Cover

titel.jpg
Über die Autorin
autor.jpg
Annika Thor, geboren 1950, wuchs als Kind jüdischer Eltern in Göteborg auf. Sie arbeitete als Bibliothekarin und Sekretärin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Heute lebt sie als freie Autorin in Stockholm und verfasst Romane, Theaterstücke und Drehbücher, meist für Kinder und Jugendliche. Sie wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Literaturpreis. Ich hätte Nein sagen können erschien in Schweden gleichzeitig als Roman und als Film (ausgewählt für die Berlinale 1998). Bei Beltz & Gelberg erschien zuletzt ihr Roman Entscheide dich!
Impressum
Für Ich hätte Nein sagen können wurde Annika Thor mit dem höchsten schwedischen Literaturpreis, dem August-Preis, ausgezeichnet; in Deutschland kam das Buch auf die Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis.
Ebenfalls lieferbar: »Ich hätte Nein sagen können« im Unterricht in der Reihe Lesen – Verstehen – Lernen
ISBN 978-3-407-62562-5
Beltz Medien-Service, Postfach 10 05 65, 69445 Weinheim
Kostenloser Download: www.beltz.de/lehrer
Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(ISBN 978-3-407-74104-2)
www.beltz.de
© 1998, 2006 Beltz & Gelberg
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Die schwedische Originalausgabe erschien u.d.T.
Sanning eller konsekvens bei Bonnier Carlsen Bokförlag AB, Stockholm
© Annika Thor 1997
Published by Agreement with TransBooks AB, Stockholm
Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch
Neue Rechtschreibung
Einbandgestaltung: b3K Hamburg – Frankfurt
Einbandbild: Jutta Bauer
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-74843-0
Ich begreife nicht, wie es so kommen konnte. Das hab ich nicht gewollt, denke ich und merke selbst, wie blöd das klingt. Als ob ich drei Jahre alt wäre und gerade einer Freundin ein Spielzeug auf den Kopf gehauen hätte und nicht begreifen könnte, warum sie heult.
Aber ich werde bald zwölf und begreife es sehr wohl. Ich weiß, was ich getan habe. Wobei ich mitgemacht und was wir Karin angetan haben. Aber ich begreife nicht, warum ich nicht nein gesagt habe.
Ganz einfach nein, als Fanny und Sabina Karin und mich zu der Fete eingeladen haben. »Nein, ich will nicht«, hätte ich sagen können. Aber das habe ich nicht getan. Sie wird mir nie verzeihen.

Einen Freund wie dich sollte jeder haben

Als die Schule nach den Sommerferien wieder anfing, war ich krank. Kalle hatte Anton und mich mit Windpocken angesteckt; wir hatten noch keine Windpocken gehabt und durften erst wieder in die Schule, als die Pocken eingetrocknet waren. Normalerweise macht mir die Schule keinen besonderen Spaß. Außer in Sport bin ich in nichts gut und in Mathe kapier ich gar nichts mehr.
Aber jetzt hatte ich richtige Sehnsucht nach der Schule. Anton und ich waren den ganzen Juli über bei Papa in Dalarna gewesen, und als wir nach Stockholm zurückkamen, war Sabina im Ferienlager. Deshalb hatten wir uns zwei Monate nicht gesehen. Zwei Monate sind eine lange Zeit, wenn man sonst jeden Tag zusammen ist.
Ich hatte mir gewünscht, dass Sabina uns in Dalarna besuchen sollte, aber das wollte Papas neue Freundin nicht. Wahrscheinlich wollte sie Anton und mich auch nicht dort haben, aber das hat sie sich Papa wohl nicht zu sagen getraut. Ich hatte Sabina zwei Briefe aus Dalarna geschrieben, aber eine richtige Antwort hab ich nicht bekommen. Daran war aber nichts Besonderes, Sabina schreibt eben nicht gern. Sie hat mir immerhin eine Ansichtskarte aus dem Ferienlager geschickt. Darauf waren zwei junge Hunde, die ihre Köpfe dicht zusammensteckten. »Einen Freund wie dich sollte jeder haben« stand darunter. Geschrieben hatte sie nicht viel, nur dass das Wetter schön war und dass sie die ganze Zeit badeten und solche Sachen.
Jedenfalls musste ich noch eine Woche zu Hause bleiben, als die Schule schon angefangen hatte, es war furchtbar, die Windpocken juckten und Anton nervte wie gewöhnlich. Mama bekam Kopfschmerzen, und Kalle wollte nicht in den Kindergarten, solange Anton und ich zu Hause waren. Ich versuchte Sabina anzurufen, aber das Telefon war abgestellt. Es ist oft abgestellt, dann hat ihre Mama mal wieder die Rechnung nicht bezahlt.
Meine Windpocken trockneten schneller aus als Antons. Das geschah ihm recht, weil er immer so nervte. Am ersten Tag ging ich viel zu früh los. Ich war um Viertel vor acht in der Schule, der Unterricht fing erst zehn nach an. Der Schulhof war noch ganz leer, noch nicht mal die Erstklässler mit ihren giftgrünen und rosa Kappen und den zu großen Rucksäcken waren da.
Ich hangelte mich auf das Klettergerüst und setzte mich zurecht. Ich klettere gern, und von da oben hatte ich beide Schulhofeingänge im Auge. Aber ich wusste ja, dass Sabina von der Gotlandstraße kommen würde, in der Richtung wohnt sie.
Nach einer Weile kamen sie, zuerst die Kleinen und dann die Größeren. Ich wollte nicht, dass mich jemand sah, ich meine, jemand von meinen Klassenkameraden. Ich wollte allein sein, wenn Sabina kam. Es war schon so lange her und ich hatte jede Menge mit ihr zu besprechen. Hoffentlich kam sie nicht zu spät.
Ich saß ganz oben im Klettergerüst und aß Bonbons aus einer Tüte, die ich auf dem Weg zur Schule bei Ismet gekauft hatte. Dann hing ich eine Weile an den Kniekehlen. Es ist lustig, wenn alles auf dem Kopf steht, Häuser, Bäume, Menschen und die Autos draußen auf der Straße. Es war, als ob die ganze Welt auf dem Kopf stände, und nur man selber war noch richtig herum.
Jetzt ist die ganze Welt umgekippt, und das ist überhaupt nicht lustig.
Während ich dort hing, näherte sich jemand. Wenn man so über Kopf hängt, ist es schwer, jemanden zu erkennen, aber ich sah, dass es Karin war. Niemand sonst trägt so hässliche Klamotten wie sie. Und niemand in der Sechsten hat solche gewaltigen Brüste.
»Guck mal, was für Oschis!«, hatten die Jungen schon in der Vierten im Flur gesagt und sich gegenseitig angestoßen, wenn Karin ihre Jacke auszog. Dann waren ihre Brüste noch mehr gewachsen, und jetzt waren sie so groß, dass es nicht mehr hübsch war, nicht mal, wenn sie andere Kleider tragen und aufhören würde, so krumm zu gehen.
Diese Riesenbrüste hatte ich vor der Nase, als ich in den Kniekehlen am Klettergerüst hing. »Hallo«, sagte Karin. »Bist du krank gewesen?« Ich richtete mich auf.
»Ja«, sagte ich und guckte in eine andere Richtung. Zur Gotlandstraße. Warum kam sie bloß nicht, Sabina!
Karin blieb stehen.
»Möchtest du ein Bonbon?«, fragte ich. »Ja, bitte.«
Ich holte eins aus der Tüte und hielt es zwischen Daumen und Zeigefinger, reichte es ihr. Aber als sie das Bonbon nehmen wollte, zog ich die Hand zurück, so dass sie nicht heranreichte. Ich wiederholte es zweimal, und dann ließ ich das Bonbon in den Sand unter dem Klettergerüst fallen. »Nimm’s doch«, sagte ich. Karin sah traurig aus. Aber sie blieb stehen. Da kam Sabina.
Ich sah sie schon von weitem, erkannte sie an der Art, wie sie ging und wie das schwarze Haar um ihre Schultern wippte. Es war noch länger geworden. Sie sah eigentlich aus wie immer, und doch war etwas anders.
Sie trug enge Jeans und ein weißes Shirt. Das war so kurz, dass man ein Stück von ihrem braun gebrannten Bauch sah. Im Gürtel steckte ein Walkman und in den Ohren Kopfhörer. Ich richtete mich schwankend auf und winkte.
»Sabina!«, rief ich. »Hallo, Sabina!«
Sie hörte mich nicht. Wahrscheinlich hatte sie die Musik zu laut eingestellt. Sie ging einfach vorbei am Klettergerüst. Ich drehte mich um.
Da standen sie und küssten sich auf die Wangen. Sabina und Fanny.
Dann hängte sich Sabina bei Fanny ein, nahm die Hörer heraus, und sie gingen zusammen über den Schulhof, die Köpfe dicht beieinander. Wie die jungen Hunde auf der Karte, die Sabina aus dem Ferienlager geschickt hatte. Einen Freund wie dich sollte jeder haben.
In meinem Kopf ging es im Kreis, in der Brust brannte es, und ich hatte ein Gefühl, als würde ich fallen. Aber ich hielt mich mit beiden Händen fest, so fest, dass die Fingerknöchel weiß wurden.
Es klingelte. Ich blieb sitzen.
Karin blieb bei mir stehen.
»Es hat geklingelt«, sagte sie. »Kommst du?«
Da sprang ich hinunter in den Sand, landete in der Hocke und sprintete los.
»Hau ab!«, schrie ich, als ich an Karin vorbei auf den Eingang zulief.
Wie konnte sie?
Sie hatte mich vergessen. Innerhalb von zwei Monaten hatte sie vergessen, dass wir zehn Jahre lang die besten Freundinnen gewesen waren, schon vom Kindergarten an. Sabina und ich.
Klar; sie konnte nicht ahnen, dass ich gerade an diesem Tag wieder zur Schule kommen würde. Wenn sie es gewusst hätte, hätte sie vielleicht nach mir Ausschau gehalten auf dem Schulhof Aber als sie auf Fanny zuging, wirkte das ganz selbstverständlich, so, als ob die beiden schon eine Ewigkeit zusammen gewesen wären. Sabina und Fanny. Nicht Sabina und ich. Wie konnte sie?!

Jetzt hören wir zusammen Musik …

Jeden Morgen sammeln wir uns bei Musik. So machen wir es schon seit vier Jahren. Meistens wird nicht gesungen, Geigen- oder Klavier- oder Flötenmusik schwebt über der staubigen Luft in der Klasse. Manchmal ist es ein ganzes Orchester. Dagegen habe ich nichts. Es ist auf jeden Fall besser als Mathe. Nur was danach kommt, wenn Gunilla das Tonbandgerät abgeschaltet hat, gefällt mir nicht. Dann sollen wir erzählen, woran wir beim Zuhören gedacht haben. Die Musik soll bei uns Gedanken an Wälder, Berge und rauschende Wasserfälle auslösen. Oder an den ersten Sonnenstrahl, der an einem Sommermorgen durchs Fenster hereinfällt. So was. Woran ich dabei denke, ist etwas, worüber ich nicht reden möchte. Das ist privat.
An diesem Tag gab es Flötenmusik und ich dachte an Sabina. Ich überlegte, was sie in der Stadt getrieben haben mochte, nachdem sie aus dem Ferienlager zurückgekommen war. Und ob Fanny dabei gewesen war.
Sabina sitzt schräg hinter mir in der Klasse. Neben mir sitzt Jonas. Bei uns ist es üblich, dass immer ein Mädchen und ein Junge nebeneinander sitzen. Gunilla findet, sonst schnattern wir zu viel. Sie sagt immer schnattern statt reden. Jetzt tippte Sabina mir auf die Schulter. Ich drehte mich um.
Sie lächelte ein wenig und reichte mir einen zusammengefalteten Zettel.
Sie will mir alles erklären, dachte ich. Vielleicht entschuldigt sie sich auch, dass sie mich nicht gesehen hat auf dem Schulhof.
»Ist schon in Ordnung«, wollte ich gerade flüstern, als sie sich noch weiter vorbeugte und zischte: »Für Fanny. Gib’s weiter.«
Sie hatte die Hörer in den Ohren. Es war also sinnlos, mit ihr reden zu wollen. Den Walkman hatte sie unter die Tischplatte gelegt, damit Gunilla ihn nicht sah, und die Kabel hatte sie unter ihren langen Haaren versteckt.
Fanny sitzt links von Jonas. Sie guckte mich schon an, sie wusste von dem Zettel. Ich lehnte mich über Jonas’ Bank und gab ihr den Zettel. Sie faltete ihn auseinander, las, lachte ein wenig und schrieb etwas auf die Rückseite. Dann faltete sie ihn wieder zusammen. Aber sie gab ihn nicht mir, sondern warf ihn Sabina zu.
Sie verfehlte ihr Ziel. Der Zettel landete ungefähr einen Meter entfernt von Sabinas Platz auf dem Fußboden. Sabina bückte sich und streckte den Arm aus, um ihn aufzuheben. Der Zettel lag so weit entfernt, dass Sabina den Stuhl kippen musste, damit sie ihn erreichte.
Gunilla stellte das Tonbandgerät mitten in der Flötenmusik ab. Jemand seufzte. Das musste Karin gewesen sein. »Sabina! Was treibst du da? Kannst du nicht still sitzen?« Gunillas Stimme klang scharf. Sie kann es nicht leiden, wenn es morgens bei der Musik nicht mucksmäuschenstill ist.
»Nichts«, murmelte Sabina. Jedenfalls hatte sie den Zettel erwischt und in ihren Turnschuh gesteckt. Wenn Gunilla mitkriegt, dass wir Zettel schreiben, schnappt sie sie sich manchmal, und wenn sie schlechte Laune hat, liest sie sie der Klasse laut vor.
Jetzt stand sie neben Sabinas Platz. Und bemerkte die schwarzen Kabel, die sich von Sabinas Ohren hinunter unter die Tischplatte ringelten.
»Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du im Unterricht keinen Walkman hören sollst? Jetzt hören wir zusammen Musik, kapiert?«
Es gibt niemanden, der das Wort zusammen so aussprechen kann wie Gunilla. Man kriegt Lust, sich allein in einem Schrank einzuschließen.
Sie streckte die Hand aus und versuchte Sabina den Walkman wegzunehmen. Sabina presste die Hände gegen ihre Ohren. »Du darfst mich nicht anfassen. Da gibt es ein Gesetz«, sagte sie.
»Nimm die Hörer raus, sonst schick ich dich zum Direktor!«, brüllte Gunilla.
Sabina nahm die Hörer heraus und legte sie auf den Tisch. Die Musik war an meinem Platz deutlich zu hören. Es war ein Song von irgendeinem italienischen Sänger. Gunilla hob die Tischplatte an und stellte Sabinas Walkman ab. Dann nahm sie ihn mit und kehrte an ihren Tisch zurück. »Was machst du da, das ist meiner!«, protestierte Sabina, obwohl sie wusste, dass sie ihren Walkman am Ende des Unterrichts wiederkriegen würde. Es war nicht das erste Mal.
»Holt eure Mathebücher raus«, sagte Gunilla. Fanny meldete sich.
Gunilla mag Fanny, obwohl sie häufig widerspricht und kritisiert. Wahrscheinlich, weil Fanny so gut in der Schule ist. »Ja, Fanny?«
»Hören wir die Musik nicht zu Ende?« An einem anderen Tag hätte Gunilla das Tonbandgerät vielleicht wieder angestellt. Aber heute nicht. »Nein. Schlagt Seite elf auf.«
Aber jetzt hatte Fanny etwas ausgelöst, was nicht mehr zu stoppen war. Emil wedelte mit der Hand.
»Dürfen wir nicht mal sagen, woran wir gedacht haben?«
Gunilla seufzte. »Doch. Woran hast du gedacht?«
»An nichts«, sagte Emil und alle lachten.
»Hat jemand an etwas gedacht?«, fragte Gunilla.
Karin war die Einzige, die sich meldete.
»Die Flöte klang ein bisschen traurig. Besonders im mittleren Teil. Es klang, als ob sie etwas wollte, aber sich nicht richtig traute. Dann wurde es irgendwie heller. Schade, dass wir das Stück nicht zu Ende hören durften.«
Jetzt kicherten fast alle hysterisch. Außer Karin; sie wollte natürlich nicht witzig sein. Sie spielt selber Flöte, in der Musikschule. Vor den Sommerferien hatte sie auf dem Abschlussfest gespielt.
Tobbe wedelte mit dem Arm und rief: »Ich! Ich!« »Bitte, und woran hast du gedacht?«, fragte Gunilla, und es klang, als ob sie sich nicht vorstellen könnte, dass Tobbe überhaupt fähig war zu denken.
»An ein Zimmer mit ganz viel rotem Stoff. In der Mitte ein großes Wasserbett. Und in dem Bett ein nacktes Mädchen.« Jetzt heulten die Jungen vor Lachen, auch viele der Mädchen. Ich fand das allerdings nicht besonders witzig. Karin wurde rot und sah aus, als ob sie gleich anfangen würde zu weinen. »Seite elf«, sagte Gunilla. »Wir nehmen noch einmal Prozentrechnen durch.«
Jeden Morgen sammeln wir uns bei Musik, habe ich gesagt. Jeden Morgen seit der vierten Klasse. Zwei ganze Jahre und zehn Wochen, seit die Schule wieder angefangen hat. Wie viele hundert Morgen sind das? Ich weiß es nicht, ich rechne ja nicht gern.
Aber nicht an diesem Morgen. Zum ersten Mal, seit Gunilla unsere Lehrerin war, sammelten wir uns nicht bei Musik. Heute war nichts wie sonst. Wie würde es erst werden nach dem, was Freitag bei Fanny auf der Fete passiert ist? Kann es überhaupt wieder so werden wie sonst?

Sabina und Fanny, Tobbe und Emil – und ich

Schließlich klingelte es, und alle fingen an, mit ihren Tischplatten zu klappern. Gunilla rief, wir sollten raus auf den Schulhof gehen und nicht im Korridor rumhängen. Karin blieb an ihrem Platz sitzen.
»Kannst du bitte die Tafel abwischen, Karin«, sagte Gunilla, »und den Blumen Wasser geben?«
»Warum darf sie dauernd drinnen bleiben?«, maulte Fanny. »Das ist ungerecht.«
»Das Leben ist nun mal nicht gerecht«, sagte Gunilla kurz. Ich versuchte Sabina auf der Treppe einzuholen, aber ein Pulk kleiner Jungen war mir im Weg, und Sabina und Fanny waren mir immer eine halbe Treppe voraus. Unsere Klasse ist im obersten Stockwerk, drei Treppen rauf. Sie wartete nicht auf mich, obwohl wir uns zuletzt vor den Sommerferien gesehen hatten. Sie hatte immer noch kein Wort mit mir geredet, außer dass ich Fanny den Zettel geben sollte. Nicht gefragt, wie es mir ergangen war. Sich nicht für die Briefe bedankt. Nichts.
Als ich auf den Schulhof kam, entdeckte ich sie vor dem Esssaal.
Da standen sie und lehnten an der Wand. Ich stellte mich neben Sabina und sagte: »Hallo.«
Sie drehte mir den Kopf zu und sagte: »Hallo, Nora. Schön, dass du wieder da bist.«
»Ich hab Windpocken gehabt«, sagte ich. »Übrigens vielen Dank für deine Karte, die aus dem Ferienlager.« Sabina lächelte. »War die nicht süß?«