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Michael K. Simpson | Andreas Maron

Potenziale entfesseln

Michael K. Simpson | Andreas Maron

Potenziale entfesseln

Sieben Fähigkeiten, die jeden zu einem guten Coach machen

Übersetzung aus dem Englischen von Nikolas Bertheau

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

lektorat@redline-verlag.de

1. Auflage 2017

© 2017 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 2014 by FranklinCovey.

Die englische Originalausgabe erschien 2014 bei Amazon Publishing unter dem Titel Unlocking Potential.

Diese Ausgabe wurde ermöglicht duch Geneghmigung von Amazon Publishing, www.apub.com, und in Zusammenarbeit mit Agence Hoffman.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Nikolas Bertheau, Hamburg

Überarbeitung für den deutschsprachigen Raum: Andreas Maron

Redaktion: Christiane Otto, München

Umschlaggestaltung: Manuela Amode, München

Umschlagabbildung: shutterstock/bioraven, Alted Studio

Satz: Carsten Klein, München

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-86881-685-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-983-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-984-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Geleitwort

Einführung

Teil 1

Die vier Grundpfeiler des Coachings

1. Vertrauen

2. Potenzial

Sichtweise

Paradigmen hinterfragen

3. Selbstverpflichtung (»Commitment«)

4. Umsetzung

Den Flow-Zustand erreichen

Flow-Erlebnisse erinnern

Flow-Verhaltensweisen entdecken

Den Flow-Zustand regelmäßig praktizieren

Teil 2

Die sieben Coaching- Fähigkeiten

5. Vertrauen aufbauen

Kurzer Vertrauenscheck

Charakter diagnostizieren

Kompetenz diagnostizieren

6. Paradigmen hinterfragen

1. Annahmen prüfen

2. Argumentation prüfen

3. Sichtweisen hinterfragen

4. Folgerungen und Konsequenzen untersuchen

5. Die Frage hinterfragen

7. Strategische Klarheit gewinnen

Meine Geschichte

Der alltägliche Wirbelwind

8. Einwandfrei umsetzen

Auf das absolut Wichtige fokussieren

An den Frühindikatoren für Erfolg arbeiten

Ergebnisse kontinuierlich messen

Regelmäßig Verantwortung einfordern

9. Konstruktives Feedback geben

Negative Reaktionen vermeiden

Auf das Positive fokussieren

10. Talent zur Entfaltung bringen

Das Leistungsgespräch (Erwartungen und Verantwortung klären)

Das Entwicklungsgespräch (Beitrag zur Verbesserung entdecken – individuell und im Team)

Das Unterstützungsgespräch (den Weg frei machen)

11. Das Mittelfeld fördern

Talent als Vermögenswert

Team-Coaching: Anleitung zur Spitzenleistung

12. Coaching – ein abschließendes Wort

Epilog: Die Organisation coachen

Bedürfnisse von Kunden, Stakeholdern und dem Markt

Zukunftsbild, Auftrag und Werte

Strategie

Strategisches Narrativ

Strategische Ziele (absolut wichtige Ziele)

Systeme, Strukturen und Prozesse (»Six Rights«)

Talent, Kultur und vertrauensstarke Verhaltensweisen

Ergebnisse

Danksagung

Über die Autoren

Michael K. Simpson

Andreas Maron

FranklinCovey Leadership Institut

Anmerkungen

Geleitwort

Seit ich Mitte der Neunzigerjahre meine systemische Coaching-Ausbildung im schönen Graz absolviert habe, füllt sich zu Hause mein Regal mehr und mehr mit entsprechender Literatur wie

Img Die besten Coaching-Tipps

Img Coach dich selbst, sonst coacht dich keiner

Img Die besten Coaching-Tools

Img Coachen – aber richtig

Img usw.

Außerdem verwundert es mich, dass die Buchhandlungen noch keine eigene Sektion für das Thema Coaching errichtet haben, so vielfältig ist das Angebot mit entsprechender Sach- und Hilfsliteratur für Führungskräfte und professionelle Coaches.

Warum dieser Boom?

Das hat mit dem Wandel in der Gesellschaft zu tun. Der gute und leider schon verstorbene Vordenker Peter Drucker hat einmal gesagt: »Woran sich die Historiker in 100 Jahren an unsere Zeit zurückerinnern werden, ist nicht die Erfindung des Internets oder die Nutzung von Mikroelektronik, sondern die Tatsache einer immer größer werdenden Anzahl von Menschen, denen bewusst wird, dass sie eine Wahl haben. Und auf diesen Umstand sind die meisten extrem schlecht vorbereitet.«

Ich teile diese Ansicht, denn ich komme, nachdem ich mich in den letzten 25 Jahren ausführlich mit der Führungspraxis befasst habe, zur Erkenntnis, dass der Anspruch der Mitarbeiter auf eine Behandlung als vollständiger Mensch stetig wächst. Früher konnten sich Unternehmer zwei der vier elementaren Bestandteile – nämlich den Körper (die körperliche Kraft) und den Verstand (das Wissen) durch Abgeltung über den Lohn quasi kaufen. Allerdings bestehen wir auch noch aus dem Herzen (Beziehungen) und einer Seele (einen Beitrag hinterlassen) –, und diese beiden Bestandteile von uns kann man nicht kaufen – die geben wir dem Unternehmen freiwillig oder wir lassen es.

Eine stetig wachsende Zahl von Menschen will nicht auf ihren körperlichen und geistigen Beitrag reduziert werden. Sie wollen sich zudem wohlfühlen, benötigen ein gutes Betriebsklima und wollen auch noch ein bleibendes Vermächtnis hinterlassen. (Oder wollen Sie etwa, dass sich nach dem Ausscheiden aus Ihrem Unternehmen niemand mehr an Sie erinnert?)

Die jungen und künftigen Generationen werden anspruchsvoller, was den Umgang mit ihnen betrifft, und wenn sie nicht so behandelt werden, wie sie sich das vorstellen, suchen sie sich eine andere Stelle.

Und deshalb ist Coaching heutzutage eine solch elementare Führungsfähigkeit für den Erfolg.

Man kann hier durchaus einen Vergleich zum Thema Erziehung anstellen. Der Erziehungsstil hat sich in den letzten 100 Jahren elementar gewandelt, vom autoritären Stil über die antiautoritäre Erziehung bis hin zu einem Erziehungsstil unter dem Motto »Ich (Elternteil) bin okay, und du (Kind) bist auch okay. Ich (Elternteil) bin verantwortlich für deine Entwicklung bis zu deinem Erwachsenwerden. Du bist ein eigenständiger Mensch. Du gehörst mir nicht, aber du benötigst Hilfe bei deiner Entwicklung. Das geht zwar nicht ohne Regeln und Grenzen, aber du sollst kein Abziehbild meiner selbst werden. Ich versuche, dein Potenzial zu entdecken, aber es liegt an dir es zu entfalten. Irgendwann brauchst du mich nicht mehr …«

Dass Menschen in der Art, wie mit ihnen umgegangen werden soll, anspruchsvoller werden, mag zwar für ein Elternteil oder eine Führungskraft zunächst mühsam erscheinen, aber wenn man die wenigen Grundprinzipien beherrscht, die hierfür notwendig sind, und die positiven Resultate sieht, wird man sich unwillkürlich den berühmten Satz sagen hören: »Warum habe ich das nicht schon viel früher gemacht?«

Diese Grundprinzipien finden Sie in diesem Buch.

Folgende Geschichte mag Ihnen deutlich machen, warum dieses Buch sich von all den anderen in diesem Genre unterscheidet:

Vor ein paar Jahren hielt ich ein offenes Seminar zu den 7 Wegen der Effektivität von Stephen R. Covey. Am Ende gingen alle höchst inspiriert nach Hause und einer der Teilnehmer gab mir folgendes Feedback: »Also ich muss Ihnen sagen, dass dieses Seminar für mich der reinste Augenöffner war! Ich gebe selbst seit Jahren erfolgreich Vertriebsseminare und bringe Verkäufern bei, wie man gut verkauft. Die Leute sind begeistert, doch kaum einer von ihnen schafft es, meine Lerninhalte und Verkaufstechniken tatsächlich dauerhaft in die Praxis umzusetzen. Seit heute weiß ich, warum! Ich kann den Leuten noch so viele Verkaufspraktiken beibringen, aber ohne zum Beispiel den Weg 4 ›Gewinn-Gewinn-Denken‹ und die Grundlagen hierfür aus den Wegen 1 bis 3, sind all die Techniken in der Praxis auf Dauer relativ wirkungslos. Ich kann einem Verkäufer die Kunst des Zuhörens beibringen, aber wenn er nicht mit einer Gewinn-Gewinn-Einstellung ins Gespräch geht, wird die Technik verpuffen – und je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mit das. Danke für diese Erfahrung!«

So ähnlich verhält es sich mit den nachfolgend beschriebenen Inhalten von Michael K Simpson. Sie sind ein Fundament, die jedem, der diese Grundprinzipien in Coaching-Situationen einigermaßen beherrscht, folgenden Nutzen liefert:

Img Für eine Führungskraft ohne Coaching-Ausbildung: ein hohes Maß an Grundfertigkeiten, um die Potenziale der eigenen Mitarbeiter freizusetzen – ohne eine aufwendige Coaching-Ausbildung absolvieren zu müssen.

Img Für eine Führungskraft mit Coaching-Ausbildung: die bessere Umsetzbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse bei den Mitarbeitern und eine damit verbundene höhere Mitarbeiterzufriedenheit.

Img Für jedermann: ein Grundgerüst an Fähigkeiten, die einem helfen, im Leben immer gut zurechtzukommen, auch wenn mal kein Coach in der Nähe ist.

Ich bin dankbar für die Gelegenheit, dieses großartige Buch in einen deutschsprachigen Kontext zu bringen und einige eigene Erfahrungen mit den beschriebenen Fähigkeiten beizusteuern.

Viel Freude beim Lesen und vor allem noch mehr Freude bei einer der – aus meiner Sicht – sinnvollsten Lebensaufgaben, die man sich selbst stellen kann: die Potenziale anderer Menschen zu erkennen und diese für einen positiven Zweck freizusetzen.

Geleitwort von Andreas Maron, Executive Coach beim FranklinCovey Leadership Institut in München und Koautor des Bestsellers Die 4 Disziplinen der Umsetzung.

Einführung

Als Führungskraft erfolgreich zu sein, ist kein leichtes Unterfangen. Der Erfolg einer Führungskraft bemisst sich unmittelbar am Erfolg der von ihm Geführten; beides ist nicht voneinander zu trennen. Die Geführten sind für ihren Erfolg auf ihre Führungskraft angewiesen, und andersherum gilt das Gleiche. Ob CEO, Behördenchef, Abteilungsleiter, Projektverantwortlicher oder eine beliebige andere Form von Führungskraft – keine von ihnen kommt ohne umfassende Coaching-Fähigkeiten aus.

Die Bedeutung des Coachings war niemals größer als heute. Das Gallup-Institut ermittelte eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Team von Mitarbeitern gute und erfolgreiche Arbeit leistet, sobald diese engagiert bei der Sache sind. Einsatzfreudige Mitarbeiter sind produktiver, profitabler, loyaler und kundenorientierter. Vor allem aber zeigte die Studie: Unmittelbare Vorgesetzte haben entscheidenden Einfluss auf den Grad des Engagements ihrer Mitarbeiter.1

Als Orientierung hierfür eignen sich die »sechs Ebenen des Engagements« (siehe Abbildung auf Seite 14). Sie sind ein einfaches, aber effektives Führungswerkzeug, mit dessen Hilfe man das Engagementsniveau der eigenen Organisation recht gut abschätzen kann. Die Aufgabe besteht darin, grob einzuschätzen, wie viel Prozent der Belegschaft sich im Allgemeinen auf welcher Ebene aufhält – unabhängig von Tageslaunen.

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Quelle: „Great Leaders“-Programm von FranklinCovey

Folgende Aspekte zu diesen sechs Ebenen sind interessant:

1. Laut jüngster Umfragen zum Thema Motivation und Engagement haben circa 70 Prozent aller Angestellten in Deutschland, Österreich und der Schweiz quer durch alle Branchen innerlich gekündigt. Auf die sechs Ebenen übertragen heißt das: Sie befinden sich im Allgemeinen auf den unteren Ebenen 1, 2 oder 3.

2. Jedoch beginnen 100 Prozent der Mitarbeiter zu Beginn einer neuen Anstellung in der Regel auf den oberen Ebenen 4, 5 oder gar 6! Ergo scheint eine Art Gravitation zu wirken, die mit der Zeit das positive Engagement der Mitarbeiter versiegen lässt.

3. Es ist schwierig, die Mitarbeiter auf den Ebenen 4 bis 6 zu halten.

4. Es ist noch schwieriger, Mitarbeiter auf den Ebenen 1 bis 3 wieder auf die Ebenen 4 bis 6 zu bringen.

5. Dauerhafter Erfolg für das eigene Unternehmen liegt ausschließlich auf den Ebenen 4 bis 6

6. Ebene 3 ist für viele Manager trügerisch, denn es geht bei diesen sechs Ebenen nicht um die Interessantheit der Aufgabe, sondern um das Engagement, das jeder Mitarbeiter in seiner Rolle aufzubringen bereit ist. Es gibt Firmen, deren Lkw-Fahrer, Mitarbeiter im Callcenter etc. sich auf Ebene 5 bewegen.

7. Aus unserer Sicht ist Ebene 5 (überzeugtes Engagement) die effektivste Ebene. Im Gegensatz zur Ebene 4 beinhaltet sie mehr Eigenverantwortung und im Gegensatz zu Ebene 6 ist ein Mitarbeiter, der sich auf Ebene 5 befindet, leichter zu führen.

8. Wer bestimmt, auf welcher Ebene man sich befindet? Jeder Mitarbeiter selbst, denn es ist – unbewusst oder bewusst – die eigene Wahl, mit wie viel Engagement man tagtäglich im Job antritt.

Worin liegt nun der Zusammenhang zwischen den sechs Ebenen und dem Coaching?

Als Führungskraft können wir nicht die persönliche Wahl der Mitarbeiter direkt beeinflussen, aber wir können Rahmenbedingungen schaffen, bei denen es den Mitarbeitern leichter fällt, sich für ein höheres Engagement zu entscheiden. Und einer der wirksamsten Hebel ist das persönliche Coaching!

Und genau das ist der Grund, warum jede Führungskraft, jeder Manager und jeder Vorgesetzte gute Coaching-Qualitäten entwickeln muss. In einer Zeit, in der wir alle uns ständig wachsenden Anforderungen ausgesetzt sehen, ist die Gefahr groß, dass wir uns innerlich ausklinken. Umso wichtiger wird die Rolle des Coachs, der seine Mitarbeiter bei der Stange hält und ihre Einsatzbereitschaft fördert. Doch leider sind viele Führungskräfte auf diese Herausforderung nicht hinreichend vorbereitet. Häufig verfügen sie über großes fachliches Know-how und verstehen sich auf Bereiche wie Geschäftsführung, Finanzen, Buchhaltung, Organisation, Vertrieb, Marketing, Konstruktion, Recht oder Wissenschaft und Forschung.

Was sie aber nicht wissen, ist, wie man Mitarbeiter coacht.

Einer meiner Klienten ist der Chef eines größeren Unternehmens in Shanghai. Während einer unserer Coaching-Sitzungen erzählte er mir: »Nach meinem Jurastudium verfügte ich über exzellente akademische, analytische, forschungstechnische und juristische Fähigkeiten und Werkzeuge. Was ich aber nicht gelernt hatte und worauf ich nicht vorbereitet war, das war, wie man Mitarbeiter coacht. Kaum hatte ich meine erste Arbeitsstelle, war ich für Mitarbeiter verantwortlich. Und natürlich hatte ich Kollegen, mit denen ich zusammenarbeiten musste. Aber niemand hatte mir gesagt, wie man andere Menschen inspiriert und motiviert und wie man ihnen hilft, ihre Leistung zu verbessern und Hindernisse zu überwinden. Was immer zu meiner Rolle als Führungskraft gehörte, konnte ich nur gemeinsam mit anderen und mithilfe anderer tun. Alles hing von einer Fähigkeit ab, die man mir zu keinem Zeitpunkt beigebracht hatte.«

Die meisten Führungskräfte und Teams, mit denen ich als Coach in Kontakt komme, wissen Ähnliches zu berichten.

Das Faszinierende ist, dass die Menschen wollen, dass wir sie coachen. Vor nicht langer Zeit befragte die Columbia Business School 10.000 Teilnehmer, ob sie sich einen Coach wünschten und warum. Fast alle bestätigten, dass sie die eine oder andere Form von Coaching begrüßen würden. 30 Prozent äußerten, sie erwarteten sich davon Hilfe in Bereichen wie Leben, Sinnfindung, Zukunftsbild, Kreativität und Authentizität. 17 Prozent sagten, sie benötigen Hilfe bei »unternehmerischen« Aktivitäten und in Bereichen wie Teamführung, Vertrieb und kulturübergreifender Vielfalt. 16 Prozent führten Bedarf im Bereich Führung und Management an. 8 Prozent wünschten sich Hilfe in Beziehungsfragen, und weitere 8 Prozent wünschten sich Unterstützung in Fragen der beruflichen Neuorientierung und der zukünftigen Jobplanung und Karriereentwicklung. Viele waren an Themen wie Verhaltensänderung, Führungseffektivität und Work-Life-Balance interessiert.2

Beim Coaching geht es nicht in erster Linie um die Organisation oder das Team. Im Mittelpunkt steht vielmehr der Mensch. Und das mag als eine Aufgabe erscheinen, die schlicht nicht zu meistern ist – jedenfalls nicht mit den Werkzeugen, die ein Wirtschaftsstudium oder eine vergleichbare Ausbildung Ihnen an die Hand gibt. Natürlich können Sie ein guter oder ein schlechter Coach sein, und es gibt keine Jury wie bei einer Realityshow, die Sie beobachtet und Ihnen bescheinigt, ob Sie Ihrer Rolle gerecht werden oder nicht. Wenn Sie jedoch die universellen Prinzipien befolgen, die wir in diesem Buch vorstellen, stehen die Chancen gut, dass Sie Ihre Sache gut machen werden.

Vieles von dem, was wir täglich leisten, wenn wir anderen Anleitung und Unterstützung geben, gehört in den Bereich des Coachings. Aber Coaching beschränkt sich nicht auf Ratschläge und Tipps. Es baut auf klar umrissene Kompetenzen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen auf und setzt eine bestimmte Art von guter Absicht und charakterlicher Einstellung voraus. Die beste Definition von Coaching lautet vielleicht so: »Indem wir andere coachen, helfen wir ihnen, ihre Potenziale auszuschöpfen und das Beste aus sich herauszuholen.« Uns gefällt diese Definition, weil sie so aufregend ist – die Möglichkeiten des Menschen sind wahrlich unerschöpflich und gleichzeitig so individuell. Jeder Mensch besitzt seine ganz eigenen Stärken und kämpft mit seinen ganz eigenen Herausforderungen.

Wir alle hatten Coachs, die uns geholfen haben, unseren Weg zu gehen, und höchstwahrscheinlich beschränkte sich ihr Beitrag nicht nur auf die Rolle des Vorgesetzten oder Lehrers. Ihre Ansprache betraf nicht nur unser Verhalten und unsere Leistung im Job, sondern ebenso unser privates Leben und unsere menschliche Entwicklung. Und manchmal zählen zu unseren besten Coachs unsere Kollegen, Lebenspartner und Freunde – Menschen, denen gegenüber wir im formalen Sinne nicht rechenschaftspflichtig sind, denen wir aber vertrauen und auf deren Wort wir hören.

Coaching wirkt sich im besten Fall positiv auf die innere Einstellung, das Gemüt und die Verhaltensweisen eines Menschen aus und bewirkt dort nachhaltige Veränderungen. Ziel jedes Coachings sollte es sein, eine andere Person dazu zu befähigen, einen Beitrag zu dieser Welt zu leisten, zu dem niemand außer ihr imstande ist.

Manchmal hilft es, sich klarzumachen, was Coaching nicht ist.

Img Coaching bedeutet nicht, andere herumzukommandieren, weil Sie sich qua Position dazu berechtigt sehen.

Img Coaching bedeutet nicht, andere zu »korrigieren«.

Img Coaching bedeutet nicht, Abhängigkeitsverhältnisse zu schaffen oder andere einer »Dauertherapie« zu unterziehen.

Wenn wir andere coachen, dann entwickeln wir zu ihnen ein Vertrauensverhältnis, legen ihr Potenzial frei, fördern ihre Einsatzbereitschaft und helfen ihnen bei der Umsetzung ihrer Ziele. Vertrauen, Potenzial, Einsatz und Umsetzung – dieses Buch wird Sie mit diesen vier Grundpfeilern oder Realitäten des Coachings und ihrer praktischen Anwendung vertraut machen. Sobald Sie sich an diesen Grundpfeilern orientieren, werden Sie Ihre Meisterschaft im Coaching deutlich steigern können.

Das Wort Coach leitet sich von dem englischen Wort für Kutsche ab, dem von Pferden gezogenen Gefährt, mit dem sich Menschen von einem Ort zum anderen transportieren lassen. Im 19. Jahrhundert suchten Studierende nach jemandem, der sie durch ihre Prüfungen »trug« – jemandem, dem sie zutrauten, dass er ihnen zu besseren Leistungen verhalf und ihren Eifer anstachelte –, und diese Person bezeichneten sie inoffiziell als coach. Als ein Coach besteht Ihre Aufgabe darin, anderen zu helfen, von einem Leistungsniveau zum nächsten vorzustoßen.

Das Leben besteht aus einer Folge von Prüfungen, Anfechtungen und großen Chancen. Manche sind vorübergehender Natur, während andere große Ausdauer erfordern. Dazu gehören Phasen der beruflichen Entwicklung, die entscheidenden Einfluss auf die Zukunft eines Menschen haben. Wir haben sieben Kernfähigkeiten identifiziert, die jeder gute Coach beherrschen sollte, damit er in der Lage ist, anderen im persönlichen, Team- und Unternehmenskontext zu helfen, das Beste aus sich zu machen und die eigene Leistung optimal zu steigern:

1. Vertrauen schaffen

2. Paradigmen hinterfragen

3. Strategische Klarheit gewinnen

4. Einwandfrei umsetzen

5. Konstruktives Feedback geben

6. Talent zur Entfaltung bringen

7. Das Mittelfeld fördern

Um meinen Mentor Dr. Stephen R. Covey zu zitieren: »Coachs werden weder geboren noch gemacht.« Ein guter Coach ist ein guter Coach, weil er es zu sein beschließt.

Teil 1

Die vier Grundpfeiler des Coachings

1. Vertrauen

»Ein Mitarbeiter erteilt uns Führungskräften die Erlaubnis, sie/ihn zu entwickeln – nicht umgekehrt!«

Andreas Maron

Vertrauen schaffen, Potenzial freilegen, Einsatzbereitschaft fördern und Ziele verwirklichen – das sind die Kriterien, nach denen sich gutes Coaching bemisst. Oder können Sie sich einen guten Coach vorstellen, der unzuverlässig ist, es nicht versteht, die Potenziale seiner Mitarbeiter freizulegen, anderen kein Vertrauen schenkt, seine Mitarbeiter nicht zu begeistern weiß und einem Team vorsteht, dem es nicht gelingt, seine wichtigsten Ziele umzusetzen und die gestellten Erwartungen zu erfüllen? Der Erfolg eines Coachs vollzieht sich »von innen nach außen«: Solange er diese Prinzipien nicht verinnerlicht hat und sie selbst nicht vorlebt, kann er seiner Rolle als Coach auch anderen gegenüber nicht gerecht werden.

Die International Coach Federation (ICF) hat eine Reihe von ethischen Normen3 für Coachs veröffentlicht. Unter anderem verpflichten sich alle professionellen Coachs dazu,

Img echtes Interesse am Wohlergehen und der Zukunft der gecoachten Personen zu zeigen,

Img stets ehrlich und aufrichtig zu sein und

Img Vertraulichkeit zu wahren.

Niemand würde bestreiten, dass diese Eigenschaften unerlässlich sind, damit wir jemandem Vertrauen entgegenbringen können, und die erste Voraussetzung für jedes Coaching ist gerade die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses.

Natürlich haben wir es hier mit ethischen Imperativen zu tun. Wir kennen sie und sind bereit, sie zu befolgen und sie womöglich anderen zu predigen. Wir können alles das tun und dennoch nur beschränkt vertrauenswürdig sein. Erst wenn wir uns mit vollem Herzen zu diesen Imperativen bekennen und unser ganzes Leben nach ihnen ausrichten, werden wir zu Menschen, denen andere volles Vertrauen schenken können.

Niemand wird allein schon qua Position zu einem vertrauenswürdigen Coach. Ihre Fürsorge für die gecoachte Person muss auf echter und guter Absicht basieren. Ihre Aufrichtigkeit muss bedingungslos sein. Ihre Entschlossenheit, Vertraulichkeit zu wahren, darf durch nichts zu erschüttern sein.

An einem gewissen Punkt in meiner Karriere akzeptierte ich die mir angetragene Rolle als Vertriebs- und Marketingvorstand eines Unternehmens mit einem soliden Wachstumspotenzial.

Bevor ich diese Position antrat, machte ich mir ein Bild von dem Unternehmen und stellte fest, dass die Unternehmensführung den Vertriebsleiter und seine Mannschaft stets nach wenigen Monaten ausgetauscht hatte. Niemand hatte meine Position länger als acht Monate innegehabt.

Bald wurde mir auch klar, warum das Unternehmen eine so hohe Verschleißrate aufwies: geringes Vertrauen und mangelnde Mitarbeitermoral. Auf den ersten Blick erschien der CEO als intelligent, fokussiert und ambitioniert, aber ebenso gab es da die vielen nicht gehaltenen Versprechen und die impulsiven Wutausbrüche eines reinen Egomanen. Das rasch wachsende Unternehmen verbrannte sein Kapital in alarmierendem Tempo. Die gesamte Führungsriege – und insbesondere der Vertrieb – standen unter enormem Ergebnisdruck.

Dennoch war ich fasziniert von den Möglichkeiten, die sich uns boten. Ich formulierte eine klare Vertriebsstrategie, definierte ein klares Wertversprechen, um uns auf dem Markt zu positionieren und unsere Kernkunden und Vertriebskanäle zu binden, indem wir uns langfristige und kurzfristige Ziele setzten und unseren Service für die Kernkunden verbesserten.

Allen Erfolgen zum Trotz lernte ich bald, dass in den Führungstreffen immer nur eine Meinung zählte – nämlich die des CEO. Meine Versuche, mein Vertriebsteam zu managen, wurden größtenteils ignoriert oder hintertrieben. Die angespannten wöchentlichen Führungstreffen erschöpften sich in der Regel in Anschuldigungen und Mikromanagement.

Kurz bevor ich einen Vertrag unterzeichnen konnte, der mir und einem meiner Partner eine große Provision beschert hätte, rief der CEO uns beide in sein Büro und verkündete, dass wir mit sofortiger Wirkung entlassen seien.

Wir zeigten ihm den Provisionsbericht des Kunden mit der Auszahlung, die wir uns verdient hätten. Der CEO lehnte sich in seinem Sitz zurück und grinste: »Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie Angestellte von meinen Gnaden sind. Ich kann entlassen, wen immer ich will und wann immer ich will.«

Wir wandten ein, dass uns die Provision gemäß Vertrag zustünde. Er forderte daraufhin seinen ebenfalls anwesenden Chefkollegen auf: »Lass sie sofort vom Grundstück entfernen.«

Ich wusste nicht, wie uns geschah. Ein so unmoralisches und unethisches Verhalten war mir mein Lebtag noch nicht untergekommen. Ein Bekannter meines Partners war Anwalt und bot uns an, für uns Klage einzureichen. Ich sah allen Grund, Genugtuung zu fordern. Ich war wütend. Man hatte mich betrogen.

Als ich eines frühen Morgens einmal mehr grollend in meinem Arbeitszimmer saß, kam meine Frau in der Rolle eines persönlichen Coachs zu mir und sagte in sanftem Ton: »Auch wenn es eine schreiende Ungerechtigkeit war, meinst du wirklich, dass es Sinn macht, weiter zu insistieren? Ich will nicht, dass der Geist des Zwistes über diesem Haus hängt, während du ein oder zwei Jahre lang mit eidesstattlichen Erklärungen verbringst und diese Situation immer aufs Neue durchlebst. Wir sollten unsere positiven Energien auf die Zukunft richten, anstatt uns immer nur mit der Vergangenheit zu beschäftigen.«