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Markus F. Weidner

Gut ist nicht genug

Das Qnigge®-Prinzip
oder warum Service klare Regeln
braucht

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

E-Book-ISBN 978-3-86200-991-6

Unter Mitarbeit von Dr. Petra Begemann, Bücher für Wirtschaft + Management, Frankfurt | www.petrabegemann.de

©2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-517-6

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise,
nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

www.gabal-verlag.de

Inhalt

Vorwort

von Dr. Wolfgang M. Kaerkes
(Deutsche Gesellschaft für Qualität, DGQ e. V.)

Einführung: Das Qnigge®-Prinzip

GUT IST NICHT GENUG!
IN 6 SCHRITTEN ZUR SERVICEQUALITÄT

Was heißt »Servicequalität«?

Guter Service: Eine Gleichung mit zwei Unbekannten

6 Schritte für besseren Service: Ein Überblick

»Servicequalität oder: Was ist wirklich relevant?«

Interview mit Sabine Hübner und Carsten K. Rath (richtigrichtig.com)

SCHRITT 1: WERTE REFLEKTIEREN

Warum Werte? Und welche?

Der Wert »Qualität«

Werte leben, Werte vorleben, Werte kommunizieren

Das Wichtigste auf einen Blick – WERTE

»Wertorientierte Unternehmensführung«

Interview mit Dr. Walter Jochmann (Kienbaum)

SCHRITT 2: DAS RICHTIGE TEAM SCHAFFEN

Warum Menschen wichtiger sind als Qualifikationen

Mitarbeiter einstellen und einarbeiten

Führungsqualität und Servicequalität

Das Wichtigste auf einen Blick – TEAMS

»Die Menschen mit den richtigen Lebensmotiven finden«

Interview mit Markus Brand (Institut für Lebensmotive)

SCHRITT 3: STANDARDS UND PROZESSE DEFINIEREN UND MANAGEN

Was sind eigentlich »Standards« und »Prozesse«?

Gängige Kritikpunkte am QM

Qualitätsmanagement und Servicequalität

Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems

Das Wichtigste auf einen Blick – STANDARDS & PROZESSE

»Service Excellence durch klare Standards«

Interview mit Jörg Schiffmann (Steigenberger Business Hotels)

SCHRITT 4: MITARBEITERN SERVICE BIETEN – DAS HANDBUCH

Eine Gebrauchsanweisung fürs Unternehmen

Die Qual der Wahl – welches System?

Die Trägheit der Masse – wie Mitarbeiter mitmachen

Das Wichtigste auf einen Blick – HANDBUCH

»orgavision® im Unternehmen mit 150 Mitarbeitern«

Interview mit Sven Flecke (Direktor des Hotels Bergström) und Ulf Reinhardt (Geschäftsführer)

SCHRITT 5: FEEDBACK GEBEN & EINHOLEN

Wissen Sie, was Ihre Kunden wollen?

Eine Feedback-Kultur im Unternehmen

Das Wichtigste auf einen Blick – FEEDBACK

»MAX – Feedback für Mitarbeiter«

Interview mit Klaus Kobjoll (Erfolgshotelier) und Markus Wiesmann (Geschäftsführer MAX GmbH)

»Zertifizierungen als Feedback-Instrument«

Interview mit Michael Weppler (TÜV Rheinland AG)

»Feedback von Kunden«

Interview mit Holger Leisewitz (Vereinigung Deutscher Veranstaltungsplaner e. V.)

SCHRITT 6: INNOVATIONEN VORANTREIBEN

Schnellere Pferde und andere Innovationen

Innovationen entwickeln und umsetzen

Das Wichtigste auf einen Blick – INNOVATION

»Kann man Innovation lernen?«

Interview mit Prof. Ulrich Weinberg (HPI School of Design Thinking)

»Wie Innovation im Eventbereich funktioniert«

Interview mit Joachim König (Hannover Congress Centrum und Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren e. V.)

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NACHWORT: QNIGGE® = FREUDE AN QUALITÄT

Danke

Anmerkungen

Literaturempfehlungen

Über den Autor

Vorwort

Gut ist nicht genug!

»Made in Germany«, ursprünglich im Merchandise Marks Act 1887 zum Schutz der britischen Bevölkerung vor deutschen Produkten ins Leben gerufen, hat sich als Markenzeichen für die deutsche Wirtschaft erwiesen. Deutschland steht wie kein anderes Land weltweit für Qualität. Aus Deutschland gelieferte Produkte werden von unseren Kunden als qualitativ hochstehend und konkurrenzfähig mit den Merkmalen Qualität, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit, als innovativ und »ihren Preis wert« angesehen. Selbst die deutschen Konsumenten, sonst eher als kritisch bekannt, attestieren deutschen Produkten eine höhere Qualität als Produkten aus anderen Ländern. Hinzugekommen ist harte Arbeit. Und es erfordert weiterhin unser aller Bewusstsein für Qualität, unsere Konzentration auf und unser stetes Streben nach Perfektion. Unser Ziel muss es sein, die Bedeutung von Qualität als operativer und strategischer Erfolgsfaktor und wichtige Grundlage unseres Lebensstandards auf allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft zu verankern.

Der Weg zu nachhaltigem Erfolg ist steinig und beschwerlich. Entscheidender Erfolgsfaktor ist neben der Kompetenz der Fachkräfte das zu keiner Zeit nachlassende und für alle Mitarbeiter sichtbare Engagement der Unternehmensleitung und ihrer Führungsmannschaft. Deutschland muss sich die Strahlkraft des Labels »Made in Germany« und die damit verbundene Qualitätsorientierung erhalten. Angesichts zunehmend globaler Wertschöpfungsketten und multinationaler Unternehmensstrukturen und angesichts des Strukturwandels hin zur Dienstleistungsgesellschaft müssen wir gemeinsam weiterdenken, um das Label mit neuem Leben zu füllen. Wenn wir nicht ins internationale Mittelmaß abdriften wollen, müssen wir Qualität als übergeordnetes strategisches Leitprinzip in Unternehmen und Organisationen fest verankern und beleben. Qualität hat eine herausragende Bedeutung für unsere Zukunft.

Der Erfolg einer Volkswirtschaft ist allerdings nicht delegierbar. Am Erfolg einer Volkswirtschaft ist jeder Einzelne beteiligt. Das geschieht zwar in unterschiedlicher Art und Intensität, aber jeder kann und muss einen Beitrag leisten. Nur wenn dieses Engagement aus Überzeugung gelebt wird, gelingt es, nachhaltig erfolgreich zu sein. Hier kann der vorliegende »Qnigge®« Orientierung geben und Ansporn sein.

Gut ist demnach nicht genug!

Dr. rer. nat. Wolfgang M. Kaerkes

Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der

Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ e. V.)

Einführung: Das Qnigge®-Prinzip

»Alles Vortreffliche ist selten.«

MARCUS TULLIUS CICERO,
PHILOSOPH (106–43 v. CHR.)

Deutschland: keine Servicewüste!

»Wir sehen die klügsten, verständigsten Menschen im gemeinen Leben Schritte tun, wozu wir den Kopf schütteln müssen«, beginnt Adolph Freiherr von Knigge vor über 200 Jahren sein berühmtes Buch »Über den Umgang mit Menschen«. Vielleicht teilen Sie diese Erfahrung, wenn Sie beim Einkaufen, an der Hotelrezeption, auf Reisen oder am Telefon von Servicemitarbeitern nicht so behandelt werden, wie Sie sich das wünschen. Zwar ist Deutschland nicht mehr die trostlose Servicewüste, die der japanische Management-Berater Minoru Tominaga einst als »kundenfeindliche Gesellschaft« charakterisierte. Vieles ist besser geworden, wie der jährliche »Kundenmonitor« der ServiceBarometer AG eindrucksvoll belegt. Mit vielen Dienstleistern vom Automobilklub bis zum Optiker ist die Mehrheit der Kunden danach »sehr zufrieden« oder sogar »vollkommen zufrieden«.1

Dennoch gibt es weiterhin genügend Anlass zum Kopfschütteln – etwa wenn der Mitarbeiter am Hotelempfang die Klage des Gastes über das weiche Bett mit dem Hinweis kontert, das sei ja wohl ein »Luxusproblem«. Oder wenn die Dame im Callcenter mit monotoner Stimme und erkennbar desinteressiert ihren Leitfaden herunterleiert. Oder wenn im Viersternehotel das Fenster klemmt und sich nicht schließen lässt, und das ganz offensichtlich nicht erst seit gestern.

Vorbild für Qnigge®: Knigge

Freiherr von Knigge antwortete auf die Pannen und Peinlichkeiten des Alltags mit einer Fülle von Verhaltensempfehlungen für die unterschiedlichsten Lebenssituationen. Ob Umgang mit »Frauenzimmern«, mit Hauswirten, Adligen oder Schuldnern: In seinem Buch findet der Leser konkrete Hilfe. Knigge setzte also auf Regeln. Damit ist er der ideale Namenspatron einer Servicephilosophie, die davon ausgeht, dass guter Wille und ein positives Unternehmensklima allein nicht ausreichen, um den Kunden einen kontinuierlich guten (lieber noch: sehr guten) Service zu garantieren.

Natürlich braucht es zunächst einmal guten Willen beim Personal und eine Führung, die wertschätzend mit Mitarbeitern umgeht und ihnen den Servicegedanken vorlebt. Doch beides schützt nicht davor, dass Mitarbeiter sich aus Unsicherheit im Ton vergreifen, weil unklar ist, wie eine Situation gehandhabt werden soll. Es verhindert nicht, dass Kommunikationspannen echte Servicemängel erzeugen. Hinzu kommt: Nur in einer idealen Welt schafft es eine Führungskraft, ihre Abteilung ausschließlich mit kundenbegeisternden Naturtalenten zu besetzen. Zwar gibt es Menschen, die intuitiv fast immer das Richtige tun und den richtigen Ton treffen, wenn man sie nur machen lässt. Doch seien wir ehrlich: Solche Mitarbeiter sind rar. Schließlich gehen schon am heimischen Küchentisch die Meinungen mitunter weit auseinander, was »aufgeräumt«, »freundlich« oder »perfekt vorbereitet« bedeutet. Warum sollte das im Unternehmen anders sein?

Q = Qualität und Qualitätsmanagement

Wer den Service vom Zufall befreien will, von der Tagesform und von individuellen Auslegungen Einzelner, der braucht Regeln, die für Transparenz, Klarheit und Verbindlichkeit sorgen. Hier kommt das Q ins Spiel. Es steht für Qualität und systematisches Qualitätsmanagement. Nur wenn jedem im Unternehmen klar ist, was zu tun ist (und natürlich, wie es zu tun ist), kann man die Schwankungsbreite an Leistungserfahrungen reduzieren, die den Service in Deutschland und auch anderswo prägt. Nur wenn es klare Regeln gibt, lässt sich auch mit durchschnittlichen Mitarbeitern überdurchschnittlicher Service garantieren. Deshalb schreiben wir in meinem Unternehmen »Qnigge«® mit Q.

QM: ein Datengrab?

Während niemand etwas gegen (gute) Qualität hat, sieht das beim Qualitätsmanagement (QM) schon anders aus. QM steht im Ruf, Unternehmen durch Dokumentationswahn und bürokratische Datensammelei zu lähmen und schlimmstenfalls folgenlose Datengräber zu erzeugen, die im Alltag wenig nützen und viel Zeit und Geld kosten. Diese harsche Kritik ist nicht immer unbegründet und inzwischen auch bei Qualitätsexperten angekommen. So schreibt Benedikt Sommerhoff, Leiter DGQ Regional bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ e. V.) anlässlich des sechzigjährigen Bestehens dieser Organisation: »Ja, einige von uns hatten den Führungskräften das Leben sauer gemacht, gequengelt und missioniert. ... Ja, einige von uns hatten sich von den Mitarbeitern entfernt, sich durch Sprache und Themensetzung distanziert. ... Ja, wir hatten aufgehört, den Return on Quality zu belegen, haben externen Druck, Normen und Standards herangezogen, um die Notwendigkeit unseres Handelns und Tuns zu begründen.«2 Doch so wenig, wie man das Auto abschafft, weil einige Fahrer damit gegen einen Baum steuern, so wenig machen praxisferne Umsetzungen das Qualitätsmanagement überflüssig.

Die Vorteile des Qualitätsmanagements

Im Kern geht es beim Qualitätsmanagement um eines: Schreibe auf, was du tust, und halte dich an das, was du aufgeschrieben hast. Richtig verstanden, führt es dazu, dass wir Anforderungen, Prozesse und Anweisungen im Unternehmen auf den Prüfstand stellen, sie übersichtlich dokumentieren und damit für jeden zugänglich und leicht nachvollziehbar machen. Für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter, für die Abstimmung von Aufgaben, für eine reibungslose Zusammenarbeit ist dies von unschätzbarem Wert. Gleichzeitig steckt darin ein wichtiges Optimierungspotenzial, denn nur was ich klar vor Augen habe, kann ich verbessern. Dabei steht außer Frage, dass praxisorientiertes QM sorgfältiges Überlegen verlangt, was überhaupt dokumentiert werden muss. Außerdem sollte jede Dokumentation so angelegt sein, dass Mitarbeiter tatsächlich mit ihr arbeiten und sich nicht inform(ation)elle Schleichwege suchen. Ohne die Einbeziehung der Mitarbeiter in den Gesamtprozess kann das nicht funktionieren.

Qnigge®: mehr Servicequalität durch eindeutige Serviceregeln

Das Qnigge®-Prinzip bedeutet also: mehr Servicequalität durch eindeutige Serviceregeln. Anders ausgedrückt: Das Qnigge®-Prinzip zielt auf einen formvollendeten »Umgang mit Menschen« durch ein gemeinsames, von Management und Mitarbeitern getragenes und im Detail präzisiertes Serviceverständnis. Wenn jeder weiß, was zu tun ist und welche Freiräume er dabei hat, entstehen Souveränität und überzeugendes Handeln. So verstanden, kann Qualität tatsächlich Freude machen – durch Erfolgserlebnisse, durch positive Rückmeldungen von Kunden und durch die kompetente Beherrschung des eigenen Arbeitsgebietes. Wie Sie die Basis für Freude an Qualität in Ihrem Unternehmen legen können, ist das Thema dieses Buches.

Gut ist nicht genug!
In 6 Schritten zur Servicequalität

»Um nach vorn zu kommen und dort zu bleiben, kommt es nicht darauf an, wie gut du bist, wenn du gut bist, sondern wie gut du bist, wenn du schlecht bist.«

MARTINA NAVRATILOVA, TENNISLEGENDE (*1956)

Beispiele

Wie reagieren Sie, wenn ein guter Freund auf die Frage »Na – wie war’s im Urlaub?« zur Antwort gibt: »Gut!«, oder auch: »Ganz gut«? Wollen Sie die Adresse des Hotels wissen? Wahrscheinlich nicht. »Gute« Hotels gibt es wie Sand am Meer. »Gut« bedeutet: Der Service war okay, es gab eigentlich nichts zu meckern, höchstens ein paar Kleinigkeiten, etwa kein Cappuccino zum Frühstück oder dass Sie einmal nach frischen Handtüchern fragen mussten. Sonst war der Aufenthalt ganz angenehm. Aber noch mal dorthin fahren oder das Haus sogar unaufgefordert weiterempfehlen? So toll war’s nun auch wieder nicht ... Wenn viele Gäste dieser Meinung sind, könnte das Hotel bald Probleme bekommen. Der Wettbewerb in der Hotellerie ist hart, wie in den meisten anderen Branchen heutzutage auch. Jeder weiß: Der Kunde hat fast überall die Qual der Wahl und mit dem Internet auch die Möglichkeit, ganz schnell zu schauen, was die Konkurrenz bietet. Und das bedeutet für Service jeder Art: Gut ist nicht genug! image

Was würden Sie denken, wenn ein früherer Kollege, der eine Weinhandlung im angesagten Stadtviertel aufgemacht hat, Ihnen berichtet, in Sachen Personal sei er jetzt »gut aufgestellt«? Frau Schmidt sei ein echter Glücksfall, eine Weinkennerin, die exzellent berate. Der zweite Verkäufer, Herr Laumer, sei ein wenig brummig, doch er kenne sich mit Wein ebenfalls sehr gut aus. Und in Stoßzeiten helfe ein Student aus, sodass niemand lange warten müsse. Möglicherweise erinnern Sie sich, dass Sie beim letzten Mal leider an Herrn Laumer geraten sind und der erkennbar einen schlechten Tag hatte. Sie haben zwar gekauft, sich über seinen arroganten Ton jedoch geärgert. Und ob wirklich jeder Kunde damit zufrieden ist, gelegentlich von einem Studenten mit rudimentären Weinkenntnissen bedient zu werden? Auch hier gilt: Gut ist nicht genug! image

Wie entscheiden Sie, wenn Ihr Friseur zwar wunderbar Haare schneidet, Sie jedoch hin und wieder zehn Minuten warten lässt, obwohl Sie einen Termin haben? Und zwischendurch ungerührt Termine vereinbart, während Sie mit nassen Haaren dasitzen, wenn die Azubine mal wieder frei hat? Jedes Mal nehmen Sie sich vor, den Friseur zu wechseln – und irgendwann werden Sie das wahr machen. Dabei ist der Friseur an sich gut. Doch: Gut ist auch hier nicht genug! image

Gut reicht nicht aus!

Drei Beispiele, die eins gemeinsam haben: Der Service ist nicht etwa schlecht. Es gibt allerdings kleine Ärgernisse, es fehlt an Kontinuität und auch an Wow-Erlebnissen, die Kunden an einen Anbieter fesseln. Ob Hotel, Weinhandlung oder Friseur, alle drei könnten erfolgreicher sein, wenn es ihnen gelänge, ihre Servicequalität zu steigern.

Was heißt »Servicequalität«?

Das Ziel: eine Qualitätsdienstleistung

Als die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) 2012 anlässlich ihres sechzigjährigen Bestehens namhafte Wirtschaftsführer zum Thema »Qualität« befragte, zitierte fast jeder von ihnen stolz die Kennzeichnung »Made in Germany«.3 Sie wurde von den Briten Ende des 19. Jahrhundert für deutsche Importwaren vorgeschrieben, um die heimische Produktion zu schützen. Eigentlich zur Abschreckung gedacht, entwickelte sie sich bald zum Gütesiegel. »Qualität« wird bis heute vor allem produktbezogen verstanden. Wir sprechen von »Qualitätsprodukten« und attestieren Werkzeugen, Maschinen oder Stoffen eine »hohe Qualität«. Von einer »Qualitätsdienstleistung« ist eher selten die Rede. Dabei arbeiten heute drei Viertel aller Deutschen nicht mehr in der Produktion von Gütern, sondern im Dienstleistungsbereich, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat.4 Eine Qualitätsdienstleistung wäre schlicht: exzellenter Service. Doch dafür ist Deutschland eher weniger bekannt. »Service Made in Germany«? – ein schönes Ziel, nur bislang eher Zukunftsmusik.

Service kommt von »dienen«.

Dennoch ist das Thema »Service« in den letzten 15, 20 Jahren immer stärker in den Blickpunkt gerückt, mit unterschiedlichen Perspektiven. Wenn der Amazon-Manager Bill Price sagt, »The best service is no service«, betrachtet er das Ganze mit verengtem Blick – er versteht Service als ungeliebten Reparaturbetrieb bei Pannen im Online-Geschäft.5 Wer den Kundendienst rufen muss, weil die Waschmaschine kaputt ist, trifft möglicherweise ebenfalls auf dieses Serviceverständnis. Wenn Unternehmensberater den Service als Instrument der Wertschöpfung hervorheben, wollen sie den Herstellern von Produkten und Maschinen die wirtschaftlichen Vorteile von technischen Wartungsleistungen vermitteln. Doch im eigentlichen Dienstleistungsbereich steht der (mehr oder weniger gute) Service von vornherein im Zentrum. »Service« kommt vom lateinischen »servire« – dienen – und existiert immer da, wo Menschen in wirtschaftlichen Zusammenhängen etwas für andere Menschen tun. »Servicequalität« beschreibt, wie dieser Dienst beschaffen ist.

Wichtig: der Wohlfühlfaktor

Dass exzellenter Service ein wichtiges Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Ihr Lieblingsrestaurant zeichnet sich wahrscheinlich nicht nur durch gutes Essen aus, sondern auch durch besonders freundliche, aufmerksame, vielleicht sogar herzliche Bedienung. Ob Sie Ihre Unterhaltungselektronik im Großmarkt kaufen oder beim Einzelhändler um die Ecke, hängt auch davon ab, ob der kleine Händler exzellente Beratung bietet (und ob Sie Wert auf eine solche Beratung legen). Der Starfriseur Udo Walz gibt sogar offen zu, dass ein Friseur auswechselbar sei, solange er sein Handwerk beherrsche: »Was zählt, ist Lifestyle: Der Kunde kommt rein und muss sich im Salon wohlfühlen. Das fängt schon damit an, wie er begrüßt wird.«6 Service macht den Unterschied.

Eine Reihe von Initiativen und Preisen belegt, dass guter Service inzwischen sehr ernst genommen wird. Einige Beispiele:

image Die ServiceBarometer AG veröffentlicht seit über 20 Jahren mit dem »Kundenmonitor« alljährlich eine umfassende Studie zur Verbraucherzufriedenheit in Deutschland. Dafür wurden 2012 insgesamt 36 000 Kunden gefragt: »Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem hauptsächlich genutzten Anbieter insgesamt?« Auf einer Skala von 1 (»sehr zufrieden«) bis 5 (»unzufrieden«) belegen Buchversender und Optiker Spitzenwerte (1,67 bzw. 1,8), Krankenkassen oder Lebensmittelmärkte besetzten das Mittelfeld (2,19 bzw. 2,29) und das Schlusslicht bilden soziale Netzwerke (2,67) und Fondsgesellschaften (2,85). Das Unternehmen konstatiert »steigende Zufriedenheitswerte in einem Großteil der untersuchten Branchen« und sieht den Service in Deutschland auf einem guten Weg (www.servicebarometer.net).7 Dennoch muss man kein Statistiker sein, um zu wissen: Bei Durchschnittsnoten von zwei bis drei ist in vielen Unternehmen noch Luft nach oben.

Kriterien für den »Servicepreis«

image Das Deutsche Institut für Service-Qualität als privatwirtschaftliches Forschungsinstitut vergibt jährlich zusammen mit n-tv den »Deutschen Servicepreis« in verschiedenen Kategorien (Banken, Energie, Gastronomie usw.). Prämiert werden Faktoren wie »Kompetente Beratung, übersichtliche Präsentation von Waren, gute telefonische Erreichbarkeit, schnelle Beantwortung von E-Mails, informative Webseiten«. Die Preisvergabe 2013 basierte auf der Zusammenführung von über 80 Servicestudien, die das Institut durchführt hat, und umfangreichen verdeckten Testerkontakten per Telefon, E-Mail, im Internet und vor Ort beim Dienstleister. Preisträger 2013 waren beispielsweise Accedo, ING-DiBa und Interhyp bei den Finanzinstituten, Möbel Kraft, Segmüller und die Parfümerie Aurel in der Kategorie »Einzelhandel Lifestyle« und die B&B Hotels, Ibis sowie Motel One im Bereich Tourismus (www.disq.de).

Kriterien für den »kundenorientiertesten Dienstleister«

image Die »kundenorientiertesten Dienstleister« kürt – ebenfalls jährlich – das Handelsblatt in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen. Unternehmen, die eine vierstellige Teilnahmegebühr entrichten, nehmen an einem Auswahlverfahren teil, bei dem Managementprozesse geprüft und Kunden befragt werden. Die 50 besten Teilnehmer dürfen sich mit dem Gewinnersiegel schmücken. Die Plätze eins bis drei belegten 2013 die QVC Deutschland, die Rational AG sowie die AOK NordWest (www.bestedienstleister.de).

Kriterien für die »Kundenchampions«

image Um »emotionale Kundenbindung« geht es bei »Deutschlands Kundenchampions«. Initiiert von der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DQS) und der Forum Marktforschung GmbH, kombiniert der Wettbewerb die Befragung von Kunden mit einer Selbstbewertung der Unternehmen. Kernthese ist hier, dass bloße Kundenzufriedenheit in Zeiten »wachsender Produkthomogenität« nicht mehr ausreiche, um Kunden dauerhaft an sich zu binden: »Die wahren Kundenchampions sind jene Unternehmen, die ihren Kunden darüber hinaus eine unverwechselbare Identität und emotionale Identifikation bieten.« Teilnehmen können Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern. Wer eine Mindestpunktzahl erreicht, darf das Siegel »Deutschlands Kundenchampions« führen. Gleichermaßen prämiert werden übrigens »Deutschlands Mitarbeiterchampions«. Wir werden noch sehen, warum das eine von dem anderen kaum zu trennen ist (www.deutschlands-kundenchampions.de/wettbewerb).

Kriterien für den »Excellence-Preis«

image Der »Ludwig-Erhard-Preis« wird vom gleichnamigen Verein in Kooperation mit der Standortinitiative »Deutschland – Land der Ideen« unter der Schirmherrschaft des Wirtschaftsministeriums vergeben. Er bezeichnet sich als »Deutschen Excellence-Preis« und basiert auf den Bewertungskriterien des EFQM-Modells der »European Foundation for Quality Management«. Nachzuweisen sind »ein ganzheitliches Managementsystem und der nachhaltige Erfolg der Geschäftstätigkeit«. Hohe Kunden- und Mitarbeiterorientierung zählen ausdrücklich zu den Vergabekriterien, die in drei Kategorien – Großunternehmen, Mittelständler und Kleinunternehmen – vergeben werden. Preisträger 2012 waren die Robert Bosch GmbH, das vielfach preisgekrönte Hotel »Schindlerhof« (siehe auch Interview mit Besitzer Klaus Kobjoll in Kapitel 5 »Feedback«) sowie der Technologieanbieter Allresist (https://ilep.de).

Eine Norm für Kundenbegeisterung

Die Vielzahl der Initiativen dokumentiert ein gewachsenes Problembewusstsein in Sachen Service, das sich auch in ersten Überlegungen zur einer »Service-Norm« niederschlägt. Matthias Gouthier, Professor für Dienstleistungsmarketing an der EBS (European Business School) in Oestrich-Winkel hat die seiner Aussage nach weltweit erste »Spezifikation zur Erzielung von Kundenbegeisterung durch Service Excellence« (DIN SPEC 77224) initiiert. Anders als etwa die bekannte Qualitätsnorm DIN EN ISO 9001 ist diese Norm (noch) nicht zertifizierbar, bietet jedoch ein strukturiertes Vorgehen, um positive Überraschungsmomente, die für Kundenbegeisterung sorgen sollen, zu planen, zu bewerten und zu quantifizieren.8

Diese kurze Übersicht dokumentiert bei allem Streben nach besserem Service ein Grunddilemma: Es wird mit unterschiedlichen Begriffen hantiert, mit »Kundenzufriedenheit«, »Kundenorientierung« und »Kundenbegeisterung«, und die Begriffe werden unterschiedlich operationalisiert. Servicequalität zu messen ist um einiges komplizierter, als die Qualität eines Werkstücks zu beurteilen. Kein Wunder, denn während beim Produkt eine objektive Messlatte angelegt werden kann, entscheidet beim Service der Mensch, und das heißt zuallererst: der Kunde mit seiner individuellen Wahrnehmung.

Guter Service: Eine Gleichung mit zwei Unbekannten

Begeistert, zufrieden oder enttäuscht?

Ob ein Kunde begeistert ist, zufrieden oder enttäuscht, hängt von seinen Erwartungen ab. Werden seine Erwartungen erfüllt, wird er aller Voraussicht nach zufrieden sein. Werden die Erwartungen übertroffen oder baut der Anbieter sogar positive Überraschungsmomente in seinen Service ein, wird der Kunde vielleicht mit Begeisterung darauf reagieren. Ist der Service dagegen schlechter als angenommen, reagiert der Kunde unzufrieden oder enttäuscht.

Wenn Sie beispielsweise einen Flug in der Economy-Class von Frankfurt zum London City Airport gebucht haben, erwarten Sie vermutlich, dass das Flugzeug pünktlich abhebt und ankommt, dass man Ihnen während der kurzen Flugzeit einen Kaffee und andere Getränke anbietet, dass Sie zuvorkommend behandelt und freundlich verabschiedet werden. Trifft all das ein, sind Sie wahrscheinlich zufrieden. Mit opulenter Verpflegung oder gar viel Beinfreiheit rechnen Sie nicht. Reagiert die Mitarbeiterin beim Einchecken darauf, dass Sie über 1,80 Meter groß sind und bietet Ihnen aktiv einen Platz am Notausgang an (»Dort haben Sie mehr Platz!«), wäre das vermutlich schon ein kleines Begeisterungsmoment, ebenso, wenn Sie eine breite Zeitschriftenauswahl vorfinden und man Ihnen unverhofft einen Cocktail oder ein Glas Sekt anbietet, weil die Airline ein Jubiläum feiert. Würde das Flugzeug dagegen einen schlecht gewarteten Eindruck machen, wäre Ihr Sitz fleckig und die Stewardess ausgesprochen unfreundlich, wären Sie vermutlich sehr unzufrieden.

Das Kano-Modell der Kundenanforderungen

Zur Systematisierung verschiedener Kundenanforderungen hat der japanische Wirtschaftswissenschaftler Noriaki Kano schon 1978 ein Modell entworfen, das als »Kano-Modell« in die Lehrbücher eingegangen ist. Kano unterschied darin ...

1. Basisfaktoren

Basisfaktoren setzt ein Kunde als selbstverständlich voraus. Sie werden ihm erst bei Nichterfüllung bewusst und verursachen dann Unzufriedenheit. Basismerkmale allein garantieren also noch keine Zufriedenheit. Im Flugbeispiel sind das saubere Sitze, ein einwandfreier technischer Zustand der Maschine und korrektes Verhalten des Personals.

2. Leistungsfaktoren

Darunter versteht Kano bewusste Erwartungen des Kunden. Werden sie erfüllt, ist der Kunde zufrieden. Im Flugzeugbeispiel sind das Pünktlichkeit, der übliche Service an Bord und zuvorkommendes Verhalten des Personals. Je besser diese Merkmale umgesetzt werden, desto zufriedener ist ein Kunde.

3. Begeisterungsfaktoren

Das sind Leistungsmerkmale, mit denen der Kunde nicht rechnet und die ihn positiv überraschen – im Beispiel oben etwa mehr Beinfreiheit, der Gratis-Cocktail oder die Lieblingszeitschrift. Begeisterungsmerkmale müssen also keine revolutionären Neuerungen oder kostspielige Zusatzleistungen sein. Oft sind es unerwartete kleine Sahnehäubchen oder persönliche Gesten, die von besonderer Aufmerksamkeit für den Kunden zeugen.

Wie aus unerheblichen Faktoren Begeisterungsfaktoren werden

Daneben wies Kano noch auf »unerhebliche Faktoren« hin, deren Fehlen oder Vorhandensein für Kunden keine Rolle spielt. Den meisten Kunden dürfte es gleichgültig sein, ob das Bordpersonal blaue oder graue Uniformen trägt oder ob die Sicherheitshinweise per Film oder durch ein Mitglied des Personals demonstriert werden. Allerdings schaffen es manche Fluglinien sogar, dieses normalerweise nebensächliche Merkmal in einen Begeisterungsfaktor zu verwandeln. So punktete beispielsweise Southwest Airlines mit einem rappenden Steward, der die Sicherheitshinweise humorvoll verpackte. Und Air New Zealand amüsierte Passagiere mit witzigen Sicherheitsvideos, in denen der bekannte Abenteurer Bear Grylls oder die bizarren Fantasy-Figuren aus Tolkiens »Mittelerde« die Hauptrollen spielten. Die Filme entwickelten sich zu wahren YouTube-Hits, d. h., Hunderttausende von Menschen schauten sich gezielt und freiwillig Filme mit Hinweisen an, die sie sonst gern gelangweilt ignorieren.9

Vorsicht, Gewohnheit!

Doch solche gelungenen Beispiele für Kundenbegeisterung rücken gleichzeitig ein Problem ins Bewusstsein: Was beim ersten, zweiten und vielleicht noch beim dritten Mal begeistert, wird irgendwann zur Gewohnheit. Begeisterungsfaktoren nutzen sich ab, weil sie vom Kunden irgendwann als selbstverständlich hingenommen werden. Der erste Friseur, der seinen Kunden einen Kaffee oder ein kaltes Getränk anbot, löste vielleicht noch Begeisterung aus. Heute werden viele Kunden sich wundern, wenn es beim Haareschneiden nichts zu trinken gibt. Und während W-LAN im Hotelzimmer vor Jahren noch ein Begeisterungsmerkmal war, tauschen sich Kunden auf Buchungsportalen heute über die Qualität der Internetverbindung aus. Dass es sie gibt, ist selbstverständlich.

Durch gesellschaftliche und technische Entwicklungen wandeln sich eben auch Kundenerwartungen. Noch vor 20 Jahren haben beispielsweise Nachhaltigkeit in der Verwendung von Ressourcen oder faire Arbeitsbedingungen in Herkunftsländern nur eine Minderheit von Kunden interessiert. Heute können fair gehandelter Kaffee, die Verarbeitung lokaler Produkte in der Küche und die Bettwäsche aus Bio-Baumwolle den Service eines Hotels wirksam aufwerten. Wer da beim alten Standard stehen bleibt, fällt – zumindest ab einer bestimmten Angebotskategorie – zurück.

Welche Kundenbedürfnisse werden befriedigt?

Kundenerwartungen differieren natürlich je nach Angebotskategorie. Wer einen Economy-Flug gebucht hat, legt andere Maßstäbe an als ein Business-Class-Passagier mit Vielflieger-Status. Wer möglichst preiswert von A nach B kommen will, akzeptiert unter Umständen sogar, dass er für jedes aufgegebene Gepäckstück und jedes Getränk an Bord extra bezahlen muss. Mit starren Zielgruppenkonzepten kommt man hier nicht weiter. Mancher fliegt heute Business und morgen Billigflieger, logiert heute in der Berghütte und morgen im besten Hotel am Platz. Wer Kunden zufriedenstellen will, muss daher eindeutig kommunizieren, welche Bedürfnisse er befriedigt und was Kunden von ihm erwarten können.

Das Kundenbedürfnis-Modell von Georg Häusel

Und schließlich unterscheiden sich Kunden in ihrer Persönlichkeit und ihren individuellen Vorlieben. Zur Systematisierung dieser Vorlieben erfreut sich seit etlichen Jahren das Modell von Georg Häusel großer Beliebtheit. Häusel nutzt Erkenntnisse der Neurowissenschaften und unterscheidet auf der Basis der primären Bedürfnisse (oder »Emotionssysteme«) »Stimulanz«, »Dominanz« und »Balance« insgesamt sieben Kundentypen:

1. Harmonisierer (30 Prozent der Bevölkerung):

Familienorientierte, fürsorgliche Menschen, für die Geborgenheit und Harmonie eine wichtige Rolle spielen.

2. Traditionalisten (19 Prozent):

Sicherheit, Vertrauen und Ordnung sind wichtig. Auf Neues reagieren diese Menschen eher reserviert und vorsichtig.

3. Hedonisten (13 Prozent):

... sind stets auf der Suche nach Neuem, impulsiv, individualistisch und extravagant.

4. Offene (12 Prozent):

... sind ebenfalls offen für Neues, jedoch mit Schwerpunkt sanfter Genuss und Wohlfühlen. Sie sind stärker harmonieorientiert, Toleranz ist ihnen wichtig.

5. Disziplinierte (11 Prozent):

Für sie spielen Pflichtbewusstsein und Sparsamkeit eine wesentliche Rolle. Die Konsumlust ist gering, Angebote werden detailliert geprüft.

6. Performer (9 Prozent):

... sind ehrgeizig, leistungs- und statusorientiert. Dort, wo er andere beeindrucken kann, ist einem Performer das Beste gerade gut genug.

7. Abenteurer (6 Prozent):

... zeichnen sich durch hohe Risikofreude und Impulsivität aus. Produkte, die mehr leisten und Spaß bringen, sind für sie besonders interessant.

Auf den »Limbic Type« kommt es an!

Schon dieser mehr als grobe Überblick der »Limbic Types« (nach dem »limbischen« Emotionssystem im Gehirn)10 lässt erahnen, dass Traditionalisten auf spaßige Sicherheitsfilme im Flugzeug wahrscheinlich weniger enthusiastisch reagieren als Abenteurer und dass Harmonisierer beim persönlichen Service durch eine andere Ansprache zu begeistern sind als ehrgeizige Performer. Wo der eine auf freundliche Fürsorge erfreut reagiert, wird der andere eher durch einen VIP-Status zu packen sein, der ihn aus der Menge deutlich heraushebt.

Die zentrale Rolle der Mitarbeiter

Der Kunde ist also die eine Unbekannte im Streben nach hoher Servicequalität. Die andere Unbekannte sind die Mitarbeiter, die diese Servicequalität gewährleisten sollen. Wer beispielsweise Buchungsportale im Internet nach Kundenstimmen durchforstet, wird bald merken, wie zentral der Eindruck vom Personal dafür ist, ob ein Hotelgast sich wohlfühlt. »The Lady at the frontdesk was gorgeous« steht da ebenso zu lesen wie Kommentare zum mürrischen Personal im Frühstücksraum, zur Hilfsbereitschaft bei Fragen oder zur Gleichgültigkeit bei Reklamationen. Ich bin mir relativ sicher: Keiner der dort kritisierten Mitarbeiter würde sich selbst als »unfreundlich«, »mürrisch« oder »gleichgültig« betrachten. Und die »hinreißende« Mitarbeiterin an der Rezeption würde vielleicht auf das Kompliment entgegnen, sie habe doch nur getan, was selbstverständlich sei.

Während ich diese Zeilen Korrektur lese, bin ich per Bahn unterwegs nach Lüneburg zum Interview mit Geschäftsführung und Direktion des Hotels Bergström. Die Mitarbeiterin der Deutschen Bahn ist überaus serviceorientiert und freundlich. Wir kommen ins Gespräch über Servicequalität. Sie sagt: »Für mich ist es selbstverständlich. Eigentlich ist es auch nicht schwer, nur nicht jedem fällt es leicht.« Wie recht sie hat! Danke, Frau A. Becker!

Wer exzellenten Service bieten will, braucht die richtigen Mitarbeiter. Training und Schulung können viel bewirken und klare Standards und sauber definierte Prozesse sind eine wichtige Basis für Servicequalität. Doch ohne eine grundsätzliche Bereitschaft, anderen Menschen zu dienen, wird sich ein Mitarbeiter schwertun. Unternehmen, die »Wir leben von unseren Kunden« zum Jahresmotto erheben müssen, haben ein Problem. Realistisch betrachtet, kann niemand nur Mitarbeiter haben, die »gorgeous« sind, doch eine grundsätzliche Servicementalität muss vorhanden sein.

Aus diesem Panorama zum Thema Servicequalität ergibt sich eine Reihe von grundsätzlichen Überlegungen:

Wer stehen bleibt, fällt zurück

Servicequalität: eine stetige Herausforderung

Hohe Servicequalität ist kein einmal gesetzter Standard, der dann nur noch gehalten werden muss. Kundenerwartungen wandeln sich, und was heute neu und spektakulär ist, kann schon morgen zum Standard gehören. Servicequalität ist daher eine stetige Herausforderung, eine Aufgabe, die nie endet. Wenn der Apotheker um die Ecke dem Kunden mit der Quittung eine Packung Papiertaschentücher reicht, ist das beim ersten Mal eine positive Überraschung, beim zweiten Mal eine nette Geste und beim dritten Erleben schlicht langweilig.

Wissen, was Kunden wollen

Die Kundenerwartungen (immer neu) erfüllen

Wie Service beurteilt wird, hängt von den Erwartungen des jeweiligen Kunden ab. Unternehmen müssen klar signalisieren, was sie bieten. Vor allem ist es notwendig, dass sie ihre Kunden und deren Wünsche genau kennen. Dabei wird es unmöglich sein, alle Erwartungen zu treffen. Dass die Erwartungen der wichtigsten oder umsatzträchtigsten Kunden erfüllt werden, ist für ein Unternehmen jedoch (über)lebenswichtig. Die Verantwortlichen müssen jedes Kundenfeedback ernst nehmen und Konsequenzen daraus ziehen. Dies betrifft Beschwerden und ebenso Bewertungsportale oder Umfragen.

Wow-Effekte bieten, um Kunden zu halten

Begeisterungsfaktoren schaffen

Die Erfüllung von Kundenerwartungen allein macht Kunden noch nicht zu treuen Fans eines Unternehmens. Bloße Kundenzufriedenheit taugt weder als Differenzierungskriterium im Wettbewerb noch als Garant für Kundenloyalität. Nicht umsonst spricht man im Marketing vom »Variety Seeking«: Auch zufriedene Kunden wechseln, um mal »was Neues auszuprobieren«. Wer Kunden stärker binden will, muss sie immer wieder positiv überraschen. Eine solche emotionale Bindung wird durch Begeisterungsfaktoren ausgelöst (siehe Kano-Modell). Auch sie müssen geplant und gezielt umgesetzt werden.

Die Kernleistung optimieren

Begeisterungsfaktoren funktionieren nur, wenn auch die Basics stimmen. Kleine Aufmerksamkeiten, unerwartete Servicemomente und positive Kundenüberraschungen entfalten nur dann ihre Wirkung, wenn die Kernleistung eines Anbieters in Ordnung ist. Wenn das Flugzeug zwei Stunden Verspätung hat, löst auch der Gratiscocktail keine echte Begeisterung mehr aus.

Prozesse durchdenken