versuchte, sich daran zu erinnern, wie es war, einen Tag lang ohne Gedanken an flache Gräber im Busch oder an mit Blut überschwemmte Toilettenkabinen zu leben. Unmöglich. Cato schaute wieder auf das Kreuzworträtsel hinunter, und diesmal sah er die Lösung sofort: Toter Mann.

Er klemmte die letzten Nudeln zwischen seine Stäbchen, schluckte sie herunter und machte sich auf den Weg zurück ins Büro.

4

Cato hatte sich die Überwachungsfilme zweimal angesehen und nichts entdeckt, was sein Interesse geweckt hätte, bis auf ein verschwommenes Handgemenge am Rand der Tanzfläche, das nach dreißig Sekunden im Sande verlaufen war. Santo Rosetti war mehrmals zu sehen, er redete mit anderen Klubbesuchern, trank und tanzte – schlecht. Weder bedrohliche Apache-Rocker noch vietnamesische Gangster gesellten sich zu ihm, um ihn zu einem Tänzchen in die Unterwelt aufzufordern. Cato übergab die CDs einem Assistenten, der sich die Filme genauer ansehen und Fotos von allen Gästen ausdrucken sollte, die noch nicht identifiziert und ausfindig gemacht worden waren.

»Cato! Die Rückkehr des Jedi-Ritters. Wie war’s denn in der Verbannung?«

»War ’ne ganz schöne Viecherei«, antwortete Cato. Sie schüttelten sich die Hände. »Dirty Harry! Lange nicht gesehen.«

Es war Detective Sergeant Colin Graham vom Dezernat für Bandenkriminalität oder »Organisiertes Verbrechen«, wie in den Fernsehnachrichten immer unter seinem Namen stand. Das regelmäßige Erscheinen in den Medien tat Colin gut. Er hatte in den acht Jahren, seit Cato nicht mehr mit ihm zusammenarbeitete, etwa zehn Kilo abgenommen. Sein Haar war sorgfältig zu einer Strubbelfrisur gestylt, und er sah mit seinen fünfundvierzig Jahren eher wie fünfunddreißig aus. Sie begaben sich in die kleine Küche, wo Cato den Wasserkocher anstellte und kolumbianischen Kaffee in eine Stempelkanne löffelte. »Mit Milch und Zucker?«

»Schwarz und ohne Zucker.« Graham tätschelte seinen flachen Bauch. »Muss mein Gewicht halten. Meine neue Frau, die Tania, nimmt das ziemlich genau.«

»Glückwunsch. Steht dir gut.«

»Ich weiß, ich bin ein Glückspilz. Und du? Hab gehört, ihr habt euch getrennt, Jane und du.«

Cato zuckte die Achseln. »Die Statistik war gegen uns.«

»Schade, ich mochte sie.«

»Ja, ich auch.« Cato wechselte das Thema. »Immer noch in Como?«

»Nein, inzwischen in Floreat. Tania wollte in der Nähe ihrer Eltern wohnen.«

»Teuer?« Ein Nicken. »Netter Bowling Club, hab ich gehört.«

»Du solltest dir mal irgendwann die Bibliothek ansehen. Beeindruckend.« Graham warf einen Blick auf die Uhr. »Also, zu Santo Rosetti, was ist passiert?«

»Jemand hat ihm letzte Nacht die Kehle durchgeschnitten.«

»Habt ihr schon Hinweise?«

Cato musterte seinen früheren Kollegen. Wusste Graham, wie üblich, schon die Antworten auf die Fragen, die er zu stellen geruhte? »Wir haben die Apachen und die Trans im Auge. Offenbar hat er für beide Seiten gearbeitet, und er war nicht gerade der Hellste.«

»So kann man es auch ausdrücken.«

»Wie viel weißt du über ihn? Irgendwelche nützlichen Tipps?«

Graham sah den Flur entlang, um zu kontrollieren, ob vielleicht jemand in Hörweite war. »Unter uns gesagt, ihr solltet in diesem Fall vielleicht vorsichtig vorgehen.«

»Machen wir doch immer. Aber warum gerade diesmal?«

»Santo war einer von uns.«

»Wie meinst du das? Ein Informant?«

»Er war ein VE, Cato. Eben einer von uns

Kurz vor Mitternacht kam Cato nach Hause. Das South Beach Hotel an der Ecke – das immer noch von allen das Davilak genannt wurde, obwohl man es aufgehübscht hatte – machte gerade zu. Cato wohnte in einem »gemütlichen Arbeiterhäuschen«, wie die Makler es fröhlich nannten, am Parkende der Straße, zu Fuß nur fünf Minuten vom South Beach entfernt. Es war ein schäbiger kleiner Bau mit anderthalb Schlafzimmern, den er für sechzig Riesen erworben hatte, lange bevor er Jane kennengelernt hatte. Während ihrer Ehe hatte er das Häuschen behalten und vermietet. Hatte er es schon damals, in den Anfangsjahren, als Schlupfloch für den Notfall betrachtet? Nach der Trennung war er dann wieder hier eingezogen. Heutzutage wäre es ein harter Kampf gewesen, in unmittelbarer Nähe von Fremantle eine Bleibe zu finden, die weniger als eine halbe Million kostete.

Gemütlich mochte seine Hütte ja sein, aber die Nachbarn waren nur einen Meter entfernt, hinter dünnen Faserbetonwänden, und Cato wusste, dass sie Musik zu dieser nachtschlafenen Zeit nicht begrüßen würden, auch keine klassische. Er konnte zwar Kopfhörer benutzen, aber dazu war er zu gereizt und zu klaustrophobisch. Wieder eine Scheißnacht. Er sollte wirklich in den sauren Apfel beißen und in eine Klimaanlage investieren, aber wie jedes Jahr drückte er sich wieder davor. Fremantles Doktor, der belebende Seewind, kam schließlich oft schon um die Mittagszeit, und diese Hitzewellen, überlegte Cato, dauerten normalerweise nicht sehr lange. Er konnte sich einfach nicht überwinden, ein paar Bündel Scheine für etwas auf den Tisch zu legen, was er nur zehn, vielleicht fünfzehn Tage im Jahr benutzen würde. Was konnte ihm jetzt helfen, sich zu entspannen und einzuschlafen? Ein Kreuzworträtsel? Das hatte er im Büro gelassen.

Toter Mann. Colin Graham zufolge wusste nur eine Handvoll von Menschen, dass Santo Rosetti ein r Ermittler gewesen war. Cato zog sich aus, gönnte sich eine kalte Dusche, stellte den Ventilator auf Stufe drei und legte sich aufs Bett. War Rosettis falsche Identität aufgeflogen? Für einen Mord im Stil der Unterwelt war eine Toilette in einem Nachtklub ein relativ öffentlicher Ort, aber das Theater mit der abgeschlossenen Kabinentür ergab keinen Sinn. Wie Hutchens bemerkt hatte, wäre der übliche Tathergang gewesen, das Opfer einfach für alle sichtbar liegen zu lassen und damit eine deutliche Botschaft zu vermitteln, oder vielleicht noch eher, die Leiche mit nach draußen in den Busch zu nehmen und verschwinden zu lassen. Außerdem wurde Cato das Gefühl nicht los, dass Lara Sumich mehr wusste, als sie zugab. Dass sie bei der Entdeckung der Leiche gerade wegen einer anderen, anscheinend belanglosen Geschichte im Klub gewesen war, war ein unglaublicher Zufall.

Cato merkte, wie er wegdriftete. Toll. Endlich. Doch da legte Madge los, die Jack-Russell-Dame von nebenan, mit ihrem hohen, fordernden Kläffen – sie war es gewohnt, ihren Willen durchzusetzen. Immer, wenn Cato mit ihren Besitzern das Thema ihres nächtlichen Bellens anschnitt, guckten die beiden ihn an, als sollten sie vielleicht besser eine Kette aus Knoblauch um den Hals tragen und mit einem Kruzifix vor ihm herumwedeln. Er war ein Ungläubiger, jemand der, schluck, Hunde nicht so richtig toll fand. Cato zog sich das Kissen über den Kopf und stellte sich mit Rattengift gewürzte Fleischbällchen vor. Schließlich war er ein brillanter Detektiv, und wenn er sich nicht den perfekten Mord ausdenken konnte, wer dann? Dieser Gedanke beruhigte ihn so, dass er einschlief.

Catos Handy brummte auf dem Nachttisch. Unbekannter Anrufer. Blinzelnd las er die Uhrzeit vom Display ab: 6:10 Uhr.

»Ja?«

»Ich bin’s, Shellie.«

Cato setzte sich auf. »Shellie? Alles okay?«

»Nein.«

»Was ist passiert?«

Ihr brach die Stimme. »Warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen?«

5

Samstag, 23. Januar. Früher Morgen.

Zehn Minuten später hielt Cato vor Shellies Haus. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, und der Ostwind war noch kalt. Einige Frühaufsteher spazierten mit ihren Hunden und ihren Babys die Lefroy Road hinunter zum Strand. Shellie stand schon an der Tür, als er angefahren kam. Sie war in einen Morgenmantel gehüllt, und ihre Augen waren rot und verquollen. Als Cato zu ihr hinüberging, lehnte sie sich an ihn und begann zu weinen. Ihre Hand öffnete sich und ein kleines Herz kam zum Vorschein, aus einer silbrigen Legierung gegossen, mit einem billigen Silberkettchen.

»Das ist ihr Anhänger. Den hat sie immer getragen.«

Cato zog einen Stift heraus, damit Shellie das Kettchen darüberhängen konnte. Ihre Fingerabdrücke und ihre DNA waren sicher längst drauf, aber seine eigenen waren mehr als überflüssig.

»Woher wissen Sie, dass es Brees Anhänger ist? Die kann man doch wahrscheinlich überall kaufen.«

Shellie zuckte die Achseln. »Ich weiß es einfach.«

Sie gingen ins Haus, und Cato ließ Shellie von Anfang an berichten.

»Ich bin früh aufgewacht; in letzter Zeit schlafe ich nicht gut. Ich hab die Haustür aufgemacht und die Katze rausgelassen, und da lag was vor der Tür. Ein Brief.«

»Zeigen Sie mal.«

Beide gingen zum Küchentisch hinüber. Dort lag ein ganz gewöhnlicher gelber A5-Briefumschlag, auf den jemand mit schwarzer Tinte in Großbuchstaben Shellies Namen und ihre Adresse geschrieben hatte. Weder Briefmarke noch Stempel. »Da ist noch was drin, ein Brief, ich konnte es nicht aushalten, ihn zu lesen.«

Diesmal machte Cato sich die Mühe, ein Paar Gummihandschuhe aus dem Wagen zu holen. Er zog sie an und nahm den Brief aus dem Umschlag. Es war ein schlichter weißer A4-Bogen, einmal gefaltet. Darauf drei Wörter, ebenfalls mit schwarzer Tinte in Großbuchstaben geschrieben: DES EINEN FREUD.

Shellie stöhnte leise. Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und stützte den Kopf in die Hände. »Wellard ist in Haft«, sagte Cato mit leiser Stimme. »Er kann es also nicht selbst gewesen sein. Sie haben keine Ahnung, wer das gemacht haben könnte?«

Shellie blickte nicht auf. »Nein.«

»Weiß Wellard Ihre Adresse?«

»Von mir nicht.«

»Wie viele Menschen wissen, dass Sie hier wohnen?«

»Nur Ämter und so, also Sozialamt und Bank und Stromversorger, sonst niemand.«

»Niemand?«

Shellie brachte unter Tränen ein trostloses Lächeln zustande. »Niemand. Doch, die Polizei. Das ist mein Leben.«

Cato hockte sich hin und legte ihr zögernd den Arm um die Schultern. Er fragte sich, wie viel Qual man einem Menschen zumuten konnte.

Shellie schüttelte den Kopf. »Ich will doch nur, dass er aufhört.«

Cato zog sein Handy heraus und weckte seinen Chef.

Es war kurz nach neun, als ihnen der Besuch bei Gordon Wellard genehmigt wurde. Sie fuhren gerade auf der Autobahn am Jandakot Airport vorbei. Eine Cessna hob sich träge in den wolkenlosen Himmel. Cato hätte nichts dagegen gehabt, in diesem Flugzeug zu sitzen. An der Thomas Road war ein Gartencenter mit zwei schimmernden Fiberglas-Elefanten davor, einem roten und einem gelben. Hutchens spielte mit seinem neuen Smartphone. Er hatte gerade die GPS-App entdeckt und konnte nicht genug davon kriegen.

»Rechts, gleich hinter den Elefanten«, murmelte er.

»Danke.«

Cato hatte es aufgegeben, seinem Chef zu erklären, dass er den Weg zum Casuarina bereits kannte. Er hatte sich das schon während der ganzen Fahrt anhören müssen: Links abbiegen auf die South Street, nach rechts auf die Autobahn, nach links auf die Thomas Road und gleich hinter den Elefanten wieder rechts.

Durch die wuchernden Sumpf-Kasuarinen hindurch, nach denen die Haftanstalt benannt war, kamen die Mauern, der Draht und die Gebäude des Hochsicherheitsgefängnisses von Western Australia in Sicht. An der Rezeption wurden Cato und Hutchens von einem großen Mann mit beginnender Glatze und Brille mit Drahtgestell empfangen. Er sah wie ein Chemielehrer aus, aber auf seinem Schildchen stand Geoffrey Scott, Superintendent. Scott berichtete, eine Durchsuchung von Wellards Zelle und eine Leibesvisitation seien bereits vorgenommen worden. Nichts Bemerkenswertes.

»Das wird ein bisschen zum Zirkus, oder?« Scott schob seine Brille auf dem Nasenrücken hoch. »Vielleicht ist es an der Zeit, dass Mr Wellard nicht mehr so viel Zuwendung erhält und wir ihn in der Anonymität vermodern lassen.«

»Danke, Geoff«, sagte Hutchens. »Wir wissen die großartige Arbeit zu schätzen, die Sie alle hier leisten.«

Scott schnaufte ärgerlich und führte sie in einen Verhörraum. »Wir bringen ihn hoch.«

»Haben wir Aussicht auf einen Kaffee?«, fragte Hutchens.

»Nein«, sagte Scott.

Wellard wurde hereingeführt. Seine graue Besuchskluft unterstrich seine Gnomenhaftigkeit noch. Was hatte Shellie Petkovic bloß in diesem Mann gesehen, dass sie sich überhaupt mit ihm eingelassen hatte?

Hutchens übernahm die Leitung, während Cato so tat, als studiere er irgendwelche Papiere. »Sie haben Shellie erneut belästigt. Was läuft da?«

Wellard ignorierte Hutchens und sah Cato an. »Was lesen Sie da?«

»Geht Sie nichts an«, sagte Hutchens. »Warum machen Sie Shellie so viel Kummer?«

»Keine Ahnung, wovon Sie reden. Heute Morgen haben die mein Radio kaputtgemacht. Wer ersetzt mir das?«

»Schluchz«, sagte Hutchens. »Ihr Radio ist mir egal. Sie haben das schon einmal gemacht, Gordon. Vor etwas über einem Jahr haben sie einen von Ihren merkwürdigen Freunden beauftragt, genau das Gleiche zu tun. Die gleiche Art Umschlag, die gleichen blöden Wortspiele. Wir haben ihn gefasst, und Sie haben neun Monate zusätzlich aufgebrummt gekriegt.«

»Kann ich parallel absitzen. Wie geht’s Billy denn so?«

»Billy ist im letzten Oktober an einer Überdosis gestorben. Sehr traurig. Sie sind ein sadistisches kleines Schwein und führen alle an der Nase herum. Allmählich haben wir das satt, Freundchen.«

Wellard betrachtete seine Fingernägel. Sie hatten eine ungesunde gelbliche Färbung und mussten geschnitten werden. »Tatsächlich? Mick?« Er drehte den Kopf wieder Cato zu. »Das Radio. Kannst du das in deine Akte schreiben, mein Sohn?«