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Werner Ziegler

Der Kunde steht im Mittelpunkt und damit jedem im Wege

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© 2017 Werner Ziegler

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN
Paperback: 978-3-7345-9925-5
Hardcover: 978-3-7345-9926-2
e-Book: 978-3-7345-9927-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Vorwort

Die flexible Jeans

Die Kurwohnung

Die Crux mit den Farben

Der Seidenanzug

Offen und ehrlich I

EINE Krawatte

Wie aus einem Pullover eine Tasche wird?

Saunagelüste

Rundungsmethode

Es geht um die Wurst

Leuchtend grüne Krawatte

Zuerst das Formular

Bekanntheitsbonus

Offen und ehrlich II

So nicht!

Man weiß nicht, wozu etwas gut ist.

Unverschämte Frage

Anpassungsfähig

Gekränkte Eitelkeit

Warum denn in die Ferne schweifen, …

Trugschlüsse

Superqualität

Fazit

Vorwort

„Der Kunde steht im Mittelpunkt unseres Wirkens.“ „Alles, was wir tun, leitet sich vom Kunden ab.“ „Ein zufriedener Kunde ist unser oberstes Ziel.“ „Kundenorientierung prägt unser gesamtes Handeln.“ „Ein offener, ehrlicher Umgang mit unseren Kunden ist für uns eine Selbstverständlichkeit.“ „Der Nutzen für den Kunden steht an oberster Stelle.“

So oder so ähnlich steht es in tausenden und abertausenden von Unternehmensleitbildern. Mit ausgesuchten, wohlklingenden Worten wird dargestellt, dass die gesamte Unternehmung ja nur existiert, um uns, die Kunden, zu umsorgen und uns die Wünsche von den Augen abzulesen. Nein, nicht der Eigennutz, nicht der angepeilte Gewinn und auch nicht das erhoffte Wachstum ist das höchste Ziel, sondern ein rundum zufriedener Kunde. Ein Kunde, der gerne und möglichst oft wiederkommt.

Und auch die vielen, vielen, die BWL studieren, lernen es: „Marketing ist eine Unternehmensphilosophie, die alles unternehmerische Handeln unter das Primat „Kunde“ stellt. Und dieser Grundsatz gilt für Alle, für den Einzelhandel, den Internetprovider, für Banken, Versicherungen, Makler, Fertigungsbetriebe, Ärzte, Apotheken und auch für Ministerien, Landratsämter und Rathäuser. Und wenn jemand keinen Kunden im herkömmlichen Sinne hat, dann hat er aber bestimmt einen internen Kunden, der seine Leistung abnimmt. Und dieser ist so zu behandeln, wie ein externer Kunde. Soweit zur Theorie.

Mit mehr oder weniger ansprechenden Werbespots in den unterschiedlichsten Medien wird versucht, diese Botschaften an die Frau und an den Mann zu bringen. Dafür wird viel Geld, sehr viel Geld ausgegeben. (In Deutschland rechnet man für das Jahr 2017 mit 17,5 Milliarden Euro Gesamtwerbeausgaben!)

Freundliche, höfliche und gutaussende Beraterinnen und Berater lesen den Kunden die Wünsche von den Augen ab. Sie klären auf. Sie gehen auf noch so seltsame Fragen mit schier unendlicher Geduld ein. Sie weisen auf etwaige Schwierigkeiten und Alternativen hin. Sie kümmern sich um die Kinder der Kunden. Sie bieten jede erdenkliche Hilfe und jeglichen Service.

Die Realität scheinen diese wunderbaren Grundsätze nur selten zu erreichen. Wir Kunden können uns davon fast täglich überzeugen. In diesem Buch werden auf humorvolle Weise derartige Erfahrungen vorgestellt, die deutlich zeigen, dass häufig eben nicht der Kunde im Mittelpunkt steht. Es handelt sich samt und sonders um tatsächlich Erlebtes.

Manchmal – und auch dafür werden beweisführende Beispiele aufgezeigt – steht sich auch der Kunde selbst im Wege. Also auch der Erzähler kommt nicht generell gut weg.

Der Kunde steht im Mittelpunkt – und damit nur im Wege!

22 wahre Begebenheiten zum Schmunzeln, Lachen, und Nachdenken!

22 wahre Geschehnisse, gesammelt und zusammengestellt von mir, einem studierten Betriebswirtschaftler, Professor für Unternehmensführung mit Lehr- und Forschungsschwerpunkte Strategische Unternehmensführung, Marketing und Insolvenzfrüherkennung.

Ich habe mich bemüht, nicht nur alles mit den Augen eines BWL-Professors zu sehen. Vielmehr sollte dem vielbeschworenen gesunden Menschenverstand und vor allem auch dem Humor der Vorrang eingeräumt werden. Sicherlich ist dies nicht immer gelungen. Ich meine, dies schadet nichts, denn ein kritischer Blick durch die Marketing- und Insolvenzverhütungsbrille kann nie schaden.

Geislingen an der Steige, im März 2017

Prof. Dr. Werner Ziegler

Die flexible Jeans

Zugegeben, diese Geschichte ist eine aus meiner Jugendzeit. Falls sich wider Erwarten in dieser langen Zeitspanne alles geändert haben sollte, sehen Sie darin, geneigte Leserin und geneigter Leser, eine historische Begebenheit und ein Zeichen dafür, dass es den Wandel zum Besseren doch gibt. Falls Sie zum Ergebnis kommen, dass so etwas auch heute passieren kann, sehen Sie darin ein Zeichen der Beständigkeit.

Nur durch äußerste Sparsamkeit war es möglich, dem langen Wunsch nach einer ganz besonders ausgefallenen Jeans näher zu treten. Nicht, dass ich unbedingt ein solch blaues Beinkleid gebraucht hätte, aber, wenn man sich etwas in den Kopf gesetzt hat …Die gesammelten Taschengeldreste hatten zwischenzeitlich eine Höhe erreicht, die eventuell für eine derartige Erwerbung ausreichten. Ich wurde darin voll und ganz durch einen Schaufensterbummel in der 1000järhigen, wunderschönen oberfränkischen Stadt Bamberg bestätigt.

Ganz nebenbei: Diese Weltkulturerbestadt ist zwar nicht mein Geburtsort, aber meine Schulstadt. Und ich bezeichne sie schon deshalb als meine Heimatstadt, weil sie mir etwas unvergleichliches, etwas unvergängliches mitgab: Den ganz speziellen oberfränkischen Dialekt. Es gibt für uns Franken kein T oder D, dafür aber ein weiches D und ein hartes D. Es gibt auch kein B und kein P, dafür aber ein hartes und ein weiches B. Auch wenn ich mir noch so viel

Mühe gebe und auch wenn ich noch so viele Reden halte, der Zuhörer weiß spätestens nach dem Einleitungssatz: „Ach Gott, ein Franke“.

Zurück zur 1000jährigen. Gleich in zwei Geschäften, nämlich Laden A und B sah ich das Gewünschte. Nun muss ich offenbaren, dass ich eine etwas von der Norm abweichende Größe (besser Kürze) habe. Dieser Umstand schlug im Laden A wieder einmal voll zu: „In Ihrer Größe haben wir dies leider nicht“ Und durch den vertrauten fränkischen Dialekt klang deutlich durch: „Und mit Ihrer Figur werden Sie auch in anderen Geschäften Ihre Schwierigkeiten haben.“ Evtl. habe ich aber nur wieder einmal zu sensibel reagiert. Wie auch immer, ich verließ Laden A, um mich schnurstracks in den Laden B zu begeben.

Auch hier eine relativ junge (auf meiner damaligen Messskala aber doch schon recht alte) Verkäuferin. Sie begrüßte mich verhalten freundlich. Dieser Zustand änderte sich wider Erwarten auch dann nicht, als ich meinen Wunsch nach der ganz speziellen Jeans in meiner ganz speziellen Größe äußerte. Ja, eigentlich ganz im Gegenteil. Die Verkäuferin ließ zu keinem Augenblick einen Zweifel daran, auch in solchen Sonder-Größen etwas auf Lager zu haben. Es dauerte auch keine zwei Minuten und schon lag genau das Stück vor mir, das ich mir immer schon vorgestellt hatte und das ich mir – weil außerhalb des Üblichen – von meinem Taschengeld erwerben musste.

Ganz aufgeregt ging ich mit dem guten Stück in die Umkleidekabine. Und: Gar nicht so schlecht. Natürlich wieder das Übliche mit der Länge. Und die Weite? Ich konnte die verschiedenen Knöpfe und den Reißverschluss schließen.

Also, was will man mehr. Doch schon auf dem Weg aus der Umkleidekabine zurück zur verhalten freundlichen Verkäuferin, zwickte und zwackte das Beinkleid und zwar genau dort, wo männliche Wesen es am allerwenigsten kneifend und zwickend mögen.

Auf die umwerfende Feststellung der Verkäuferin: „Na die passt aber toll“ (korrekter: „Na, die bassd aber doll.“), gab ich etwas kleinlaut, aber doch unmissverständlich von mir: „Nein, die kastriert mich.“ Wer nun denkt, die fränkische Verkäuferin war ob dieser Aussage schockiert oder zumindest etwas verlegen, täuscht sich, täuscht sich sogar sehr. Wie aus der Pistole geschossen kam die Antwort: „Ach Goddla, a so a Dschiens dehnt sich doch beim Drogn“. (Etwa: „Ach Du lieber Gott, eine solche Jeans gibt doch beim Tragen nach.“) Nun gab ich allerdings nicht nach und beharrte auf meiner Warnmeldung. Nach einigen gegenseitigen Diskussionsbeiträgen entschloss sich die junge/ältere Bedienerin nach einer Hose in einer bequemeren Größe zu suchen. Tatsächlich, es dauerte wirklich nicht lange und die Verkäuferin kam freudestrahlend und mit einer etwas größeren Jeans zurück und präsentierte sie mir mit den Worten: „Aber die müssd Ihnen werglich bassn.“ Voller Zuversicht verzog ich mich mit dem Teil wieder in die Umkleidekabine: Hose runter, Hose an – und? Toll, sehr toll, nichts zwickte und nichts kneifte. Dies war allerdings auch kein Wunder. Zwischen Bauch und Hosenbund konnte man bequem vier Finger quer stecken. Wie konnte es anders sein, genau jetzt kamen mir die noch keine fünf Minuten alten Weisheiten der fränkischen Hosenverkäuferin in den Sinn, von wegen beim Tragen nachgeben und so. Bekleidet mit dem schlackernden Teil und in Gedanken an das Stoffnachgeben trat ich aus der Kabine und auf die immer noch strahlende Verkäuferin zu. Diese sah, lächelte weiter und sagte: „Na aber jedzedla ham ma des Richdige“ (wobei das R tüchtig gerrrollt wurde). Sonst nicht gerade auf den Mund gefallen, brauchte ich doch einige Sekunden, bevor ich antworten konnte: „Ja und in der ersaufe ich.“ Und nun zeigten sich die Nehmerqualität, die Unerschütterlichkeit, die absolute Flexibilität und die Schlagfertigkeit eines echten oberfränkischen Verkaufsgenies. Ohne mit der Wimper zu zucken, bei anhaltender Freundlichkeit und mit voller Überzeugungskraft kam die Antwort: „Ach du meine Güde, a solchena Hosn geht beim Woschn immer a weng ein.“

Nein, ich sagte nichts mehr. Ich tauschte die schlackernde gegen meine alte Jeans und verließ dieses Geschäft. Lange überlegte ich allerdings noch, wer ein solches Maß an Flexibilität auch brauchen könnte.

Die Kurwohnung

Nein, Bad Rappenau ist nicht mondän, hat kein Spielkasino, keine Schickeria, keine Bäderarchitektur und auch keine Modeärzte. Aber Bad Rappenau hat für mich etwas und dieses Etwas kann ich eigentlich gar nicht so richtig erklären. Sicherlich liegt meine Liebe an diesem Bad der 1970er Jahre (mittlerweile natürlich längst wieder auf Vordermann gebracht) an der Sole und an der angebotenen Foto-Sole-Therapie. Die FST ist für einen Psoriatiker wie mich ein Hoffnungsschimmer, die roten Flecken wenigsten vorübergehend verblassen zu lassen und dem Juckreiz ein Schnäppchen zu schlagen. Schuppenflechte ist eine fürchterliche Krankheit. Man weiß nicht so recht wo sie herkommt. Man weiß nur eines, dass man sie nicht heilen kann. Und dies mit der genetischen Veranlagung tröstet verdammt wenig, zumal ich in meiner ganzen Verwandtschaft niemand kenne, der mit einer solchen Pein geschlagen ist oder war. Die widersprüchlichen Aussagen der so genannten Experten tragen absolut nichts zur Besserung bei: „Bestimmte Diäten sind gut.“ „Stress ist der Auslöser des ganzen Übels.“ „Sonne, Sonne und nochmals Sonne ist das richtige Heilmittel.“ Ach, ich habe schon alles ausprobiert. Und gerade in Zeiten mit wenig Stress „blühte“ ich schon besonders üppig.

Man braucht schon eine gehörige Portion Mut und Selbstbewusstsein, rotgefleckt in eine öffentliche Sauna zu gehen. Nun gehöre ich – Gott sein Dank – nicht unbedingt zu den ängstlichen und schüchternen Typen und suche deshalb durchaus ab und zu derartige Schwitzanlagen auf.

Aber selbst ich habe dort oft ein sehr komisches Gefühl. Dabei wurde ich noch nie auffallend von den anderen Saunagästen gemustert oder gar dumm angeredet – trotzdem! Ich freue mich immer, wenn ich einen Leidensgenossen oder eine Leidensgenossin bei derartigen Anlässen sehe. Das gemeinsame Leid scheint wirklich besser tragbar zu sein. So war für mich das Buch „Selbstbewusstsein“ von John Updike, in dem er seinen ganz persönlichen Leidensweg mit dieser Krankheit schildert, irgendwie eine Hilfe für mich, obwohl es ja an meinem Aussehen nichts änderte.

Ja, in dieser Situation habe ich vor vielen, vielen Jahren in der Zeitung einen Bericht über Bad Rappenau und den Soleanwendungen gelesen. Also galt mein nächster Sonntagsausflug dieser kleinen Kurstadt im Kraichgau. Es war ein herrlicher Sommertag und Bad Rappenau präsentierte sich in ganz außergewöhnlich toller Weise: Das Wellensolebad war überfüllt, die Cafés voll und in den Straßen und vor allem im schönen Kurpark wimmelte es vor Leuten. Mein Entschluss stand nach wenigen Minuten fest. Hier gehe ich hin, um zu kuren. Gesagt getan, ich reichte eine Kur ein, die auch ohne weiteres genehmigt wurde. (Angesichts meines Aussehens war dies allerdings auch kein Wunder.)

Einem Wunder gleich kam jedoch mein Aussehen nach vier Wochen intensiver Foto-Sole-Therapie: Meine roten Flecken waren verschwunden und dank Fango, Massagen, Wassergymnastik, Schwimmen usw. mein Gesamtzustand hervorragend. Natürlich hatten die Therapeuten daran einen ganz erheblichen Anteil. Zu den wichtigsten von ihnen wurde innerhalb kürzester Zeit ein persönliches Verhältnis aufgebaut, das eine gute Basis für den Kurerfolg bildete und übrigen bis heute anhält.

Jetzt, wo ich wieder – auch halbnackt oder gar ganznackt – unter die Leute gehen konnte (an den bekannten Orten, versteht sich), musste natürlich alles daran gesetzt werden, diesen Zustand so lange wie möglich zu konservieren. Ich wusste ja sehr wohl, dass meine Krankheit nicht geheilt ist, sondern nur die Flecken beseitigt sind. Es verwundert deshalb wenig, dass ich, wenn es immer möglich war und ich einige freie Tage hatte, nach Bad Rappenau fuhr, um mich in die Sole zu legen. Bei längeren Aufenthalten wohnte ich in einem Apartmenthaus und bei Kurzaufenthalten quartierte ich mich in einem Hotel ein.