Konrad Beikircher

Wolfgang Amadeus Mozart

und die Schwerelosigkeit
der Musik

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Konrad Beikircher
Jahrgang 1945, aufgewachsen in Südtirol, Abitur in Bozen 1964, Studium in Wien und Bonn (Psychologie, Philosophie, Musikwissenschaften), 1971–1986 Dipl.-Psychologe im Strafvollzug (Schwerpunkt Jugendliche) in NRW, danach freier Autor, Kabarettist und Musiker. Verheiratet, fünf Kinder.
Homepage: www.beikircher.de

Sebastian Coenen
studierte an der Fachhochschule Münster Illustration. Er arbeitet freiberuflich für verschiedene Buch- und Spieleverlage und hat damit sein Hobby zum Beruf gemacht.
Homepage: www.sebastiancoenen.de

Hinweis zum Gebrauch der Internetlinks im Buch:
In den Kapiteln gibt es Musikbeispiele, die man sich über die Webseite des Arena Verlags anhören kann: http://www.arena-verlag.de/mozart. Dort sind ausgewählte YouTube-Videos eingebettet. Der Verlag hat diese Links sorgfältig geprüft. Da aber das Internet und seine Inhalte einem ständigen Wandel unterliegen, kann keine Verantwortung für die Inhalte dieser Seiten übernommen werden. Generell gilt: Kinder sollten immer einen Erwachsenen um Erlaubnis fragen, bevor sie ins Internet gehen.

Informationen zu Unterrichtsmaterialien
unter www.arena-verlag.de

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1. Auflage 2017
© Arena Verlag GmbH, Würzburg 2017
Alle Rechte vorbehalten
Coverillustration: Joachim Knappe
Innenillustrationen: Sebastian Coenen
Fotos: siehe Bildnachweis oben
Redaktion: Britta Vorbach, Frankfurt
Satz und Gestaltung: Malte Ritter, Berlin
ISBN 978-3-401-80731-7

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Inhalt

Mozart und die Schwerelosigkeit der Musik

Ich – und alle schauen auf mich. 1756–1763

Der Wolfgang als Kind – ein authentischer Bericht

Was ist eigentlich eine Kaiserin?

Ich – und meine Tour d’Europe. 1763–1766

Bastien und Bastienne

Ordnung muss sein – das Köchelverzeichnis

Ich – und alle gegen mich. 1767–1769

Das Musikgeschäft – ein Finanzbetrüger macht den Mozarts das Leben schwer

Ich – und Italien liebt mich. 1769–1773

Warum Mozart nach Italien ging und wie es wirklich war

Ich – und Salzburg nervt. 1772–1777

Die zwei Seiten Mozarts: weltliche und geistliche Musik

Ich – bin dann mal weg. 1777–1781

Die Bäsle-Briefe

Ich – und der Bischof kann mich mal. 1781

Die Oper Idomeneo und der Alt-Star Anton Raaff

Ich – und die Liebe, der Neid und das Publikum. 1781–1782

Wie das so geht mit dem Publikum

Ich – und die Oper ist mir. 1782–1786

„Le nozze di Figaro: Die Hochzeit des Figaro“

Ich – und noch mehr Hits. 1787–1790

Die Freimaurerei und die Oper „Die Zauberflöte“

„Eine Kleine Nachtmusik“ KV 525

Ich – geh aus der Welt. 1791

Also, wie war das mit Mozarts Tod?

Mozarts berühmteste Werke

Zeittafel

Quellennachweis und Impressum

 

 

 

 

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Mozart und die Schwerelosigkeit der Musik

Wolfgang Amadeus Mozart? Klar, den kennt jeder. Irgendwie. Wenn man aber fragt, wer er eigentlich war und warum er so einmalig ist, dann wird es ruhig. In diesem Buch wird von Mozart erzählt, wie er lebte, was er tat und wer er war. Das ist die eine Seite. Bei der Frage aber, was ihn so einmalig macht, ist die Antwort schwieriger. Klar, tolle Musik, wundervolle Melodien, fantastische Opern, Konzerte, Sonaten, Divertimenti, kurz: Er hat ein musikalisches Universum erschaffen, das höchstens mit Johann Sebastian Bachs oder Ludwig van Beethovens vergleichbar ist. Mozart hat das, was es bis dahin an Musik gab, aufgegriffen und vollendet. Aber er hat auch neue Wege aufgezeigt, weg von den alten Regeln, wie eine Oper oder ein Konzert zum Beispiel zu sein hatten.

Und doch reicht das alles nicht, um zu erklären, warum er so einzigartig war. Mozart war sicherlich einer der ersten Musiker – wenn nicht gar der erste –, der das, was Menschen bewegt, was Menschen erleiden und wofür Menschen leben, in Töne gefasst hat. Die Zeit war reif dafür, alle Konventionen abzustreifen und künstlerisch das zu gestalten, was Menschen ausmacht: die großen Gefühle.

Für uns heute ist das selbstverständlich, damals war es eine Revolution. Mozart hat die Musik für den Einzelnen frei gemacht, Beethoven hat das aufgegriffen und weitergeführt und bis heute ist das die oberste Maxime in der Musik – menschliche Gefühle auszudrücken. Die populäre Musik, von Rhythm ’n’ Blues über Rock und Rap bis zum Pop, gäbe es wahrscheinlich ohne Mozart nicht so, wie wir sie kennen. Er hat das Tor in diese, unsere heutige musikalische Welt aufgestoßen. Dass er dies mit so wundervoller, oft ganz und gar schwereloser Musik getan hat, macht seine Genialität aus.

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Ich – und alle schauen auf mich 1756–1763

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Seit Millionen Jahren immer dasselbe Spiel: Ein Baby kommt auf die Welt, alles steht drumherum und tut so, als hätte es so was Tolles noch nie gegeben. Kennen wir alle, erinnern uns aber nicht mehr daran, und das ist ja auch gut so. Nur bei mir war es was anderes, denn ich bin immerhin der weltberühmte Mozart! Oder?!

Also: Ich bin am Dienstag, 27. Jänner 1756 um acht Uhr abends in der Getreidegassn in Salzburg, dritte Etage, im Hagenauer Haus geboren.

Was meine Eltern natürlich nicht wussten, als ich in der Wiege lag, war, dass ich nicht nur das ersehnte siebte Kind war, sondern dass aus mir der absolute Hammer werden würde.

Gut, das mit dem siebten Kind ist jetzt a bisserl übertrieben: Als ich kam, hat nur noch meine Schwester, das Nannerl, gelebt, die andern fünf waren schon gestorben. Nur, das müsst’s jetzt nicht so dramatisch sehen. Damals ist beileibe nicht jedes Kind am Leben geblieben. 30 bis 50 Prozent der Neugeborenen haben die ersten Monate nicht gepackt – zu wenig Hygiene, zu wenig medizinisches Wissen und so fort. Man war es gewohnt und hat es als normal hingenommen, wenn ein Baby nach ein paar Wochen starb. Alle Eltern waren also überglücklich, wenn ein Kind das erste Jahr überlebte – und bei Nannerl und mir war das so.

Wir waren also die beiden Mozartischen, Kinder von Maria Anna und vom Leopold, dem Geiger, der ein toll aussehender Mann war. Mein Papa und meine Mama galten zu ihrer Zeit als das schönste Paar Salzburgs, bitt’ schön! Nannerl ist übrigens fast vierzig Jahre älter geworden als ich, sie ist erst 1829 gestorben.

Ich hab, das war aber damals nix B’sonderes, eine ganze Reihe Namen bekommen, so stolz waren meine Eltern auf mich: Johann Chrysostomus Wolfgang Gottlieb Mozart.

Johann Chrysostomus haben sie mich genannt, weil das der Heilige für diesen Tag ist und das hat man damals gern gemacht. Wolfgang hieß der Papa meiner lieben Mama und so sollte ich gerufen werden, und Gottlieb kam dazu, damit ich halt Gott lieb sein möge.

Mir hat das nie gefallen, deshalb hab ich später Gottlieb ins Lateinische übersetzt, damit man sieht, dass ich was im Kopf hab: Amadeus. Dann hab ich mich, weil’s halt stylish war, Amadeo genannt und bin schließlich bei Amadé geblieben. Nur damit ihr’s wisst: Amadeus hab ich mich NIE genannt!

Wie ich so vier Jahre alt war, hab ich beim Papa Klavier gelernt und hab bei meiner Schwester Nannerl viel abgeschaut, die war ja a bisserl weiter als ich. Und mit fünf Jahren hab ich das erste Mal komponiert: ein Adagio und ein Allegro.

Das hat meinen Papa ganz stolz gemacht. Und der hat was von Musik verstanden: Seine Violinschule gab es in ganz Europa und komponiert hat er auch, und zwar sehr schön. Nur weil ich halt so viel berühmter geworden bin als er, hat es die Welt inzwischen fast vergessen. Schad’, weil das, was er geschrieben hat, wirklich fein ist. Hört mal in seine lustige Kindersinfonie* rein, da hat er auch noch Pfeifen, Flöten und allerhand Kinderspielzeug mit reinkomponiert!

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* www.arena-verlag.de/mozart

No ja, und dann wurd ich zum Wunderkind. Kein Wunder bei so einem Papa. Den hab ich übrigens oft geärgert, also musikalisch. Wenn er ins Bett gegangen ist, hab ich mich ans Cembalo geschlichen und hab einen G7-Akkord angespielt, das ist ein Septim-Akkord, der zwingend nach C-Dur aufgelöst werden muss. Den hab ich stehen lassen und bin wieder ins Bett. Und hab mich narrisch drüber gefreut, dass mein Papa das nicht ausgehalten hat, runtergelaufen ist ans Cembalo und da einen C-Dur-Akkord gespielt hat. Er hätt sonst nicht schlafen können. No ja, Wunderkinder-Scherze halt, nicht wahr? Und kein Wunder bei so einem Talent. Ich hab nur was hören müssen, dann hab ich’s auch schon spielen können. Ich hatt’s halt einfach in den Fingern drin und Musik war eben alles für mich.

Und schon zwei Jahre später war klar, jetzt geht’s auf Konzertreise: mein Papa, meine Schwester Nannerl und ich. Die Welt hat vor lauter Staunen den Mund gar nicht mehr zubekommen. Wie bitte? Schule? Ach was, das hat mein Papa erledigt, damals ging so was noch. Würde ich heute leben, mit der Schulpflicht und dem allem, ich weiß nicht, ob ich als Kind auf Konzertreisen hätte gehen können. Und ich weiß nicht, wie lange es gebraucht hätte, bis ich endlich hätte richtig komponieren können. Gut, das Schulwesen war in meiner Zeit noch nicht annähernd so ausgebildet wie heut, also da hätt ich eh nix g’lernt. Mein Papa hat dafür gesorgt, dass ich mich nirgends zu verstecken brauchte, und den Rest hab ich halt so aufgeschnappt. Das Reisen in den Kutschen oder auf dem Schiff ging ja damals viel langsamer als heut, da war viel Zeit und die nutzte mein Papa, um uns zu unterrichten. Da war er – leider – sehr korrekt und streng war er auch!

Die erste Reise ging nach München, Anfang 1762, da war ich noch nicht sechs, und die zweite nach Wien, Ende 1762, da war ich grad mal sechs Jahre alt.

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WIEN! Am 6. Oktober waren wir da. Mein Papa hatte einige Empfehlungsschreiben mit – das war damals üblich. Hatte man eine Reise vor, und erst recht so eine Konzertreise, dann hat man sich von bekannten Leuten aus der einen Stadt Briefe an bekannte Leute in der anderen Stadt mitgeben lassen. In denen stand dann, wer wir sind und dass es super wäre, wenn wir beim Empfänger des Schreibens auftreten könnten – mit so Formulierungen wie „Ich empfehle die beiden Mozart-Kinder Ihrer geneigtesten Aufmerksamkeit“ und so fort. Das wär wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen, weil sich da schon herumgesprochen hatte, dass es in Salzburg zwei Kinder gibt, die wahre Wunder am Klavier und in der Musik sind. Auch wenn’s noch kein Fernsehen gab – die wichtigen Nachrichten haben sich auch damals sehr schnell herumgesprochen! Also waren alle gespannt auf uns.

Bei der Schiffsreise nach Wien hab ich dem Papa sogar die unangenehme Zollkontrolle erspart. Das war nicht so wie heute: Personalausweis zeigen und schon kannst überallhin fahren oder fliegen und Zollkontrolle gibt’s selten oder nur, wenn die einen Verdacht haben. Damals haben die jeden und alles gefilzt, dass es eine Freude war. Salzburg war für Wien Ausland und deshalb musste jeder seine Koffer aufmachen, wenn er in Wien ankam. Ich aber hatte mich mit den Zoll-Offizieren gleich angefreundet, spielte ihrem Chef was auf der Geige vor und schon war die Sache erledigt!

No, und in Wien war natürlich klar, dass wir nicht nur in allen Adelshäusern auftraten, sondern vor allem bei der Kaiserin Marie Theres und ihrem Hofstaat. Da auftreten zu können, war so was, wie heute im TV eine Samstagabend-Show zu bekommen, ach, was sag ich, das interessiert euch Kids ja nicht mehr, das war so wie eine Million Klicks bei YouTube! Ich mein: Maria Theresia! DIE KAISERIN! Das war die Herrin der Welt, müsst’s ihr wissen, die mächtigste Frau in ganz Europa. Amerika hat da noch keine Rolle gespielt, Amerika, das waren Millionen Büffel, viele Ureinwohner und a paar Engländer, die gedacht haben, ein neues Land entdeckt zu haben. Maria Theresia gehörte Österreich, Ungarn, Böhmen, weite Teile von Italien und, und, und. Kurz: Ohne sie ging gar nix und gegen sie erst recht nix! Und da hab ich gespielt! Und was war das für ein Auftritt! Alle waren sie da, die Kaisers: Maria Theresia, ihr Mann, Franz I., alle 15 Kinder und die ganze Entourage, die an so einem Kaiserhof arbeitet.

Mein erstes Konzert war übrigens – und das war schon ganz was B’sonderes – nicht an einem sogenannten Galatag, wo die Kaiserin jeden empfängt, sondern privat, also im engsten Kreis. Die Kaiserin hat mich so lieb ang’schaut, da bin ich ihr auf den Schoß gesprungen und hab sie abgebusserlt.