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schleierhaft

Rühmut A. Fenkart

schleierhaft

myMowara, Wien

© 2016 Rühmut A. Fenkart

Autorin: Rühmut A. Fenkart

Cover: Hasan Bas

Projektbegleitung: Dr. Manfred Greisinger

Verlag: myMorawa

von Morawa Lesezirkel GmbH

ISBN: 978-3-99057-419-5 (Paperback)

ISBN: 978-3-99057-420-1 (Hardcover)

ISBN: 978-3-99057-421-8 (E-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Ich

widme

dieses Buch

meiner

Mutter

Aloisia Fenkart - geb. Strimmer

16. 12. 1927 - 26. 9. 2000

INHALT

Vorwort

Fremd ist Heimat

Fortgängerin

Vom Abendland ins Morgenland

Ägypten

El Gouna

Fremde Länder – fremde Sitten

Kairo

Revolution 2011/2012

Geschlechter-Rollen

Alltagsgeschichten

Resümee: Integration als Herausforderung

VORWORT

In die Ferne zog es mich schon früh. Fremde Sprachen interessierten mich stets, auch wenn ich sie nicht alle beherrsche – ich habe immer versucht, sie zu erlernen.

Meine Reisen führten mich durch viele Länder in West- und Ost-Europa, Amerika, Kanada, Asien und Afrika. Gelandet bin ich letztlich nach einigen Kurzurlauben in Ägypten.

Integration als Europäerin und Christin in einem islamisch geprägten Land: Das ist eine Herausforderung, nicht nur wegen der fremden Sprache oder der fremden Religion – vielmehr war und ist es noch immer das etwas andere Rollenverständnis der Geschlechter in der arabischen Gesellschaft.

Meine Beobachtungen und persönlichen Erfahrungen möchte ich in diesem Buch mit Ihnen teilen. Auf dass nichts mehr "schleierhaft" bleibe.

Viel Freude und Spannung beim Lesen!

FREMD IST HEIMAT

Ich weiß, wie es sich anfühlt, fremd zu sein, auch im eigenen Land. Meine Mutter kam einst als Fremde nach Österreich. Sie war zwölf Jahre alt, als ihre Eltern – meine Großeltern – 1939 aus dem damals faschistischen Italien nach Vorarlberg auswanderten. Sie mussten all ihren Besitz und Vermögenswerte zurücklassen. Der älteste Sohn wurde vorgeschickt, um alles vorzubereiten, die Großeltern und sieben Kinder kamen nach. Die Unterbringung erfolgte in eigens für die Zuwanderer gebauten Siedlungen, die bis heute noch in vielen Ortschaften existieren, die Südtiroler Siedlungen. Vier Schlafzimmer, Küche, Wohn- und Badezimmer. Keine Heizung! Die Wohnungen waren gefördert, aber nicht kostenlos. Der älteste Sohn ging zurück nach Italien, einer ist im Krieg gefallen und die anderen sind geblieben und haben Familien gegründet.

Mit 21 Jahren heiratete meine Mutter einen Österreicher, meinen, unseren Vater. Meine drei Geschwister und ich sind in der Südtiroler Siedlung in Götzis aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Es gab auch damals Vorurteile gegen die Fremden, die „Tschinken“, wie die Zuwanderer genannt wurden. In der Südtiroler Siedlung zu wohnen, war ein Makel. Auch wir Kinder wurden noch als Fremde behandelt, besonders in der Volks- und Hauptschule.

Aber Verwandte in Italien zu haben, zeigte sich später als Vorteil. Ich durfte manchmal die Sommerferien im schönen Südtirol auf dem Bauernhof verbringen. Wir Kinder schliefen im Heustock und zum Essen saß die ganze Familie am großen Tisch zusammen. Es gab in riesigen Pfannen Rühreier oder Kaiserschmarrn. Fleisch kam nur am Sonntag auf dem Tisch. Marillen pflückten wir direkt vom Baum – wie im Schlaraffenland. Und ich durfte meine Cousins in die Italienische Schule begleiten. „Avanti, avanti ...“ hieß es da immer und das war meine erste Lektion in einer Fremdsprache. Musste ich wieder zurück nach Hause, war mir immer wehmütig zumute. Ich wollte „avanti“ wiederkommen.

Vielleicht habe ich das Fernweh schon in die Wiege gelegt bekommen. Mir wurde erzählt, dass ich im Alter von etwa drei Jahren mit meinem Puppenwagen quer durch’s Dorf auf den Friedhof ausgerissen war. Das war meine erste „Reise“.

Später in der Hauptschule hatte ich zwei Brieffreundinnen in Amerika, mit denen ich über viele Jahre in Englisch per „Luftpost“ korrespondierte. Email, whats app und sms gab es damals noch nicht. Es war noch reine „Handarbeit“.

Diese Brieffreundschaften weckten in mir den Wunsch, einmal nach Amerika zu reisen.

FORTGÄNGERIN

Mit 19 Jahren bin ich aus der Südtiroler Siedlung ausgezogen und übersiedelte in die - damals noch -Kleinstadt Dornbirn, wo ich in einer Anwaltskanzlei als Sekretärin arbeitete. Das war ein großer Schritt in eine neue Welt, die es zu erkunden galt. Kunst und Kultur waren zu Hause kein großes Thema, damit ließ sich kein Geld verdienen, so die herrschende Einstellung. Obwohl, ich erinnere mich, dass mein Vater, von Beruf Feinmechaniker, eine künstlerische Seite hatte. Er zeichnete naturgetreu und fertigte Metallskulpturen. Meine Mutter war die praktische Ergänzung, zuständig für Finanzverwaltung, sie organisierte die sechsköpfige Familie und schneiderte all unsere Kleider, die immer etwas Besonderes waren.

In der Stadt besuchte ich erstmals Konzerte, Vorträge und Theatervorstellungen, kam mit Intellektuellen in Kontakt und lernte das Leben von einer anderen Seite kennen. Ein Schritt führte zum anderen. Möglichkeiten taten sich auf, die ich nicht gehabt hätte, wäre ich in dem kleinen Dorf Götzis geblieben.

Es folgte ein Auslandsjahr in New York als Gesellschafterin und Sekretärin einer sehr gebildeten und vermögenden jüdischen Dame. Später bin ich nach Amerika ausgewandert und blieb fünf Jahre. „If you can make it there, you make it anywhere“ .... New York, New York!

In der Kleinstadt in Österreich lernte ich einen Moslem kennen und durch ihn den Islam als friedliche, tolerante Glaubensgemeinschaft. Es gab auch damals Vorurteile und ein türkischer Name war für die Karriere hinderlich. So wurde zum Beispiel aus Hüsseyin einfach Sam. Was mich sehr beeindruckte, war der familiäre Zusammenhalt der türkischen Familie, mit der ich bis heute, zwanzig Jahre später, noch immer freundschaftlich verbunden bin. Diese positiven Erfahrungen ließen mich dann auch völlig vertrauensvoll arabische Länder bereisen und den Schritt nach Ägypten wagen.

VOM ABENDLAND INS
MORGENLAND

Ein Zufall hat mich erst ans Rote Meer geschwemmt. Nach einem stressreichen Arbeitsjahr, plante ich im Herbst 2004 Urlaub am Meer, um Sonne und neue Kräfte zu tanken, sonst nichts. Die türkische Riviera kannte ich schon und da wollte ich eigentlich hin. Der Vorschlag des Reisebüros: „Ägypten! Nur vier Stunden Flug und Sonne garantiert!“ Auf den Fotos Sonnenschirme an einsamen Stränden. Ich hatte Bedenken, denn es sah nach einer gestellten Postkartenidylle aus, wie aus dem Bilderbuch.

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Schließlich ließ ich mich überzeugen und flog nach Hurghada. Im Gepäck dabei:

Erschöpfung „made in Europe“, Gelenke, die schmerzten und zuviel an Körpergewicht.

Ankunft in Hurghada spät in der Nacht, dann noch eine Stunde Busfahrt zum Hotel. Gleich nach dem Flughafen bogen wir ab auf eine Wüstenstraße. Diese war gesäumt von einem hohen Drahtzaun, übersäht mit Plastiksäcken, soweit das Auge reichte. Kein schöner Anblick, aber nötig, um das viele Plastik aufzufangen und aufzuhalten vor dem Flughafengelände. Dann wurde es dunkel, keine Straßenbeleuchtung mehr; der Bus fuhr ohne Licht, gab nur Lichtzeichen bei Gegenverkehr. Wo war ich bloß gelandet und wo war die Idylle vom Foto? Ich döste dahin und nur ein kurzer Stopp weckte meine Aufmerksamkeit. Sicherheitsbeamten nahmen die Reisenden in Augenschein, „ahlan wa sachlan“ (herzlich willkommen) und weiter ging’s. Das war die Einfahrt zum Ferienort El Gouna am Roten Meer.

 

„Ahlan wa sachlan“
– Herzlich willkommen!

Im Hotel „Sultan Bay“ nahm ich auf dem Weg zum Hotelzimmer noch kurz Notiz von Palmen und blühenden Bougainvillea im Innenhof. Vom Balkon aus blickte ich in die schwarze Nacht, doch der Himmel war voller funkelnder Sterne. Sie schienen dichter und näher zu sein als in Europa und ich sah meine erste Sternschnuppe! Wenn das kein gutes Zeichen sein sollte!

Am nächsten Morgen war die Überraschung groß: Die Sonne strahlte mir entgegen, vor mir das türkisfarbene Meer, glatt wie ein Teppich, fast wie ein Gemälde und endlose Weite. Meer, soweit das Auge reichte. Ich atmete tief ein, öffnete meine Arme und irgendwie überkam mich das Gefühl von innerer Ruhe.

Ich wollte so schnell wie möglich eintauchen in dieses glasklare Wasser. Ein Shuttle Boot führte mich vom Hotel direkt zum Strand „Zeytouna Beach“.

Nach drei Tagen Strand, Sonne, Meer und ohne Termine war ich ein neuer Mensch.

Das Reisebüro hatte nicht zu viel versprochen. Der Ort war eine Kraftquelle. Es fühlte sich an, als wäre ich schon einmal da gewesen.

Ich begann die Welt um mich herum bewusst wahrzunehmen, hörte die Sprache und fing an, mich dafür zu interessieren. Aber nichts von dem, was ich hörte, klang annähernd bekannt. Worte, wie „shukran“ (danke), „meshi“ (ok) und mein Lieblingswort „la-a“ (nein) sowie von eins bis drei zählen (wahid, ihtneen, thalatha) hatte ich mir schon notiert.

Ich verschaffte mir einen Überblick über das Land, in dem ich gelandet war:

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ÄGYPTEN – MISR - م صر

„Arabische Republik Ägypten“ ist die offizielle Bezeichnung seit ihrer Gründung am 18. Juni 1953.

Seit dem 8. Juni 2014 ist der frühere Militär Abdel-Fattah al-Sisi amtierender Präsident, nachdem es unter seiner Führung im Juli 2013 zum Militärputsch gekommen war (2004 war noch Hosni Mubarak im Amt).

Ägypten hat ungefähr 87 Mio. Einwohner, wovon die Hälfte Frauen sein sollen. genaue Zahlen gibt es nicht.

Die Amtssprache ist Arabisch.

Die Landeswährung ist das Ägyptische Pfund (EGP).

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EL GOUNA - al-Dschūna ة نوج لا ‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬

Im Jahr 1989 hat der ägyptische Unternehmer Samih Sawiris dieses Feriengebiet aufbauen lassen, aus dem Nichts geschaffen. El Gouna liegt eingebettet zwischen Gebirge und dem Roten Meer, von wo aus Lagunen in den Ort gezogen wurden. Im Süden von El Gouna existieren noch Trümmer eines alten römischen Hafens. Man spricht auch vom „Venedig am Roten Meer“.

Traditionell nubischer Architekturstil wurde später vermischt und ergänzt mit modernen Bauten von namhaften Architekten.

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New Marina, El Gouna 2015

Der Ortskern war überschaubar. Coffee Shops, Teestuben, Restaurants, Geschäfte, Apotheke, Gemüsemarkt und ein Supermarkt.