Sebastian Bach

 

Raketenmenschen
greifen an!

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Twilight-Line Medien GbR
Obertor 4
98634 Wasungen

Deutschland

 

1. Auflage, November 2016

ISBN 978-3-944315-47-8

eBook-Edition

 

© 2016 Twilight-Line Medien GbR
Alle Rechte vorbehalten.

Prolog

 

 

Daria saß in der Schule. Im Kunstunterricht der siebten Klasse, hinterste Reihe, ganz links am Fenster, um genau zu sein. Von dieser Position aus konnte sie kaum erkennen was der Lehrer an die Tafel geschrieben hatte und so setzte sie widerwillig ihre Brille auf. Daria wurde jeden Tag von ihrer Klasse gehänselt, auch ohne Brille, aber sie hatte den festen Willen sich deswegen nicht vom Unterrichtsstoff abbringen zu lassen.

Kaum hatte sie die runden Gläser auf ihrer Nase, schon grinsten einige ihrer Klassenkolleginnen gehässig. Ihre Familie hatte nun einmal nicht das Geld für die trendigsten Kontaktlinsen.

In ihrer rosa Verpackung wirkten die Hühner auf den vorderen Bänken wie die neuste Barbiekollektion. Ihre Köpfe dienen wahrscheinlich allein zu Dekorationszwecken, dachte Daria. Dass sich in jeder Klasse ein Clan von dumm kichernden Zicken herausbildete, deren Interessen nicht über Frisuren und den Handy-Klingelton des Monats hinausreichten, war wohl ein natürliches Gesetz.

Daria Warner gehörte jedoch nicht dazu. Sie ließ ihre langen brünetten Haare einfach fallen und kleidete sich bewusst schlicht. Nicht etwa, weil es ihren Eltern an Geld fehlte oder sie nicht auffallen wollte. Ganz gezielt provozierte sie ihre nichtsnutzigen Klassenkolleginnen mit ihrem Anderssein. Sie ignorierte das Getuschel der Zicken und sah zur Tafel, die schräg an der Wand hing und auf der bereits unzählige Kreideschichten verschmiert waren, da es niemand für nötig hielt sie abzuwischen. Angesichts des schimmligen Schwamms wohl auch kein Wunder. Erkennen konnte Daria daher auch mit Brille nur wenig.

„Mein Name ist May“, meldete sich der Lehrer zu Wort und zeigte auf die Kritzelei an der Tafel. Er war ein junger Glatzkopf, der ganz frisch von der Uni kam und hier nur die Aushilfe spielte. „Ihr müsst das jetzt nicht abschreiben. Ich bleibe ohnehin nur für ein paar Wochen und soll euch in der kurzen Zeit was über Kunst beibringen. Ich hoffe wir kriegen das hin.“

Einige Schüler kicherten. Mr. May blickte sie scharf an.

„Findet ihr das etwa witzig?“ Er grinste und wurde wieder etwas leiser. „Nun gut. Nehmt eure Zeichenblöcke und irgendwas zum Zeichnen raus. Ich verschwinde dann mal in eine andere Klasse. Ihr wisst ja, dass der Staat Geld sparen muss und Lehrermangel herrscht. Wenn ihr fertig seid geht einfach unauffällig heim.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum.

Daria freute sich wohl als einzige nicht über diese verkürzte Stunde. Nach fünf Minuten war sie die einzige im Raum. Das Bild, das sie angefangen hatte, bestand nur aus einigen Strichen. Als sie nach einer halben Stunde immer noch uninspiriert dasaß, klappte sie den Block zu, steckte alles in ihren Ranzen und verließ den Klassenraum.

Bevor sie den Heimweg antrat, ging sie noch einmal zur Toilette. Sie öffnete die Tür und stolperte fast über ein Paar Füße. Sie gehörten zu Mr. May, der mit einer blutigen Nase neben dem Waschbecken lag. Seine blutunterlaufenen Augen drehten sich wie Glücksräder und er sabberte wie ein Baby.

Erst dachte Daria, sie wäre aus Versehen auf der Männertoilette gelandet und der Lehrer Opfer einer Schlägerei. Dann sah sie eine Kreditkarte und eine zusammengerollte Dollarnote neben dem Waschbecken liegen. Ihr neuer Kunstlehrer hatte sich das halbe Hirn weggekokst.

„Mhh, das bedeutet dann wohl Ausfall...“ Daria ging unverrichteter Dinge wieder rückwärts aus der Mädchentoilette.

Nach ihr kamen zwei Blondinen aus der neunten Klasse, die in lautes Gelächter ausbrachen und sich mit Lippenstift über Mr. Mays Gesicht hermachten. Der Aushilfslehrer schien nichts mitzubekommen und gab nur komische Geräusche von sich. Es wunderte Daria schon gar nicht mehr, als sie ihn am nächsten Tag mit roten Herzchen auf den Wangen durch die Schule wanken sah.

Das Wochenende war die einzige Rettung vor dem alltäglichen Schwachsinn. Daria hatte erst einmal genug von der Schule. Sie überlegte sich, zur Abwechslung einmal Urlaub in einer Irrenanstalt zu machen. Wenn so viele Vollidioten frei herumliefen, musste dort die Zuflucht der letzten Genies sein.

Doch gerade an diesem Wochenende sollte es zu einem einschneidenden Erlebnis kommen, das ihre Meinung über die geistige Degenerierung der Menschen ein für alle Mal besiegeln sollte.

 

Ihre Mutter machte mir ihr eine Tour nach New York. Alles schien auf einen entspannten Tag hinzudeuten, bis sie am Empire State Building vorbeikamen.

„Hehehe, schau dir die ganzen Leute da unten an. Wie Ameisen“, meinte ein fies aussehender Junge mit vorstehendem Unterkiefer zu seinem noch hässlicheren Freund. Beide standen auf der Aussichtsplattform des Empire State Buildings und gafften nach unten.

„Ja, voll klein, haha“, gab der andere zurück.

Die beiden zwölfjährigen gafften weiterhin die Fassade herunter. Dann fing einer an zu spucken, der andere tat es ihm gleich. „Mist, man sieht gar nicht ob man was getroffen hat.“

Sein Kumpel zog einen Penny aus der Hosentasche. „Hehehe, probier es damit!“

„Oh ja! Haha.“ Er nahm den Penny und schmiss ihn in die Tiefe.

„Ahhhh!“, schrien beide, als sie plötzlich ein Wachmann von hinten packte und an den Ohren wegzog.

„Was macht ihr hier, ihr Schwachköpfe?“, brüllte er sie an und trieb sie von der Aussichtsplattform weg.

Wenige Sekunden später und viele Stockwerke tiefer brach Darias Mutter neben ihr zusammen.

 

 

Kapitel 1

 

 

Enricè rannte durch den nächtlichen Regenwald. Er gehörte zu einer Gruppe Holzfäller, die ihr Lager in einem der letzten Waldflecken des Amazonas aufgeschlagen hatte. Sein Job war es, diesen Flecken Wald abzuholzen, damit ein großer Agrarkonzern dort seine Felder anlegen konnte. Doch nun schien es, als hätte die Natur einen Dämon ausgesandt, um sich zu rächen.

Er war der einzige Überlebende und glaubte diesen Dämon abgehängt zu haben. Nur noch wenige Meter trennten ihn vom nächsten Dorf. Enricè konnte bereits die ersten schwachen Lichter erkennen.

Endlich, dachte er in freudiger Erwartung der Rettung und setzte zur Zielgeraden an. Plötzlich stürzte er über eine Wurzel. Er wollte sich gerade wieder aufrappeln, da hörte er hinter sich knackendes Gehölz und dieses schreckliche Kreischen, was er schon aus dem Holzfäller-Camp kannte. Was waren das für Biester, die seine Männer massakrierten?

Enricè drehte sich im Liegen um und erblickte eine hoch gewachsene Gestalt, die sich zu ihm herabbeugte. Im Dunkel der Nacht konnte er kaum etwas erkennen, nur zwei lange Hörner zeichneten sich im schwachen Mondlicht ab. Das letzte, was er in seinem Leben zu sehen bekam, war eine lange, glitschige Röhre, die auf seinen Kopf zuraste. Ein Schrei markierte das Ende seiner Existenz.

 

San Amazonas war ein kleines Dorf, bestehend aus neunzehn Holzhütten mit Strohdächern, in denen einige der letzten Indios lebten, die man aus dem Regenwald vertrieben hatte, um dessen Ressourcen auszubeuten. Daria Warner, inzwischen achtundzwanzig Jahre alt, wurde von drei Militärs begrüßt, als sie aus dem Hubschrauber stieg. Ihre Anwesenheit galt dem Fund einer Leiche, die vor zwei Tagen knapp einhundert Meter entfernt aufgefunden wurde.

„Willkommen in San Amazonas, Dr. Warner. Mein Name ist Colonel Evilyn Ridley, ich kommandiere die Special Forces, eingeteilt zu ihrem Schutz. Das sind Sarah Gomez und Philipp Chavez.“ Die burschikose Kommandeurin deutete auf ihre beiden lateinamerikanischen Kameraden – Sarah, eine junge, kantige Kämpferin mit kurzem Militärhaarschnitt, und Philipp, ein kräftiger Mittvierziger mit Schnurbart. „Folgen Sie mir!“

Daria wurde zu einer der größeren Hütten im Zentrum des Dorfes geführt. Die Dorfbewohner gingen weiter ihrer Arbeit nach, dennoch spürte sie ihre skeptischen Blicke auf sich ruhen. Keiner der Eindringlinge war hier willkommen, was angesichts der Armut der Indios auch nicht verwundern konnte. Sie waren ihrer Heimat beraubt worden, die nun von Großkonzernen zerstört wurde.

Im Warteraum des Lazarettgebäudes saßen zwei weitere Soldaten und ein junger Mann mit einer klobigen Brille, die in krassem Kontrast zu seinen kurzen blonden Haaren stand.

„Das sind Anna Brooks und Alexander Crown“, stellte Ridley ihre anderen afroamerikanischen Teamkollegen vor.

„Hallo“, grüßte Brooks zurück.

„Willkommen im Dschungel, Miss…?“, erkundigte sich Crown, ein kahl rasierter Koloss, dessen einschüchternde Statur Daria an einen Bären erinnerte.

„Daria Warner“, antwortete sie knapp.

„Und vergessen wir nicht unseren Mann fürs Extraterrestrische, Brian Less“, führte Ridley fort.

Der blonde Zwerg erhob sich und schüttelte Daria die Hand. „Ufologe, um genau zu sein. Außerdem schreibe ich Bücher über die geheimen Verschwörungen zwischen den Aliens und der Regierung.“

„Ähm, sind wir nicht im Auftrag der Regierung hier?“, fragte Warner.

„Wie meinen Sie das?“