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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Kommentar

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2738

 

Domäne des Feuervolks

 

Der Kosmische Augenblick – Perry Rhodan erlebt das Omega-Fragmentarium

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1516 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Milchstraße seit nunmehr zwei Jahren unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals, einer noch immer weitgehend rätselhaften Organisation, die vorgibt, im Rahmen der »Atopischen Ordo« für Frieden und Sicherheit zu sorgen.

Die Atopische Ordo gilt bereits seit Längerem in der Galaxis Larhatoon – der Heimat eines Volkes, das in früheren Zeiten großes Unheil über die Menschheit brachte.

Die Rede ist von den Laren, die als Mitglieder des Konzils der Sieben Galaxien für mehr als hundert Jahre in der Milchstraße herrschten. Perry Rhodan und Bostich, die es nach Larhatoon verschlagen hat, versuchen dort mehr über das Tribunal herauszufinden. Dabei geraten sie in die DOMÄNE DES FEUERVOLKS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Unsterbliche erfährt mehr über das Leben im Feuer.

Gaumarol da Bostich – Der Arkonide bildet zusammen mit Perry Rhodan ein gutes Team.

Gesspyr Hocctosser und Voruder-Paac – Der Onryone und der Lare suchen nach der Urheimat der Laren.

Osueo – Der Lucbarni begleitet seine Gäste.

1.

Axxallia-Annor:

Nach der Designation

 

»Haltet hier die Stellung, ich werde mich bald wieder melden«, sagte der Lare. »Ich habe da nur schnell etwas zu erledigen.«

»Du solltest dir nicht zu viel Zeit lassen«, erhielt er die Mahnung. »Es gibt für uns jetzt eine Menge zu tun.«

»Eben«, sagte er. »Und deswegen muss ich das Palais des Kontrafaktischen Museums aufsuchen.«

»Du solltest nicht allein gehen.«

»Oh doch, alles andere wäre zu auffällig. Vertraut ihr mir etwa nicht?«

»Was für eine Frage!«

»Und keine Antwort.«

»Also gut, ja natürlich, wir vertrauen dir. Aber lass dir nicht zu viel Zeit!«

»Keine Sorge. Es dauert nicht lange. Ich habe nur eine Frage zu stellen, und schon bin ich wieder weg.«

»Wird uns die Antwort gefallen?«

»Das denke ich durchaus. Bereitet den Start vor. Das Abflugverbot wird sicher bald aufgehoben.«

Das provozierte eine weitere Frage. »Was macht dich so sicher?«

»Genau.« Der Lare zog die gelben Lippen in die Breite. »Damit hängt alles zusammen: Weil ich es weiß. Nicht glaube, nicht vermute, nicht annehme, nicht hoffe – ich weiß.«

 

*

 

Der Lare machte sich auf den Weg. Die Situation in Qhy hatte sich weitgehend normalisiert. Sämtliche Häuser hatten die Verhüllung abgelegt und zeigten nun das Antlitz der neuen Ersten Hetranin, Aipanu-Cel.

Überall wurden die Feiern anlässlich der Designation vorbereitet. Aipanu-Cel, die Koordinatorin der vier Subdomänen, hatte als wenig aussichtsreiche Kandidatin gegolten. Sie hatte das wohl selbst so gesehen, da sie sich bisher nicht zu Wort gemeldet hatte, sondern weiterhin mit ihrem nicht-antlitzfähigen kleinen Raumer im Orbit des Planeten verharrte. Vermutlich stellte sie einen Beraterstab zusammen und würde sich in aller Diskretion mit Baudencerc treffen, bevor sie an die Öffentlichkeit trat.

Das Volk feierte bereits in lockeren Verbänden auf den Straßen; es hätte auch jeden anderen Kandidaten gefeiert, denn einen großen Unterschied bedeutete es für die Laren nicht, wer das höchste Amt der Larendomäne bekleidete.

An der Spitze der Hierarchie allerdings machte es sehr viel aus, wer gewählt worden war, und der Lare fragte sich, wie wohl die anderen Kandidaten auf die überraschende Designation reagieren mochten. Nahmen sie die Entscheidung hin? Oder würden sie sie gerichtlich anfechten? Oder ... sich in einen offenen Streit stürzen? Der Lare war überzeugt, dass es zum Eklat kommen würde – aber auf welche Weise?

Es war alles möglich. Der jahrhundertealte Frieden, der durch die Atopische Ordo erzwungen wurde, stand auf einmal auf tönernen Füßen. Es könnte tatsächlich in einem Bruderkrieg enden – wobei die Onryonen das nicht zulassen würden. Aber der Anfang war mit dem Anschlag auf den sterbenden Ersten Hetran und den Greiko gemacht, um den Machthabern zu zeigen, dass ihnen die totale Kontrolle allmählich entglitt. Sie würden durchgreifen, ganz ohne Frage, und sie waren den Laren militärisch um ein Tausendfaches überlegen.

Dennoch hatte sich etwas verändert, das sie nicht aufhalten konnten, und genau das konnte der Funke sein, der das Feuer des Widerstands entzündete. Einmal entfacht, konnte die Glut kaum mehr ausgelöscht werden, vor allem, wenn sie vom Wind weitergetragen und an anderen Stellen abgelegt wurde, um neue Feuer zu entfachen ...

Vielleicht fand dann doch die Veränderung statt. Es gab keine »unendliche Stagnation«, so sehr sich die Onryonen das wünschen mochten. Sie hockten fett und bequem wie Glucken mit ausgebreiteten Flügeln im Nest und bekamen nicht mit, dass die Nestlinge unter ihnen flügge wurden und sich anschickten, ihren Hort zu verlassen.

Wir werden sehen.

Das Palais war ebenso wie das Kontrafaktische Museum uneingeschränkt geöffnet, die Ermittlungen abgeschlossen. Erstaunlich, dass nichts über das Attentat in der Öffentlichkeit verlautbart wurde. Waren die larischen Behörden überhaupt in der Lage herauszufinden, wer hinter dem Anschlag steckte? Schließlich hatte es seit Jahrhunderten kein vergleichbares Verbrechen gegeben. Sicherlich hatten die Onryonen längst alles übernommen. Dann konnte es schon sein, dass sie zwar bislang keine Aufklärung erreicht hatten, aber dass sie im Stillen arbeiteten und sich vorantasteten. Schließlich verfügten sie über die Jaj – Gestaltwandler, die sich als Laren ausgaben, unters Volk mischten und so lange Fragen stellten, bis sie eine Spur fanden.

Die Onryonen konnten gelassen sein. Niemand entkam ihnen, denn sie waren überall in der Galaxis. Und ein zweites Attentat würde sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ereignen, bis die neue Erste Hetranin offiziell ihr Amt angetreten hatte. Und dazu würden die Atopen Vorsorge treffen.

Der erste Anschlag war durch das Überraschungsmoment gelungen. Alles, was danach kam, würde sich weitaus schwieriger gestalten.

Ja, wir werden sehen.

Der Lare ging durch den Hauptbereich des Palais in Richtung Verwaltung. Erwartungsgemäß war der Bereich bewacht, was früher nie der Fall gewesen war. Sicher, man konnte nicht einfach zum Hauptdirektor vordringen, ohne sich anzumelden, aber es hatten zuvor nie Wachen herumgestanden.

»Ich muss mit der stellvertretenden Direktorin Aluiz-Phtaa sprechen«, kündigte der Lare an und stellte sich so, dass er voll im Erfassungsbereich des Scanners stand.

Er trug keinerlei Waffen, seine Kleidung war eine einfache Kombination, kein besonderer Stoff, keine besondere Farbe – ein dezentes Graugrün –, leichte Halbschuhe, Gürtel, das war es schon. Auch in seinem dichten kupferfarbenen Haarnest versteckte sich nichts. Er war genauso unbewaffnet, wie er sich gab.

»Hast du einen Termin?«, wollte der Diensthabende wissen.

»Nein, wir hatten Flexibilität vereinbart.«

»Um welche Angelegenheit handelt es sich?«

»Es geht um die offizielle Designationsfeier. Mein Name ist Maruu-Gos, und ich bin der Veranstalter für das Großevent auf dem Hauptplatz von Qhy.« Er überreichte seine Folie, die sich bei Berührung aktivierte und farbenprächtig mitteilte, wer er war, welche Firma ihm gehörte, und welche Leistungen er bot.

»Du könntest sie anfunken, denn Direktorin Aluiz-Phtaa ist derzeit nicht anwesend«, sagte der Diensthabende.

»Oh nein, ich bitte dich!« Maruu-Gos winkte ab. »Solche Dinge bespreche ich nicht per Funk. Wann wird sie zurückerwartet? Es geht mir darum, dass ich so rasch wie möglich alle behördlichen Genehmigungen erhalte, damit das Fest ohne Verzögerung stattfinden kann. Die Konkurrenz schläft nicht, und noch habe ich die Medien auf meiner Seite. Dieses Ereignis ist sehr wichtig für mein Unternehmen und seinen Erfolg.«

»Ich habe verstanden.« Der Diensthabende reichte die Folie zurück, und Maruu-Gos nahm sie in Empfang, nicht ohne einen diskreten Austausch einer kleinen Zuwendung.

Der Diensthabende schob die geschlossene Hand in die Hosentasche und vollzog eine höfliche Geste. »Ich kann dich benachrichtigen, sobald die Direktorin eingetroffen ist.«

»Das wäre sehr freundlich«, sagte Maruu-Gos lächelnd. »Hotel Quenque, einfach kurz dem Empfang Bescheid geben, dann werde ich in Kenntnis gesetzt.«

Er grüßte höflich und verließ das Museum.

2.

Das Palais: der Greiko

 

Baudencerc war alt. Sehr alt. Und die Verletzungen durch den Anschlag waren noch nicht vollständig abgeheilt. Doch der Greiko nahm seine Pflicht als Hauptdirektor des Kontrafaktischen Museums wahr, schließlich war die Lage überaus ernst.

Langsam wanderte er durch seinen privaten Raum, tief in Gedanken versunken. Erst vor wenigen Stunden hatte er in der Öffentlichkeit die Designation verkündet, sich wohl bewusst, was das auslösen würde. Aber welche Wahl hatte er gehabt?

Er hatte es hinausgezögert, solange es möglich gewesen war, doch schließlich musste er handeln. Der Druck der Kandidaten wurde immer größer, sie riefen ihn im Halbstundentakt an, versuchten sogar zu ihm vorzudringen. Selbst eine Prügelei zwischen den Parteien hatte es gegeben; gewiss, es war letztlich von harmloser Art gewesen, aber das war nur der Anfang. Daraus würde bald blutiger Ernst werden.

Also ließ Baudencerc die Designation ankündigen – und war dann vor die Kameras getreten, um quasi galaxisweit übertragen zu werden.

Die avisierten onryonischen Kampfschiffe hatten daraufhin Warteposition außerhalb des Systems bezogen. Sie waren bereit, jeden Moment zuzuschlagen, sollte es erforderlich werden, aber für den Moment hielten sie sich zurück. Damit die Laren das Gefühl hatten, trotz allem selbst zu entscheiden.

Geschickt wie immer. Aber wie lange würde das noch funktionieren? Die Laren hatten sich bis jetzt einlullen lassen, aber irgendwann würden sie erwachen. Kein Frieden währte ewig.

Und das sage ich, ein Greiko.

Greikos waren äußerst friedliebende Geschöpfe, aber sie waren auch klug. Sie ignorierten nicht, dass andere Völker nicht so waren wie sie. Schon vor Jahrtausenden nicht, als die Greikos bereits im Konzil der Sieben eine bedeutende Rolle gespielt hatten.

In letzter Zeit waren viele ... seltsame Dinge geschehen, die für Baudencerc Warnzeichen darstellten für eine Veränderung, die unaufhaltsam nahte. Dazu passte das Attentat, und vor allem diese beiden Shetorner ...

Baudencerc spürte: Diese beiden würden auf irgendeine Weise Dinge ins Rollen bringen, die das Gefüge Larhatoons erschüttern konnten. Er hatte gesehen, wie Koonepher-Trest vor seinem Tod etwas übergeben hatte, begleitet von einer ungeheuren Geste – einem Kuss ...

Es gab nicht viele Möglichkeiten, den Einsturz des brüchig gewordenen Konstruktes aufzuhalten, und Baudencerc tat dazu, was er konnte. Es war die Art seines Volkes, den Frieden bewahren zu wollen. Auf diese Weise konnte er die Entwicklung vielleicht noch in die richtige Richtung lenken und das Schlimmste abwenden. Trotz der vielen unberechenbaren Faktoren, die er nicht einkalkulieren konnte.

Und dann kam noch hinzu, dass er ... gar nicht aus dieser Zeit stammte. Dass er von den Atopen als Zeitzeuge der Zukunft bestimmt worden war, der verhindern musste, was geschehen würde und nicht geschehen durfte – niemals. Es war ein kompliziertes und eben dadurch sehr fragiles Gefüge, das die Atopen errichtet hatten, um den Untergang aufzuhalten, wie er im Kontrafaktischen Museum gezeigt wurde.

Deshalb musste Baudencerc die weiteren Schritte sehr gut überlegen. Er hatte den Anschlag überlebt, das war von Bedeutung – er war noch von Bedeutung. Seine Aufgabe nicht vollendet.

Dazu hatte er nach der öffentlichen Designation als Erstes versucht, Aipanu-Cel zu erreichen, doch die Designierte hatte bisher nicht geantwortet. Weshalb nicht? Ganz sicher hatte sie die Sendung mitbekommen, denn sie hatte ohne jeden Zweifel wie jeder andere der Entscheidung entgegengefiebert. Sie mochte vielleicht sogar für sich selbst keine Chancen ausgerechnet haben, aber umso mehr lag es in ihrem Interesse, dass derjenige Kandidat – oder Kandidatin – den Zuschlag bekam, mit dem sie sich am besten arrangieren konnte.

Aipanu-Cels Schweigen beunruhigte Baudencerc, und er überlegte, ob er einen Unterhändler zu ihrem Schiff schicken sollte – schon allein um festzustellen, ob mit ihr alles in Ordnung war. Nicht, dass es einen zweiten Anschlag gegeben hatte ...

Seine Überlegungen wurden abrupt unterbrochen. Der Körper des riesigen, vier Meter hohen Greikos ruckte herum, als er ein Geräusch hörte. Er stellte die drei Vogelbeine, die in zehenlosen runden Füßen mit weichen Ballen an der Unterseite endeten, so auf Distanz, dass er einen sicheren Stand hatte. Die langen dünnen, fünfgelenkigen Arme zogen die fragilen Flughäute enger um ihn, damit sie ihn besser schützten, ihm zugleich ein würdevolleres Aussehen verliehen. Seine Flügel hatten aufgrund seines Alters und der Schwäche durch die kaum verheilten Verletzungen jede Farbe verloren und waren mattgrau wie seine Haut.

Er richtete den scharfen Schnabel zur Tür, eine Geste der Aufmerksamkeit, aber auch der Distanz.

Ja, sie öffnete sich, er hatte richtig gehört.

»Ich habe niemanden gerufen«, sagte Baudencerc ruhig. Von Angst und Spannung zugleich erfüllt, hielt er den Blick unverwandt auf die Tür gerichtet.

»Das ist mir bewusst«, antwortete eine ihm fremde Stimme. »Deshalb bin ich von selbst gekommen.«

Die großen Augen des Greikos klappten erstaunt auf und zu. »Du?«, flüsterte er.

3.

OVPASHIR: Geduld

 

Perry Rhodan versuchte, Kontakt zu Osueo aufzunehmen, doch er konnte nur den alten Aotoch erreichen, der den Kommandanten in der Zentrale vertrat.

»Wie kann ich dir behilflich sein?«, erkundigte sich der Lucbarni höflich. Seine Augen in dem nur faustgroßen Gesicht wirkten im Holo noch größer. Sein Hals zeigte viele Falten, die Hautfärbung einen leichten Grauton.

»Ich muss dringend mit Osueo sprechen«, erklärte Rhodan. Seine Hand umschloss das Vektorion, den Grund seiner Aufregung. Seit sie in den Überlichtflug gegangen waren, zeigte es dauerhaft in eine bestimmte Richtung, der Legende nach zur mystischen Urheimat der Laren.

»Das ist leider unmöglich.« Bedauern lag in der rauen Stimme des Lucbarni. »Osueo hat dir sicher gesagt, dass er seine Flammung beenden wird. Das sollte in vier Stunden der Fall sein. Dann wird er sich dir widmen können.«

»Kann ich ihn wirklich nicht unterbrechen?«

Das Schillern der Augen wechselte zu roten Tönen. »Das ist eine sehr wichtige Prozedur und ein intimer Vorgang, Da-Zoltral. Wir sollten ihn nicht dabei stören. Es dauert wirklich nicht lange, nur ein paar Stunden. Ich werde dir gern behilflich sein, wenn es dir an etwas mangelt. Benötigst du Nahrung? Oder Hilfe für deinen Körper?«

»Ich ... habe alles, danke.« Rhodan bemühte sich um ein Lächeln. »Nur eine Frage noch, wie lange bleiben wir auf Überlicht?«

»Oh, einige Tage. Wir haben eine sehr lange Reise vor uns, weil sie durch einen Tolocesten gebremst wird, wie dir sicherlich bekannt ist. Auch die Lucbarni werden nicht von der Atopischen Ordo ausgenommen.«

Das beruhigte den Terraner etwas. Er konnte also noch während des Überlichts mit dem Kommandanten sprechen.

Bis dahin wollte er allerdings vor seinen Reisegefährten geheim halten, was er herausgefunden hatte. Zuerst wollte er mit Osueo abklären, wohin die Reise ging.

»Vielen Dank für die Auskunft«, sagte er, und diesmal hatte er keine Schwierigkeiten zu lächeln. »Dann werde ich mich ein wenig erholen, bis Osueo bereit ist, mich zu empfangen. Bitte, lass ihm ausrichten, dass ich ihn unbedingt sprechen muss, allein.«

»Das werde ich«, versprach Aotoch.

Die Verbindung war beendet, und Rhodan ließ sich auf dem Bett nieder. Seine Kammer war eng und niedrig, so, wie die Lucbarni es bevorzugten. Rhodan konnte sich kaum darin bewegen. Doch für den Moment musste er das ertragen, und er hatte tatsächlich Erholung dringend nötig. Wie viele Stunden er nun schon ununterbrochen auf den Beinen war, konnte er gar nicht mehr sagen. Auch der Zellaktivator hatte seine Grenzen. Und er brauchte etwas zu essen.

Nach einigem Herumsuchen entdeckte Rhodan die »Vorräte«. Astronautennahrung hatte man das damals auf der Erde genannt, als er ein erwartungsvoller junger Major gewesen war, dem der erste bemannte Flug zum Mond bevorstand. Natürlich gab es das weiterhin als Standard auf allen Raumschiffen, allerdings nur als echte Notration. Konzentratriegel, Wasserbeutel. Eine bescheidene Mahlzeit, doch wenn sie dem Metabolismus eines Laren zugute kam, dann sicher auch ihm.

Still machte er sich an die Nahrungsaufnahme, anders konnte er es nicht bezeichnen. Neacue ringelte sich aus seinem Anhänger.

»So ist das also«, stellte der Benetah fest, ohne sich weiter zu erklären.

Rhodan passte sich ihm an, denn er kannte schon einige seiner Scherze. »Ja, so sieht es aus.«

Neacue streckte sich zu ihm empor und musterte ihn aus seinem winzigen, dem Menschlichen nachgeahmten Gesicht. »Und du behältst es für dich?«

»Nur vorerst. Wir können im Augenblick ohnehin nichts unternehmen.«

»Dass du das fertigbringst ... mich würde es ja zerreißen! Moment – das tut es ja!« Neacue dehnte einen Teil seines Körpers, bis er nur noch ein hauchdünner Faden war.

»Halt dich zurück«, mahnte Rhodan. »Kein Wort zu irgendjemandem, verstanden? Wir alle brauchen Ruhe, und dann sehen wir weiter.«

Neacue schraubte sich zu einem Knoten zusammen. »Weil du Konflikte erwartest, und die erwartest du völlig zu Recht. Jeder will das Vektorion auf seine Weise nutzen, bis auf Bostich ...«

»Bleib bitte beim Tarnnamen!«

»Wir werden hier nicht abgehört. Habe ich schon gecheckt.«

»Aber du könntest dich im falschen Moment verplappern.«

»Secla-Hiab, der ...«

»Se...« Rhodan unterbrach sich und seufzte. »Okay. Fahr einfach fort.«

»... der will nur nach Hause. Verständlich, wenn man sieht, wie die Atopen hier alles ruiniert haben und er um sein Großreich bangen muss. Wobei, wenn er sich genau entgegengesetzt zum Fingerzeig hält, ist das vielleicht sogar die richtige Richtung, und damit wäre selbst ihm das Vektorion dienlich ...«

»Deswegen hoffe ich ja auf Osueo als verbindendes, neutrales Element. Wir sind bei ihm zu Gast, er ist Forscher, aber wohl nicht eigennützig, was ich nach den wenigen Augenblicken, die wir bisher miteinander verbracht haben, festgestellt habe.«

»Und dich hoffentlich nicht irrst.«

»Was empfindest du denn?«

Neacue entwirrte sich wieder oder versuchte es zumindest. Er hatte es wohl ein wenig zu gut gemeint mit seinem Schaubild. Trotz aller Bemühungen verhedderte er sich zusehends.

»Du fragst mich um meine Meinung? Wie schmeichelhaft.«

»Neacue.«

Das genügte. Der Knoten zerfiel, und der Benetah lag schlaff wie ein Haufen dünner Nudeln auf dem Tischchen. »Warst du eigentlich immer schon so?«, beklagte er sich.

»Wie denn?«, fragte Perry Rhodan verständnislos zurück.

»So ... schrecklich ernsthaft!«

»Ich denke schon«, sagte er nachdenklich.

»Ich geb's auf.« Neacues Kopf fuhr wieder nach oben. »Die Lucbarni sind meiner Ansicht nach äußerst friedliebend. Obwohl ich es nicht gern sage, aber es wäre mir lieb, wenn du hier kein Chaos anrichtetest.«

Rhodan lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, er schluckte sie aber hinunter. »Ich verspreche es.«

»Ich glaube, die Lucbarni sind das Volk mit den merkwürdigsten Eigenheiten, die mir je begegnet sind. Sie werden dich unterstützen, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, weil das ihre Art ist. Sie tun etwas, oder sie tun es nicht. Sie brüten nicht lange über den Gründen dafür. Deswegen sind sie dir auch völlig unvoreingenommen begegnet, obwohl sie sonst keinen Kontakt zu anderen Völkern pflegen, vor allem den Laren nicht.«

»Wir können ihnen also vertrauen.«

»Ja, den Eindruck habe ich. Du und Osueo, ihr habt eine verbindende harmonische Linie. Es war dein Glück, mit ihm in Kontakt getreten zu sein.«

Perry warf einen Blick auf das Vektorion, das er auf dem Tisch abgelegt hatte, und das unermüdlich in dieselbe Richtung wies. »Ich glaube nicht«, sagte er langsam. »Wenn ich eines gelernt habe auf meinen vielen Reisen, dann, dass es solche Zufälle nicht gibt. Ich habe sogar den Eindruck, dass Osueo mich erwartet hat.«

»Ja, diese kosmischen Schwingungen ...« Neacue kicherte verhalten. »Jedenfalls finde ich die Lucbarni spannend, und zwar sehr viel spannender als dich! Ich glaube, hier gibt es viel zu entdecken. Wenn du mich also entschuldigen würdest ...«

»Neacue!«, rief Rhodan und versuchte nach ihm zu greifen, doch der Benetah hatte sich schon in die Konsole eingefädelt und war verschwunden. »Verdammt.«

Er konnte nur hoffen, dass Neacue sich diskret zurückhielt und keinen Unsinn anstellte, nur um »ein bisschen Spaß« zu haben. Er würde niemals jemandem absichtlich schaden wollen, aber manchmal ging es einfach mit ihm durch, da war er wie ein Kind.

Immerhin hatte er nicht das Vektorion geklaut, um damit »Verstecken« zu spielen.

 

*

 

Rhodan erwachte, als der Türsummer erklang. »Ja, bitte?«

»Ich soll dich zu Osueo begleiten«, erklang eine Stimme draußen. »Ich warte.«

Der Terraner war sofort auf den Beinen. Wie lange hatte er wohl geschlafen? Seit seiner Flucht und der Unmöglichkeit irgendeiner vergleichenden Messung hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Er fühlte sich allerdings ausgeruht, und das lag bestimmt nicht nur am Zellaktivator.

Nachdem er fertig gegessen hatte, hatte er sich einer chemischen Reinigungsprozedur unterzogen, die weitaus weniger unangenehm war, als er gedacht hatte, und dann hatte er sich hingelegt und war sofort eingeschlafen. An einen Traum konnte er sich nicht erinnern.

»Ich komme sofort.« Er schlüpfte in die Kleidung, dann den Schutzanzug, prüfte, ob das Vektorion an Ort und Stelle war, und tastete zuletzt nach dem Anhänger. Normalerweise bekam er jetzt einen leichten elektrischen Schlag versetzt, doch nichts dergleichen. Neacue war noch nicht zurück.

Perry schloss den Anzug, nicht aber den Helm, er wollte es so versuchen. Dauernd den Helm geschlossen zu halten war unangenehm bei einer gut atembaren Atmosphäre.

Bostich hatte ihn zwar gewarnt, dass die Maske Schaden nehmen könnte bei der Hitze, aber sie war immerhin staubtrocken. Es gereichte zum Vorteil, dass die Lucbarni eine ausgeprägte Abneigung gegen Wasser hatten, was bei ihrer besonderen Affinität zum Feuer kein Wunder war.

Für einen Moment raubte es Rhodan den Atem, als er die Tür zurückfahren ließ und ihm siebzig Grad heiße Luft ins Gesicht schlug. Doch sogleich fächelte die Anzugkühlung ihm über die Halsöffnung ein wenig Frische ins Gesicht, sodass er glaubte, die Hitze auf diese Weise ohne Gesichtsschutz ertragen zu können.

Draußen wartete ein Lucbarni, der zwei Mehrzweckgürtel umgeschlungen hatte und zudem eine breite grüne, metallisch schimmernde Schärpe über der linken Seite des Panzers trug.

Rhodan hatte den Eindruck, dass dieser Lucbarni – sofern es sich um einen Mann handelte – jung war. Er wirkte elastisch, die ockerfarbene Haut straffer, und sowohl der Brustarm als auch der Hals wiesen gesund wirkende orangefarbene Streifen auf.

»Ich bin Voanos, Osueos Sohn«, stellte er sich vor. »Mein Vater schickt mich.«

Das wäre also geklärt. Rhodan nickte und lächelte höflich. »Vielen Dank. Hat er die Flammung abgeschlossen?«

»Ja, vor Kurzem, er befindet sich aber noch in der Vierten Schale, der Schale der Oberen Feuer. Dorthin soll ich dich bringen, er will dich sprechen.«

Der Terraner zögerte. »Aotoch sagte mir, die Flammung wäre ein sehr intimer Vorgang ...«

»Ja, das stimmt, aber Osueo lädt dich trotzdem dorthin ein. Das ist eine große Ehre, möchte ich hinzufügen.« Dann schien Voanos etwas einzufallen, denn er klatschte sich mit den Greiflappen gegen die Brust. »Ich hoffe, die Farbe meiner Schärpe brüskiert dich nicht«, fügte er hinzu. »Es ist das Grün des Willkommens.«

»Die Farbe ist wunderschön, vielen Dank, vor allem auch für das Willkommen«, versicherte Rhodan. »Wer wird uns sonst noch begleiten?«

»Wenn du deine Gefährten meinst –